Klinikbesuch: Wenn Angst ein schlechter Ratgeber ist…

2 Minuten

Klinikbesuch: Wenn Angst ein schlechter Ratgeber ist…

Viele Menschen wägen derzeit ab: Ist es gefährlicher, mit einem schlecht eingestellten Diabetes zu leben – oder ist es gefährlicher, sich im Krankenhaus behandeln zu lassen? Diabetes-Journal-Chefredakteur Prof. Thomas Haak hat eindeutige Empfehlungen für Sie.

Angst ist eines der unangenehmen Gefühle – obwohl sie ganz natürlich ist und uns Menschen davor schützt, unbedacht Risiken einzugehen. Damit ist Angst eigentlich etwas Gutes. Im Gegensatz dazu ist grundlose Angst ein Zustand, der die Lebensqualität sehr negativ beeinträchtigen kann. Angst gilt sogar als ernst zu nehmende Erkrankung, die behandelt werden muss, wenn sie über einen längeren Zeitraum bestehen bleibt.

Derzeit macht uns die Corona-Pandemie viel Angst. Wir leben mit dem Virus namens SARS-CoV-2 seit gut einem Jahr. Viele von uns haben zu Anfang das Risiko einer „Corona-Infektion“ bagatellisiert. Doch die Pandemie hat uns gelehrt, dass sie bei den einen harmlos verläuft, bei vielen anderen aber gefährlich werden kann. Wer nun selbst erkrankt, der möchte natürlich gern zu denen gehören, bei denen die Krankheit harmlos verläuft – und danach durch die erworbene Immunität geschützt sein.

Doch was passiert, wenn man erkrankt und zu der Gruppe gehört, bei denen die Erkrankung schwer verläuft? Das weiß man eben nicht, und das macht uns Angst, die nicht wegzudiskutieren ist.

Irrationale Angst kann sehr gefährlich werden

Für viele bedeutet diese Angst, dass man nun alles vermeidet, was das Ansteckungsrisiko erhöht. Manche bleiben nur noch im Haus – oder sitzen allein im eigenen Pkw mit einer Schutzmaske: Angst kann auch irrational sein. Irrationale Angst kann sehr gefährlich werden. Wir sehen das in unseren Krankenhäusern: Viele Menschen nehmen Behandlungen derzeit einfach nicht wahr, weil sie Angst haben, sich im Krankenhaus zu infizieren. Planbare Operationen werden abgesagt, verschoben. Das mag bei einer Kniegelenk-OP problemlos möglich sein (dann muss man eben noch Monate mit Schmerztabletten weiterlaufen).

Lebensgefährlich wird es aber, wenn man aus Angst vor einer Infektion auch bei womöglich schwerwiegenden Erkrankungen die Klinik meidet: So erleben viele Hausärzte, dass Patienten einen Herzinfarkt erlitten haben und nicht in die Klinik gegangen sind.

Auch viele Menschen mit Diabetes meiden derzeit den Besuch beim Diabetologen oder eine notwendige Krankenhausbehandlung. Wir sehen das bei uns im Diabetes Zentrum Mergentheim so oft wie nie zuvor. Dabei erleben wir auch, wie uns Menschen mit einer sehr schlechten Blutzuckereinstellung und mit Folgeschäden meiden – eben aus Angst vor einer Corona-Infektion. Hier heißt es abwägen: Ist es gefährlicher, mit meinem schlecht eingestellten Diabetes zu leben – oder ist es gefährlicher, mich im Krankenhaus behandeln zu lassen?

Angst überwinden, um die Gesundheit zu schützen

Mein Blickwinkel: Ein schlecht eingestellter Diabetes, eine gefährliche Folgeerkrankung erhöhen das Risiko für einen ungünstigen Ausgang einer Corona-Infektion immens. Das Risiko, sich bei einem guten Hygienekonzept in einer Klinik zu infizieren, ist hingegen klein. Ich empfehle allen Menschen, die eine ärztliche Behandlung z. B. in einem Krankenhaus dringend benötigen:

Schauen Sie sich das Hygienekonzept der Klinik gut an – bei uns werden z. B. am Aufnahmetag Corona-Abstriche durchgeführt. Und die angereisten Patienten gehen für einen Tag bis zum Vorliegen des negativen Test-Ergebnisses in Quarantäne. Abstandsregeln und Mund-Nase-Schutz sowie FFP2-Masken bei den Behandlern sind selbstverständlich. Dort, wo man sich gegenübersitzt, z. B. beim Essen, trennen Plexiglaswände.

So gesehen rate ich jedem, der einer Behandlung bedarf, sich nicht aus Angst vor einer Infektion zu verkriechen und so seine Gesundheit zu riskieren. Das Risiko, sich außerhalb einer Klinik zu infizieren, ist viel höher als bei den strengen Hygienerichtlinien in den meisten Arztpraxen und Kliniken. Überwinden Sie die Angst, und riskieren Sie nicht Ihre Gesundheit.


von Prof. Dr. med. Thomas Haak

Avatar von thomas-haak

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2021; 70 (2) Seite 36

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Ähnliche Beiträge

Apps als digitale Helfer: Diabetes managen mit DiGA-Unterstützung

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) helfen Menschen mit Diabetes beim Selbstmanagement – von Ernährungs- und Bewegungs-Coaching bis zur psychologischen Unterstützung. Anhand von vier Apps zeigen wir, wie digitale Helfer Alltag und Therapie erleichtern können.
Apps als digitale Helfer: Diabetes managen mit DiGA-Unterstützung | Foto: Studio Romantic – stock.adobe.com

3 Minuten

Huda El Haj Said im Interview: Medizin und Sprache verbinden

Durch ihren Typ-1-Diabetes hat Huda El Haj Said ihre Faszination für die Medizin entdeckt. Doch erst das Schreiben über ihre Erkrankung hat ihr geholfen, diese zu akzeptieren. Sprache und Medizin sind für sie miteinander verbunden, wie sie im Interview erklärt.
Huda El Haj Said im Interview: Medizin und Sprache verbinden | Foto: Jennifer Sanchez / MedTriX

12 Minuten

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Über uns

Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Anzeige

Recor Medical

Das Verfahren der renalen Denervierung kann helfen, den Blutdruck effektiv zu senken.

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen