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Wie steht es um Ihren Impfschutz? Die Frage sollten Sie dank Ihres Hausarztes immer mit “Gut!” beantworten können. Dies gilt vor allem für Diabetiker und vor allem auch für Kinder und Jugendliche. Ein Plädoyer für einen guten Impfschutz.
Wie sich später beim Hausarzt herausstellt, hat Peter M. tatsächlich, durch Blutuntersuchung (Antikörper) nachgewiesen, einen Keuchhusten(Pertussis). Seine über 80-jährige Mutter bestätigt auch, dass er nicht geimpft worden war und er auch als Kind keinen Keuchhusten durchgemacht hatte.Nach 3 Wochen Antibiotika und Inhalation unterstützender Lungensprays bessert sich sein Befinden deutlich – aber richtig fit ist er erst wieder nach 7 Monaten! Angesteckt hatte er sich wahrscheinlich bei einem Heimbewohner, der selbst Keuchhusten hatte!
Die STIKO ist die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut in Berlin – sie gibt die jeweils aktuellen Impfempfehlungen heraus. Demnach sollten sich speziell auch Erwachsene mit Diabetes fragen, ob bezüglich Kinderkrankheiten ein ausreichender Schutz besteht: gegen Keuchhusten,Mumps, Masern, Röteln, Diphtherie oder auch Windpocken. Oder ob die jährliche Impfung z. B. gegen Grippeviren oder gegen Pneumokokken besteht (das sind Erreger, die eine schwere bis tödliche Lungenentzündung verursachen können)?
Darüber hinaus sollte nachgesehen werden, ob ein Schutz gegen Poliomyelitis (Kinderlähmung) und gegen Tetanus (Wundstarrkrampf)besteht.
Menschen mit Diabetes haben ein leicht erhöhtes Risiko für Atemwegsinfektionen einschließlich einer Pneumokokken-Pneumonie: einer Lungenentzündung, ausgelöst durch Pneumokokken. Außerdem ist die Sterblichkeit durch eine Influenza-Infektion, also eine richtige Grippe, bei Diabetikern erhöht. Diabetiker haben wie Menschen mit anderen chronischen Erkrankungen meist auch ein erhöhtes Risiko für eine Hepatitis B (infektiöse Leberentzündung).
Besteht bereits eine chronisch verlaufende Hepatitis-B-Infektion, so verläuft die Entwicklung zu einer Leberzirrhose deutlich schneller als bei einem Patienten ohne Diabetes. Diabetiker mit Nierenversagen, speziell wenn sie an der Hämodialyse (Blutwäsche) sind, sollten nach den heutigen Leitlinien unbedingt auch gegen Hepatitis B geimpft werden.
Laut aktueller Studien haben ältere Patienten mit einer Lungenentzündung in 10 bis 20 Prozent der Fälle als Begleiterkrankung auch einen Diabetes mellitus. Darüber hinaus wurde in weiteren Studien der Diabetes als Risikofaktor für tiefe Atemwegsinfektionen identifiziert – Diabetiker haben ein etwa 3-fach erhöhtes Risiko, an einer schweren Pneumokokken-Infektion zu erkranken. Ob Diabetiker häufiger eine Influenza durchmachen, ist durch Studien nicht eindeutig belegt, allerdings verläuft die Influenza bei Diabetikern schwerer und führt häufiger zum Tod.
Offensichtlich besteht eine erhöhte Infektanfälligkeit bei Menschen mit Diabetes gegenüber verschiedenen Bakterien und Pilzen, die sich durch eine gestörte erregerspezifische Immunschwäche erklären lässt.
Laut STIKO sollen alle Erwachsenen wie erwähnt eine Grundimmunisierung haben gegen Diphtherie, Wundstarrkrampf und Kinderlähmung. Wenn irgend möglich, sollten alle jungen Erwachsenen ab dem 18. Lebensjahr im Rahmen einer Auffrisch-Impfung darüber hinaus gegen Keuchhusten geimpft werden; gerade der Keuchhusten verläuft im Erwachsenenalter sehr viel langsamer, aber schwerwiegender und kann den Diabetes massiv durcheinanderbringen.
Die Impfung gegen Keuchhusten sollte vor allem bei Menschen durchgeführt werden, die Kontakt zu Kindern oder die beruflich Kontakt mit kranken Menschen haben: Krankenschwestern, Ärzte etc. Die letzte Impfung sollte dabei nicht länger als 10 Jahre zurückliegen. Eine Auffrisch-Impfung gegen Diphterie und Tetanus ist etwa alle 10 Jahre notwendig. Besteht keine ausreichende Grundimmunisierung, kann diese auch im Erwachsenenalter nachgeholt werden.
Beispiele aus den letzten 5 Jahren zeigen, dass eine Einschleppung von Poliomyelitisfällen bei nachlassendem Impfschutz auch in bereits poliomyelitisfreien Regionen möglich ist wie in Russland 2012 oder China 2011. Um die Einschleppung nach Deutschland zu verhindern, sollten Kinder, Jugendliche und Erwachsene einen ausreichenden Impfschutz haben: Erwachsene über 18 Jahre sollten 1-mal im Leben eine Grundimmunisierung erhalten haben – und mindestens eine Auffrisch-Impfung.
