Klima, Umwelt, Müll: Das hat auch mit Diabetes zu tun

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Klima, Umwelt, Müll - Das hat auch mit Diabetes zu tun | Foto: New Africa - stock.adobe.com
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Klima, Umwelt, Müll: Das hat auch mit Diabetes zu tun

Haben Sie im Sommer schon einmal bemerkt, dass Ihre Glukosewerte unerwartet schwanken? Dass Ihr Insulin plötzlich anders wirkt oder Ihr Glukose-­Sensor sich von Ihrer Haut ablöst? Vielleicht haben Sie sich auch schon gefragt, was nach dem Entsorgen mit all den Tabletten-Packungen, Insulinpens und Glukose-Sensoren passiert. Die Arbeitsgemeinschaft Diabetes, Umwelt & Klima (AG DUK) der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) widmet sich diesen Themen.

Forscherinnen und Forscher finden immer mehr Belege dafür, dass klimatische Veränderungen, Luftverschmutzung, Lärm und Extremwetter-Ereignisse wie Hitze, aber auch Kälte, die menschliche Gesundheit schädigen können. Insbesondere Menschen mit chronischen Erkrankungen, auch mit Diabetes mellitus, stellen eine besonders gefährdete Gruppe dar.

Umwelt-Veränderungen haben Einfluss auf Diabetes

So werden zunehmend Zusammenhänge zwischen Veränderungen unserer Umwelt und dem Entstehen von Diabetes entdeckt. Aus den Ergebnissen einer Untersuchung aus den USA schätzen die Forschenden, dass der längerfristige Anstieg der Außentemperatur um 1 °C zu mehr als 100.000 neuen Dia­betes-Fällen pro Jahr führt. Auch zeigte sich ein Zusammenhang zwischen wärmerem Klima und vermehrten Krankenhaus-Aufenthalten und auch Todesfällen von Menschen mit Diabetes. Menschen über 65 Jahren und solche mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind besonders gefährdet.

Zusätzlich gefährden Extremwetter-Ereignisse die medizinische Versorgung, z.B. durch Engpässe im Bereitstellen von Insulin und anderen lebensnotwendigen Medikamenten. Zudem gehen Forschende davon aus, dass rund 20 Prozent der weltweiten Fälle von Typ-2-Dia­betes auf Luftverschmutzung zurückzuführen sind. Diese Erkenntnisse betonen, wie wichtig die Thematik für unseren Alltag ist, und die Notwendigkeit, zu handeln.

Hitze gefährdet Menschen

Ein wesentlicher Aspekt der Klimakrise sind Hitzewellen. Die Effekte auf Menschen mit Dia­betes, über welche Diabetes-Teams und Menschen mit Diabetes aus ganz praktischen Erfahrungen berichten können, sind bisher nicht gut untersucht worden. Wir wissen, dass die Durchblutung der Haut, die sich bei Hitze verändert, die Wirkung des Insulins stark beeinflussen kann. Auch die Menge des benötigten Insulins kann dadurch variieren, sodass Unter- oder Überzuckerungen leichter auftreten können. Auch muss Insulin sachgerecht gelagert werden, was im Urlaub oder unterwegs mitunter nicht einfach ist. Andernfalls droht ein Wirk-Verlust, was im schlimmsten Fall zu einer schweren Überzuckerung führen kann.

Viele Menschen mit Diabetes nehmen Medikamente als Tabletten ein. Einige davon können bei großer Hitze Probleme verursachen. Demnach ist hier mit den Diabetes-­Teams zu prüfen, ob ein Anpassen der Dosierung notwendig ist. Moderne Hilfsmittel, wie Glukose-­Sensoren oder Insulinpumpen, können bei Hitze Fehlfunktionen aufweisen. Auch ein Problem ist das vorzeitige Ablösen von Pflastern durch starkes Schwitzen.

Die AG DUK hat konkrete Handlungs-Empfehlungen für Menschen mit Diabetes und ihre Diabetes-Teams im Umgang mit Hitze erarbeitet. Forschungs-Aktivitäten, die die Versorgung und das Diabetes-Management verbessern, sollen unterstützt werden. Die AG DUK hat Empfehlungen zum allgemeinen Verhalten von Menschen mit Diabetes bei Hitze bereitgestellt (siehe Kasten am Ende des Beitrags).

Fallbeispiel: Werner M. spielt gern Tennis, auch bei Hitze

Bei Werner M., 50 Jahre alt, wurde vor Kurzem ein Diabetes mit einer beginnenden Nervenschädigung (Polyneuropathie) diagnostiziert. Eine Insulintherapie war direkt notwendig. Zudem nimmt er Tabletten gegen Bluthochdruck und ein Medikament zum Entwässern ein. Der leidenschaftliche Tennisspieler erfährt in den Nachrichten von einer nahenden Hitzewelle mit Außentemperaturen bis zu 35 °C.

