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Forschung am intelligenten Katheter: Interview mit Prof. Dr. Thomas Pieber
4 Minuten
Warum sollte man einen Insulinpumpenkatheter nur drei Tage lang tragen? Prof. Dr. Thomas Pieber, Leiter der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie an der Medizinischen Universität Graz, Direktor des Instituts HEALTH von Joanneum Research in Graz und Gründer von CBmed, einem Kompetenzzentrum für Biomarkerforschung, erforscht und testet seit 20 Jahren verschiedene Therapiekonzepte für Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes.
Im November 2021 ging seine Arbeit durch die Presse, weil er und sein Team eine Methode vorgestellt haben, die einen Katheterwechsel für Insulinpumpenträger erst nach sieben oder mehr Tagen erlauben soll – je nach Gewebezustand. Die bereits patentierte Forschung wurde mit dem Preis für Präzisionsmedizin der Novo Nordisk Foundation ausgezeichnet. Das hat mich schon damals neugierig gemacht. Wie ist der aktuelle Stand der Dinge? Ein Anruf in Graz.

Herr Prof. Pieber, bitte berichten Sie uns von Ihrem Forschungsansatz!
Pieber: Aktuell sind Infusionskatheter für Insulinpumpen von Seiten der Behörden und Firmen nur für eine Tragedauer von drei Tagen zugelassen. Wir wissen aber, dass oft ein späterer Katheterwechsel möglich wäre. Das Problem: Man sieht von außen nicht, ob ein Katheter noch funktioniert. Manchmal erahnt man es bei unerwartet hohen Blutzuckerwerten, einer nicht funktionierenden Korrektur oder Hautreaktionen, aber das ist selten eindeutig. Es gibt hier eigentlich keine wissenschaftliche Grundlage, den Katheter nur drei Tage einzusetzen. Ein System, mit dem man einen Katheter eine Woche sicher tragen kann, macht die Therapie billiger, für Betroffene weniger mühsam – speziell für Kinder, und es produziert weniger Müll. Unser Ansatz war also die interessante Erkenntnis, dass die Tragedauer von nur drei Tagen bislang einfach hingenommen wurde.
Wie sieht Ihre Lösung für diese Ausgangslage aus?
Pieber: Wir haben im Rahmen unseres zweijährigen Forschungsprojekts ein System entwickelt, das die Tragedauer von Kathetern messen kann. Mit einem Weartime-Sensor lässt sich der Druck beim Insulinbolus ermitteln, den es braucht, damit das Insulin auch in das Gewebe gelangt. Dieser benötigte Druck gibt so Auskunft über die Tragezeit des Katheters. Perspektivisch soll auf der Insulinpumpe eine kleine Ampel integriert werden. Grün bedeutet: Der Druck ist niedrig, also der Katheter funktioniert. Gelb: Der Katheter muss in 12 oder 24 Stunden gewechselt werden. Rot: Bitte Katheter innerhalb der nächsten Stunde wechseln. Diese Anzeige liegt weit vor einem Verschlussalarm einer Insulinpumpe.

Wo befindet sich der Weartime-Sensor genau?
Pieber: Wir haben einen Druck- und Flusssensor direkt im Katheter eingebaut, der misst, wie stabil das Insulin fließt: Welche Kraft braucht es, um das Insulin in das Gewebe zu transportieren? Daraus lässt sich der Gewebewiderstand errechnen. Über den Sensor soll die Pumpe direkt die Ergebnisse erhalten, es braucht keine neuen Kabel, Geräte oder Handhelds. Parallel planen wir gerade eine klinische Studie mit Patienten, in denen der Gewebewiderstand genau gemessen wird, um festlegen zu können, ab welcher Grenze die Ansage zum Katheterwechsel erfolgen soll. Das wird sicherlich zum Teil ein individueller Wert sein.
Gibt es weitere Faktoren, die die Tragedauer limitieren?
Pieber: Die Tragezeit des Katheters wird vor allem durch den Gewebewiderstand bestimmt. Es sind leider das Insulin und seine Zusatzstoffe selbst, die eine Gewebereaktion entstehen lassen – nicht der Teflon- oder Stahlkatheter. In anderen Untersuchungen haben wir gezeigt, dass man Insulininfusionskatheter mit steriler Kochsalzlösung einen ganzen Monat lang ohne Gewebereaktionen tragen kann. Wenn man also – das ist ein weiterer Forschungsansatz von uns unter dem Namen „Just a patch“ – eine Methode findet, mit der das Insulin nur kurz im Depot liegt und schnell aufgenommen wird, könnte es auch dazu beitragen, den Katheter länger zu tragen. Wir haben kürzlich unsere Ergebnisse zu ultraschnellwirksamem und ultrahochkonzentriertem Insulin präsentiert – mit 500 Einheiten pro Milliliter. Damit kann man künftig kleinere Pumpen bauen, Mini-Patch-Pumpen in der Größe eines kleinen Pflasters.
Was weiß die Wissenschaft bereits über Gewebereaktionen bei Insulinkathetern?
Pieber: Die Forschung hat das Thema in den letzten Jahrzehnten sträflich vernachlässigt. In den 1970ern hat der Wissenschaftler John Pickup in London erstmals gezeigt, dass Insulin im subkutanen Fettgewebe verabreicht werden kann und dass es von dort gut aufgenommen wird. Das war damals ein Durchbruch und hat Pumpentherapie für Diabetes überhaupt erst ermöglicht. Trotz anfänglicher Fortschritte hat die Forschung aber dann kaum verfolgt, wie diese Aufnahme im Gewebe genau funktioniert. Vielmehr hat man die generelle Funktionsweise einfach zur Kenntnis genommen und festgestellt, dass das meistens drei Tage lang sicher funktioniert. Darum wissen wir noch immer recht wenig dazu.
Wie sieht Ihre Vision aus?
Pieber: Wenn ich alle Stoßrichtungen unserer Forschung zusammenfüge, entsteht am Ende eine unauffällige Insulinpumpe, die „just a patch“, also nur ein kleines Pflaster ist, die ich mit einem Stich einmal pro Woche anbringe – und diese Pumpe zeigt mir an, wann ich den Katheter wechseln muss. Gleichzeitig sollte darin direkt die Glukosemessung integriert sein und in einem Closed-Loop arbeiten. Also: ein Stich pro Woche für die gesamte Therapie mit verlässlicher Anzeige der Funktion des geschlossenen Regelkreises.

Das wäre toll. Ich drücke die Daumen für Ihre Forschung. Es hat sich wirklich viel getan seit meiner Diagnose vor 20 Jahren …
Pieber: Aber noch nicht genug, oder?

In einem früheren Beitrag von Katrin erfahrt ihr, was sich diese von der Forschung im Bereich der Katheter erhofft und worauf es bei der Insulinpumpentherapie ankommt.
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 4 Tagen, 21 Stunden
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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stephanie-haack postete ein Update vor 5 Tagen, 18 Stunden
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 5 Tagen, 17 Stunden
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 2 Wochen, 6 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 1 Tag
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike