Lipohypertrophien: Wie erkennt man Stellen, an denen das Insulin nicht wirkt?

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Lipohypertrophien: Wie erkennt man Stellen, an denen das Insulin nicht wirkt?

Lipohypertrophien sind geschwulstartige Vermehrungen von Binde- und Fettgewebe, die rund um Injektionsstellen entstehen können. Das sieht nicht nur unschön aus, sondern verschlechtert auch die Insulinwirkung. Beim DDG-Kongress in Hamburg berichtete ein Diadoc von einem Feldversuch in seiner Praxis, der diese Fettknubbel mit einer Wärmebildkamera sichtbar machte.

Die Forderung des Diabetologen: dem Patienten mal auf den Bauch schauen

Dieser experimentierfreudige Diabetologe heißt Dr. Matthias Kaltheuner und arbeitet in Leverkusen. Er hält Lipohypertrophien für ein vernachlässigtes Problem in der Diabetologie: „Leider scheuen sich viele Diabetologen, bei ihren Patienten mal den Bauch anzuschauen.“ Dabei sollten sie dort unbedingt genauer hinsehen, „schließlich erlebt der Bauch im Laufe eines Diabetikerlebens enorm viele Injektionen pro Quadratzentimeter Haut.“ Jede einzelne Injektion aber sei eine kleine Hautverletzung, die in der Summe dann zu Lipohypertrophien führen kann. Dr. Kaltheuner rechnete vor: „Gehen wir mal von 40 Jahren Diabetesdauer mit vier Injektionen an 365 Tagen im Jahr aus: Das macht insgesamt also 58.400 subkutane Injektionen – bei längerer Diabetesdauer und häufigeren Injektionen auch entsprechend mehr.“ Die Botschaft an seine Kolleginnen und Kollegen war daher eindeutig: „Kümmern Sie sich mehr um dieses Problem!“

Stellt euch Ringe wie Tarifzonen rund um euren Bauchnabel vor

Aber auch wir Patienten sind nicht ganz unschuldig an der Misere. Hand aufs Herz: Wer von euch achtet wirklich bei jeder Injektion mit dem Insulinpen darauf, reihum die Spritzstelle zu wechseln? In meiner Schulung hatte ich ein Spritzschema gesehen, das ein wenig einer Zielscheibe ähnelte: In der Mitte der Nabel (in den man natürlich niemals spritzen sollte!) und um ihn herum Ringe wie die Tarifzonen in einem U-Bahn-Plan. Die Diabetesberaterin riet uns also, um bei diesem Bild zu bleiben, immer schön reihum einen Ring abzuarbeiten und dann in die nächste „Tarifzone“ zu wechseln.

Es gibt auch andere Schemazeichnungen: etwa Zickzackkurse von der linken hinüber zur rechten Bauchseite. Oder die Aufteilung des Bauchs wie ein Tortendiagramm (wieder mit dem Nabel als Mittelpunkt), wobei man mit den Injektionsstellen jeden Tag ein Tortenstück weiterwandern sollte. Dr. Kaltheuner schwört auf das Schema einer Schreibmaschinentastatur: Erst nach und nach die obere Bauchreihe durchspritzen, dann ein Stückchen tiefer eine neue Reihe beginnen.

Einfach das T-Shirt lüpfen und knapp über dem Hosenbund spritzen

Ich kann natürlich nur für mich sprechen, aber ich habe noch nie eines dieser Spritzdiagramme angewendet. Nicht weil ich so furchtbar beratungsresistent wäre. Sondern weil ich mir bei einem so alltäglichen und häufigen Handgriff wie der Insulininjektion schlicht nicht merken kann, in welcher Gegend meines Bauchs ich zuletzt gespritzt habe.

Hinzu kommt, dass ich unterwegs froh bin, wenn ich für eine Insulininjektion einfach nur das T-Shirt lüpfen kann, um dann irgendwo knapp über dem Hosenbund den Pen in die Haut zu rammen, ohne dass mein gesamtes Umfeld innehält und mich anstarrt. Da komme ich gar nicht auf die Idee, erst eine (echte oder fiktive) Schablone anzulegen, damit ich nicht immer in derselben Gegend spritze.

In den Fettknubbeln wirkt das Insulin manchmal erst nach etlichen Stunden

Allerdings zeigte mir der Vortrag von Dr. Kaltheuner, dass man Lipohypertrophien nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. Es ist mittlerweile wissenschaftlich erwiesen, dass sie die Aufnahme und Wirkung von Insulin erheblich beeinflussen können. „Das ist besonders mit Blick auf den zunehmenden Einsatz von Insulinpumpen und CGM-Systemen, in naher Zukunft auch von Closed-Loop-Systemen, relevant“, erklärte Dr. Kaltheuner.