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Er fragt daraufhin bei seinem Diabetes-Team nach, was er beachten sollte. Seine Diabetologin rät ihm, möglichst in den frühen Morgen- oder späten Abendstunden Sport zu treiben und ausreichend zu trinken.

Sie empfiehlt vor allem Mineralwasser, ungesüßte Kräuter- und Früchtetees sowie Schorlen aus Fruchtsaft und Wasser als Durstlöscher. Eine Trinkmenge von etwa 1½ Liter pro Tag ist für die meisten Erwachsenen eine gute Faustregel, jedoch kann der Bedarf bei Hitze und starkem Schwitzen deutlich steigen. Als Orientierung kann die Farbe des Urins dienen – ein dunkler Urin deutet auf einen Flüssigkeits-Mangel hin. Alkohol und Koffein sollten gemieden werden, da diese zu Wasserverlust führen können.

Werner M. sollte möglichst leichte, helle und locker sitzende Kleidung tragen und Sonnencreme auf der unbedeckten Haut anwenden. Seine Diabetologin bespricht zudem mit ihm, dass er keinesfalls barfuß laufen solle – besonders durch die Polyneuropathie besteht durch heiße Oberflächen eine große Gefahr, sich zu verletzen.

Besonders wichtig ist das häufigere Kontrollieren seiner Glukosewerte. Durch Hitze kann es, insbesondere bei körperlicher Aktivität, sowohl zu Glukosespitzen als auch zu Unterzuckerungen kommen. Hier sind mitunter Anpassungen der Insulindosis notwendig. Tückisch sind vor allem Unterzuckerungen, da ihre Symptome denen durch Hitze gleichen können – Schwitzen und Erschöpfung. Schnell wirksame Kohlenhydrate und/oder ein Glukagon-Nasenpulver, aber auch ein kleiner Snack sollten für den Fall einer Unterzuckerung mitgeführt werden.

Der Diabetesberater des Teams rät Werner M. zudem, das Insulin mit entsprechenden Hilfsmitteln zu kühlen und niemals im Auto oder in der direkten Sonne zu lagern, da Hitze die Wirksamkeit des Insulins reduzieren oder zerstören kann. Aber Achtung: Es darf auch nicht zu kalt gelagert werden und einfrieren! Werner M. und seine Dia­betologin entscheiden zudem, dass er die Dosis seines entwässernden Medikaments und seines Blutdrucksenkers leicht reduziert und regelmäßig seinen Blutdruck misst. So kann Werner M. seinen Aktivitäten trotz Hitze sicher und mit Freude nachgehen.

Müll, Müll, Müll

Viele moderne Hilfsmittel erleichtern den Alltag und das Diabetes-Management. Dazu gehören beispielsweise Insulinpens, Kanü­len, Glukose-Sensoren, Insulinpumpen und Stechhilfen. Die meisten davon sind Einmalprodukte, die im Restmüll landen. Diese Hilfsmittel werden in Deutschland bisher nicht systematisch recycelt. Dadurch entsteht viel Abfall und Ressourcen werden vernichtet – wertvolle Rohstoffe, Batterien und Technik-Bestandteile. Menschen mit Diabetes und Diabetes-Teams haben darauf kaum Einfluss. Die AG DUK möchte sich dafür einsetzen, diese Müll-Menge über z. B. mehrfach verwendbare Hilfsmittel und Recycling-Programme zu reduzieren.

Selbstverständlich soll das die Versorgung von Menschen mit Diabetes nicht beeinträchtigen. Im Gegenteil: Eine kürzlich veröffentlichte Umfrage unter 80 Menschen mit Diabetes und Insulintherapie in einer Schwerpunktpraxis in Wetzlar ergab, dass eine deutliche Mehrheit der Befragten sich eine Reduktion des Mülls, Recycling durch die Hersteller und Hilfsmittel zum mehrfachen bzw. längeren Gebrauch sowie Sammelstellen zum Abgeben ihres „Diabetes-Abfalls“ wünscht. So stellt die AG DUK Informationsblätter für Patientinnen und Patienten zum Entsorgen von Insulinpens, Insulinpumpen-Zubehör und Glukose-Sensoren zur Verfügung.