Routinemäßige Auffrisch-Impfungen alle 10 Jahre wie früher werden nicht mehr generell empfohlen, sondern nur für spezielles medizinisches Personal oder für Menschen mit einem erhöhten Ansteckungsrisiko wie Reisende in bestimmte Risikogebiete (Pakistan, Afghanistan, Nigeria etc.).
Gegen Masern empfiehlt die STIKO seit 2010 auch eine Impfung für Erwachsene und für alle, die nach 1970 geboren wurden und noch keinen ausreichenden Impfschutz gegen Masern haben – also die noch gar nicht oder in der Kindheit nur 1-mal geimpft wurden. Die Gründe dafür sind ebenfalls wieder Masernausbrüche bei zunehmend unzureichend geimpften jungen Erwachsenen!
Bei Diabetikerinnen im gebärfähigen Alter sollten 2 Röteln-Impfungen auf jeden Fall dokumentiert sein. Da ein isolierter Rötelnimpfstoff seit 2013 nicht mehr verfügbar ist, wird die Impfung mit dem Kombinationsimpfstoff für Mumps, Masern und Röteln (MMR) durchgeführt.
Eine routinemäßige, alle 5 Jahre sich wiederholende Impfung gegen Pneumokokken wird seit einigen Jahren von der STIKO nicht mehr grundsätzlich empfohlen, sondern nur noch für bestimmte Risikogruppen. Dazu gehören Menschen mit einer Immunschwäche oder auch einer chronischen Nierenerkrankung.
Dazu gibt es neuerdings verschiedene Impfstoffe, die von der Ständigen Impfkommission, aber auch vom Gemeinsamen Bundesausschuss im Rahmen von Schutzimpfungs-Richtlinien unterschiedlich bewertet werden. Wenden Sie sich diesbezüglich bitte immer an Ihren Hausarzt, der die aktuellen Richtlinien entweder kennt oder sich besorgen kann.
Wie in den letzten Jahren ersichtlich, ist eine 100-prozentige Immunisierung gegen Grippeviren nicht möglich. Deshalb ist dringend anzuraten vor allem die jährliche, am besten im Oktober/November durchzuführende Grippeimpfung, entsprechend den aktuellen weltweit häufig anzutreffenden Grippevirus-Typen. Die meisten Influenzaviren werden auf bebrüteten embryonisierten Hühnereiern angezüchtet, dabei kann es zu Allergien kommen. Bei Hühnereiweißallergie stehen Impfstoffe zur Verfügung, die auf Zellkulturen angelegt wurden.
Für Menschen, die keine Injektion in den Muskel bekommen dürfen, z. B. wegen einer Blutungsgefahr durch gerinnungshemmende Medikamente (Aspirin, Marcumar etc.), gibt es Impfstoffe, die auch ins Unterhautfettgewebe (subkutan), gelegentlich auch als Nasenspray verabreicht werden dürfen (Kinder von 2 bis 18 Jahren) oder sogar in die Haut (Zulassung ab 60 Jahre). Leider wird die jährliche Influenza-Impfung nur unzureichend durchgeführt, obwohl gerade Menschen ab 60 Jahre und speziell mit chronischen Grunderkrankungen häufig daran erkranken und auch sterben.
Die Leichtsinnigkeit Einzelner oder von Gruppen in Sachen vorbeugender Impfung hat dazu geführt, dass in den letzten Jahren auch harmlose Kinderkrankheiten wie Masern, Röteln oder Windpocken zu schweren Erkrankungen geführt haben – bis hin zu Todesfällen bei Kindern und Erwachsenen.”Vorbeugende Impfung”: Die rechtzeitige Auseinandersetzung unseres Immunsystems mit potentiellen Erregern oder Teilen von Erregern führt dazu, dass wir im Ernstfall besser gewappnet sind – auch wenn in der Regel keine 100-prozentige Sicherheit besteht.
Ein vorbereitetes Immunsystem ist immer besser als eines, das absolut unvorbereitet mit einer schwerwiegenden Infektionskrankheit konfrontiert wird.Vielen ist nicht bewusst, dass gerade das regelmäßige Durchimpfen als Kind und auch als Heranwachsender sowie im Alter dazu geführt hat, dass wir Menschen heute deutlich länger leben und meist nicht an harmlosen Infektionen vorzeitig sterben.
Bitte informieren Sie sich über Ihren aktuellen Impfschutz, gehen Sie zu Ihrem Hausarzt, überprüfen Sie Ihren Impfausweis, nehmen Sie das regelmäßige Impfen ernst! Nicht nur im eigenen Interesse, sondern auch im Interesse Ihrer Familie, Anvertrauten, Freunde. Dies gilt besonders für Ärzte, Krankenschwestern, Altenpfleger und Erzieherinnen.
von Dr. Gerhard-W. Schmeisl
Internist/Angiologe/Diabetologe, Chefarzt Deegenbergklinik sowie Chefarzt Diabetologie Klinik Saale (DRV-Bund)
Deegenbergklinik, Burgstraße 21, 97688 Bad Kissingen, Tel.: 09 71/8 21-0 sowie Klinik Saale, Pfaffstraße 10, 97688 Bad Kissingen, Tel.: 09 71/8 5-01
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2015; 64 (8) Seite 28-31
5 Minuten
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