Denn natürlich betreffen die Fettknubbel nicht nur Diabetiker, die mit dem Insulinpen spritzen, sondern auch Insulinpumpenträger mit ihren Lieblingsstellen für Katheter. „Jeder von uns kennt Patienten, bei denen Insulin mal wirkt und mal wieder nicht – oder erst um viele Stunden verzögert, wenn sie längst zum Teil mehrfach einen Korrekturbolus abgegeben und sich damit in eine Hypoglykämie katapultiert haben“, sagte Dr. Kaltheuner. Und wer von uns auf Facebook in Diabetesgruppen unterwegs ist, der kennt diese Geschichten natürlich auch.

Kann man Lipohypertrophien mit einer Wärmebildkamera erkennen?

Doch wie kann man erkennen, welche Stellen man beim Spritzen oder Kathetersetzen besser aussparen sollte, weil sich dort eine Lipohypertrophie gebildet hat? Der Doktorand Lars Kaltheuner hat im Rahmen seiner Dissertation untersucht, ob man Lipohypertrophien möglicherweise auch mit einer Wärmebildkamera ausmachen kann. Denn Fettgewebe ist weniger stark durchblutet und hat daher eine niedrigere Temperatur. Dafür untersuchte Kaltheuner junior in einem experimentellen Feldversuch die Haut verschiedener Menschen mit insulinpflichtigem Diabetes und ohne. Er ließ ihre Haut nach dem Entkleiden des Bauchs für 20 Minuten auskühlen und fertigte dann Aufnahmen mit einer hochwertigen Wärmebildkamera an.

Möglicherweise reicht auch eine einfachere Kamera oder sogar eine App

Dr. Kaltheuner betonte, dass ein Zusammenhang zwischen Hauttemperatur und Insulinwirkung bislang nicht wissenschaftlich belegt ist. Doch es zeigte sich, dass die Hauttemperatur an häufig genutzten Katheterstellen um bis zu 6 Grad Celsius niedriger lag als an anderen Arealen. Dies waren denn auch Stellen, an denen die Patienten über schlechte Insulinwirkung berichtet hatten.

Allerdings war die Hauttemperatur auch bei Menschen ohne Diabetes und entsprechend ohne Injektionsstellen nicht über den gesamten Bauch hinweg homogen. Dennoch fand Dr. Kaltheuner: „Dieses Phänomen sollte näher untersucht werden.“ Möglicherweise reichen für die zu messenden Unterschiede in der Hauttemperatur auch kostengünstigere Wärmebildkameras – und für den Hausgebrauch vielleicht sogar Smartphone-Apps. Vielleicht inspiriert ja dieser Bericht jemanden, die Feldforschung mit einer App fortzusetzen und von seinen Erfahrungen zu berichten.

Dieser Patient gibt an, dass am linken Unterbauch seine Pumpe nicht immer funktioniert. Zum Vergleich dazu ein Bild mit der Wärmebildkamera, das deutlich niedrigere Hauttemperaturen in den betreffenden Arealen zeigt. (Was noch auffällt: Der Katheter liegt sehr am Bauchnabel. Empfohlen wird ein Abstand von mindestens drei Zentimetern.)  

 

Für alle anderen gibt es hier noch ein paar Tipps, wie man auch ohne die Hilfe einer Wärmebildkamera Lipohypertrophien vermeiden kann:

  • Wie oben bereits erwähnt: Spritz- und Katheterstellen immer wechseln, damit die Haut sich von den Verletzungen durch die Injektion erholen kann. Es ist kein gutes Zeichen, wenn du eine absolute Lieblingsstelle hast…
  • Immer eine frische Kanüle für den Insulinpen verwenden. Mit jedem Gebrauch stumpft die Penkanüle ab und lässt die Haut bei der Injektion ein bisschen mehr leiden.
  • Bei der Injektion möglichst nicht herumwackeln, sondern die Kanüle ruhig ins Unterhautfettgewebe gleiten lassen – auch eine ruhige Hand schont die Haut.
  • Kurze Penkanülen verwenden, die zum einen die Haut weniger stark verletzen und zum anderen auch keine Hautfalte für die Injektion erfordern. Im Normalfall reichen Kanülen mit einer Länge von 4mm aus, auch bei korpulenteren Menschen.
  • Wer aus früheren Schulungen noch verinnerlicht hat, dass man immer mit der Hand eine Hautfalte bilden sollte, der greift fast nur zum Unterbauch, wo sich leichter eine solche Falte fassen lässt. Damit wird die Haut am Unterbauch stärker beansprucht und neigt eher zu Lipohypertrophien. Also: einfach auf die Hautfalte verzichten, meint Dr. Kaltheuner.

Auch Katharina hat mit Lipohypertrophien zu tun – schaut mal nach ihren Hä-Momenten. Und auch in ihrem Artikel über ihr Diabetes-Jubiläum geht sie auf Knubbel an ihrem Bauch ein.

 

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