Bestmögliche Versorgung von Menschen mit ­Diabetes sicherstellen

Die AG DUK wird sich gezielt mit der Frage beschäftigen, wie im Bereich der Diabetologie alle Aspekte des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit unterstützt und Ressourcen-bewusstes Handeln umgesetzt werden kann. Dabei möchte die Arbeitsgemeinschaft alle Akteure einbinden und verschiedene Perspektiven berücksichtigen. Durch die Vernetzung mit internationalen Initiativen wie „Green Dia­betes“ und anderen Fach-Organisationen geht es darum, Erfahrungen auszutauschen, um eine bestmögliche Versorgung von Menschen mit Diabetes und Unterstützung bei ihrem Diabetes-Management sicherzustellen – jetzt und zukünftig.

Wichtige Links und Empfehlungen

Die im Text genannten Handzettel stehen auf der Website der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) zum Download bereit:


von Dr. Sebastian Petry

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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2024; 72 (9) Seite 34-37

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  • cesta postete ein Update vor 1 Tag, 12 Stunden

    Hallo zusammen, ich habe eine Frage an euch. Ich habe seit 4 Jahren Typ 1 LADA und bisher nur mit Basalinsulin ausgekommen. Seit 3 Wochen muss ich nun auch zu jeder Mahlzeit Humalog spritzen. Für die Berechnung wiege ich immer alles ab. Könnt ihr eine App empfehlen, die bei der Berechnung der Kohlenhydrate unterstützt? Oder habt ihr andere Tipps wie man sich daran gewöhnt? Ich wiege bisher alles ab und kann mir gar nicht vorstellen, dass ich mir das zukünftig merken kann bzw. wie ich die Kohlenhydrate schätzen kann. Vielen lieben Dank für eure Hilfe! Liebe Grüße, Christa

  • hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

    • sveastine antwortete vor 2 Tagen

      @mayhe: Hallo Heike, oh da hast du aber auch viel geschafft. Ja ich habe die Kinder mit Diabetes bekommen und meine Kinder sind 26,25,23 und bald 19 🥰….und wie du hoffe bald wieder fit zu sein. Beruflich wechsle ich jetzt vom Kinderhospiz wieder in die Krippe da es dort vorausschaubarer ist als im Schichtdienst. In der Hoffnung der Diabetes lässt sich dort wieder besser einstellen. Eigentlich sollte ich auch die Ernährung wieder umstellen, das weiß ich aber es fällt mir so schwer. Wie ist das da bei dir. Was machen deine Werte ? Viele Grüße Astrid

    • @sveastine: Hallo liebe Astrid, sag mal kann es sein, daß du in den Wechseljahren bist? Ich habe meine schon hinter mir, aber das war zuckertechnisch eine der schwierigsten Zeiten, weil ständig alles durcheinander war. Damals war ich allein 2 x in der Diabetes Klinik Bad Mergentheim zum Anpassen innerhalb von 3-4 Jahren. Die Hormonwirkungen waren der Wahnsinn. Jetzt ist es wieder deutlich ruhiger. Was hast du eigentlich für eine Versorgung? Pen? Pumpe? Insulin? Sensor?
      Ich habe die Tandem tslim mit Sensor und Novorapid. Und das ist für mich der game changer gewesen. Seitdem werden die zuckertechnischen Anstrengungen auch mit guten Werten belohnt. Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hi, ja ich bin in den Wechsel Jahren schon eine ganze Weile und nehme Hormone. Das ist denke ich ist der Hauptgrund der Schwankungen, aber das geht schon seit ca 3 Jahren so, was doof ist. Ich hab das gleiche System wie du tslim und Dexcom, trotzdem schwierig.aber für Bad Mergentheim lt. Diabetologe zu gut um die Genehmigung dafür zu bekommen 🤷🏻‍♀️

    • @sveastine: Das ist ja witzig, das du dieselbe Versorgung hast. Also bist du da optimal versorgt. Jetzt verstehe ich deinen Frust. Nach den Behandlungen in Bad Mergentheim war es wenigstens eine Weile besser. Warst du schon mal in Reha wegen dem Zucker? Ist zwar nicht Bad Mergentheim, aber manche Rehakliniken machen das wohl echt gut. Du musst “nur” darauf achten, dass sie ein spezielles Angebot für Typ1er haben. Ich war 2019 in der Mediclin Klinik Stauffenberg, Durlach. Das war okay. Am wichtigsten fand ich den Austausch mit den Mitpatienten. Aber natürlich ist der Aufwand für dich bei 4 Kindern für 3 Wochen, sehr hoch. Und eine Garantie dafür das dann länger besser läuft gibt es nicht. Ich fand es aber immer wichtig, den zuckertechnischen Input und die Solidarität zu erfahren. Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Nicht Durlach, sondern Durbach.

  • Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂

    Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/

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