„Heilung“ durch Insulin aus dem Bioreaktor?

2 Minuten

„Heilung“ durch Insulin aus dem Bioreaktor?

Forscher am Dresdner Uniklinikum haben kürzlich eine aufsehenerregende Studie publiziert: In einem Kooperationsprojekt zusammen mit Kollegen aus Israel, vom Göttinger Primatenzentrum sowie vom King’s College in London haben sie im Tiermodell ein künstliches Organ mit Schweinezellen eingepflanzt, das selbstständig Insulin produziert. Dieser Bioreaktor könnte in der Zukunft vielleicht einmal die Insulinspritze ersetzen.

Schweinezellen lösen Spenderproblem

Zwei Hauptprobleme machen eine Inselzelltransplantation zur "Heilung" des Typ-1-Diabetes so schwierig: Einerseits braucht man mehrere Bauchspeicheldrüsen, um ausreichend Inselzellen zu gewinnen – und Organe zur Transplantation sind sehr rar. Andererseits macht die Abstoßungsreaktion des Körpers eine lebenslange Behandlung mit Medikamenten nötig, die das Immunsystem unterdrücken. Deshalb wird eine Bauchspeicheldrüsen- oder Inselzell-Transplantation nur selten durchgeführt, und zwar dann, wenn gleichzeitig ein anderes Organ (z. B. eine Niere) verpflanzt wird.

Im Oktoberheft der Fachzeitschrift PNAS* veröffentlichten Forscher die erfolgreichen Versuche mit dem Bioreaktor bei drei sechsjährigen Rhesusaffen über sechs Monate. Bereits im Jahr 2013 hatten die Dresdner Forscher über die erstmalige Verpflanzung dieses Systems bei einem Diabetes-patienten berichtet. Dieses Gerät war aber mit menschlichen Zellen versehen. Weil menschliche Zellen beziehungsweise Spenderorgane nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen, wurde jetzt ein künstliches Organ mit Schweinezellen getestet.

Keine Abstoßungsreaktion

Bekanntlich kann man Menschen mit Diabetes auch erfolgreich mit Schweineinsulin behandeln, und Bauchspeicheldrüsen von Schweinen zur Gewinnung von insulinproduzierenden Inselzellen gibt es reichlich. Damit es jetzt nach einer Verpflanzung nicht zu einer Abstoßungsreaktion kommt, werden die Zellen in einen sogenannten Bioreaktor mit den Ausmaßen einer mittelgroßen Cremedose verpackt.

Gefüllt mit Inselzellen vom Schwein, wird der Bioreaktor mit einem Durchmesser von fünf bis sechs Zentimetern unter die Haut auf das Bauchfell gepflanzt. Dadurch bekommt das System Anschluss an den Blutfluss.

Sobald der Blutzuckerspiegel steigt, produziert die künstliche Bauchspeicheldrüse mit Hilfe der Schweinezellen Insulin. Die Membran des Bioreaktors lässt den Zucker hinein, so dass er die Inselzellen zur Abgabe von Insulin stimulieren kann, und lässt auch das Insulin wieder raus, aber die Immunzellen bleiben draußen. Damit wären keine Medikamente mehr nötig, die das Immunsystem unterdrücken.

Inselzellen brauchen viel Sauerstoff

Wenn man den Bioreaktor mit der technischen Lösung Closed Loop vergleicht (Closed Loop: Kombination aus Insulinpumpe und Glukosesensor mit einer regulierenden Steuereinheit; wird oft als "künstliche Bauchspeicheldrüse" bezeichnet), so kommt der Ansatz der Dresdner Forscher einer "Heilung" des Diabetes natürlich näher als der Closed Loop. Das Problem aller Verkapselungsansätze: Inselzellen brauchen viel Sauerstoff.

Der Bioreaktor hat daher zwei subkutan liegende Schläuche, durch die Sauerstoff hineingepumpt wird. Durch ein Reservoir kann man die Sauerstoffzufuhr vielleicht auf ein bis zwei Wochen reduzieren. Oder es gibt Überlegungen, dass Algen, die Sauerstoff produzieren, irgendwann mit in den Reaktor integriert werden könnten.

Insulingabe weiter nötig

Das zweite Problem: Das System muss natürlich ausreichend und schnell genug Insulin produzieren können. Ob das tatsächlich gelingen kann, ist noch unklar. Sowohl der Patient im ersten Pilotexperiment wie auch die Rhesusaffen blieben auf zusätzliche Insulingaben zur Kontrolle ihrer Stoffwechsellage angewiesen.

Eine solche Entwicklung für alle Patienten praktikabel zu machen, wird sicher noch einige Jahre dauern. Während der Closed Loop hinsichtlich der klinischen Erprobung schon relativ weit fortgeschritten ist, müssen offenbar bei der Inselzelltransplantation mit und ohne Bioreaktor noch viele grundlegende Probleme gelöst werden, bevor es zu einem breiteren Einsatz kommen kann.


Ähnliche Beiträge

Diabetes-Anker-Podcast: Typ-1-Diabetes früher erkennen und sogar aufhalten – ist das möglich, Frau Prof. Ziegler?

Wie lässt sich Typ-1-Diabetes erkennen, schon bevor Symptome auftreten? Und was wird in der AVAnT1a-Studie untersucht – und mit welchem Ziel? Darüber sprechen wir im Diabetes-Anker-Podcast mit Prof. Dr. Anette-Gabriele Ziegler.
Diabetes-Anker-Podcast: Typ-1-Diabetes früher erkennen und sogar aufhalten – ist das möglich, Frau Prof. Ziegler?

3 Minuten

Kommt es am Ende doch auf die Größe an?

Insulinpumpen werden immer kleiner – ein Fortschritt für viele, doch für manche Menschen mit Diabetes ein Problem. Community-Autor Daniel legt dar, warum Pumpengröße und Insulinmenge aus seiner Sicht entscheidend für individuelle Bedürfnisse bleiben.
Kommt es am Ende doch auf die Größe an? | Foto: privat

5 Minuten

Community-Beitrag

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Werde Teil unserer Community

Community-Frage

Mit wem redest du über deinen Diabetes?

Die Antworten auf die Community-Frage werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Bitte achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Push-Benachrichtigungen

notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert
notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert