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Wie läuft eine Organspende ab? Welche Organe können gespendet werden – und kann man dafür auch zu alt sein? Mit dem Thema Organspende sind viele Fragen, aber auch einige Ängste verbunden: Wird im Notfall wirklich alles getan, damit ich überlebe, auch wenn ich einen Organspendeausweis besitze? Bin ich automatisch Organspender, wenn ich auf der Intensivstation liege? Gut zu wissen: Die Organspende in Deutschland ist gesetzlich geregelt und mehrere Instanzen kontrollieren das Einhalten des Transplantationsgesetzes.
Die Geschichte der Transplantationsmedizin kann zu Recht als Erfolgsgeschichte bezeichnet werden, denn das Verpflanzen von Organen rettet das Leben von schwer kranken Menschen. Allein in Deutschland wurden in den letzten 60 Jahren mehr als 146 000 Organe transplantiert. Diese Option kommt immer dann für einen Menschen infrage, wenn ein lebensnotwendiges Organ seine Funktion im Körper nicht mehr aufrechterhalten kann und aus medizinischen Gründen eine Transplantation erforderlich ist. In Deutschland werden Herz, Lunge, Leber, Bauchspeicheldrüse, Niere und Darm transplantiert. Derzeit stehen rund 8500 schwer kranke Menschen auf der Warteliste für eine solche Transplantation.
Zwei Bedingungen müssen für die Entnahme von Organen nach Eintreten des Todes erfüllt sein: Zum einen muss der Tod des Menschen durch Nachweis des irreversiblen (unumkehrbaren) Ausfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms zweifelsfrei feststehen – der Hirntod muss also eingetreten sein – und zum anderen muss eine Einwilligung zur Organspende vorliegen.
Für das Feststellen des Todes führen zwei entsprechend qualifizierte Ärztinnen oder Ärzte unabhängig voneinander mehrere Untersuchungen durch, um den unumkehrbaren Ausfall der gesamten Hirnfunktionen festzustellen. Diese Ärztinnen und Ärzte dürfen nicht an der Entnahme oder dem späteren Übertragen der Organe des Organspenders beteiligt sein und sie dürfen nicht der Weisung eines beteiligten Arztes unterstehen. Bestätigen beide unabhängig voneinander den unumkehrbaren Ausfall der gesamten Hirnfunktionen des Patienten, ist damit aus medizinischer und juristischer Sicht der Tod festgestellt.
Bei diesen Verstorbenen werden die Atmung und das Herz-Kreislauf-System allein durch technische Geräte und Medikamente weiterhin künstlich aufrechterhalten.Dies ist notwendig, damit die Organe bis zur Entnahme-Operation funktionsfähig bleiben.
Die Zustimmung zur Organspende kann eine schriftliche Einverständnis-Erklärung der Spenderin bzw. des Spenders sein (z. B. mit einem Organspendeausweis oder einer Patientenverfügung) oder sie kann durch eine Person erfolgen, der die Entscheidung übertragen wurde. Andernfalls werden die Angehörigen um eine Entscheidung nach dem mündlichen oder dem mutmaßlichen Willen des oder der Verstorbenen gebeten. Ist der Wille nicht bekannt, treffen die Angehörigen nach ihren eigenen Wertvorstellungen eine Entscheidung.
Sind beide Voraussetzungen erfüllt, werden alle notwendigen medizinischen Untersuchungen beim Verstorbenen veranlasst, um den Spender und die Organe zu charakterisieren. Dazu gehört z. B. das Bestimmen von Blutgruppe und Gewebemerkmalen. Zudem sollen so mögliche Erkrankungen wie Krebserkrankungen oder Infektionen bei den Spenderinnen und Spendern erkannt werden, die die Empfängerinnen bzw. Empfänger gefährden könnten.
Alle Ergebnisse dieser Untersuchungen werden an die Stiftung Eurotransplant, die Vermittlungsstelle im holländischen Leiden, übermittelt. Die Stiftung ist für die Vergabe der Organe im gesamten Eurotransplant-Verbund, zu dem neben Deutschland und den Niederlanden noch Belgien, Kroatien, Luxemburg, Österreich, Ungarn und Slowenien gehören, verantwortlich. Ein spezielles Computerprogramm gleicht die Daten der Spenderin bzw. des Spenders mit denen der Patientinnen und Patienten auf den Wartelisten ab und ermittelt die passenden Empfängerinnen und Empfänger. Die Vergabe der Spenderorgane richtet sich nach medizinischen Kriterien, die die Bundesärztekammer für Deutschland in ihren Richtlinien festgelegt hat. Dabei spielen Aspekte wie Dringlichkeit, Gewebeübereinstimmung und Erfolgsaussicht eine wichtige Rolle.
Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) organisiert die Entnahme der Organe und den anschließenden Transport der entnommenen Organe. Die Entnahme selbst erfolgt unter den gleichen Bedingungen wie denen bei jeder anderen Operation in angemessener und respektvoller Atmosphäre durch erfahrene Chirurginnen und Chirurgen. Nach der Operation wird der Körper des Verstorbenen sorgfältig und würdevoll für den Abschied vorbereitet. Die Angehörigen können sich nach der Entnahme in gewünschter Weise von ihrem verstorbenen Familienmitglied verabschieden. Der anschließende Transport der entnommenen Organe zu den Empfängerinnen und Empfängern in den Transplantationszentren muss schnell, äußerst sorgfältig und medizinisch einwandfrei geschehen. Die Funktion des Transplantats und damit das Überleben des Organempfängers hängen unmittelbar davon ab. Einige Organe lassen sich nur für kurze Zeit konservieren, ein Herz beispielsweise nur für 4 Stunden. Bei einer Niere können über 20 Stunden von der Entnahme bis zur Transplantation vergehen. Für den Transport werden die Organe in speziellen Transportkisten in einer konservierenden Lösung und auf Eis gelagert.
In Deutschland gilt die Entscheidungslösung, d. h. Organe dürfen nach dem Tod nur mit Einwilligung der Verstorbenen zu Lebzeiten oder mit Zustimmung der Angehörigen nach dem Tod entnommen werden. Minderjährige können ab dem Alter von 16 Jahren ihre Bereitschaft zur Organspende erklären, ein Widerspruch ist bereits ab dem Alter von 14 Jahren möglich. Dokumentiert werden kann die Entscheidung für oder gegen eine Organspende auf einem Organspendeausweis oder in einer Patientenverfügung. Ab 2024 soll zudem ein Online-Register dafür zur Verfügung stehen.
Entscheidend hierbei ist: Auch mit einem Organspendeausweis im Portemonnaie ist im Fall z. B. eines schweren Unfalls oder einer Erkrankung das oberste Ziel aller medizinischen Maßnahmen, das Leben der Patientin bzw. des Patienten zu retten. Notärzte, Rettungsteams und Intensivmediziner, die sich darum bemühen, haben nichts mit der Entnahme der Organe und der Transplantation zu tun. Manchmal kann jedoch die Patientin oder der Patient trotz aller Bemühungen nicht mehr gerettet werden, Krankheit oder Unfallfolgen sind zu weit fortgeschritten. Mitunter tritt der Tod dabei durch den unumkehrbaren Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms ein. Kreislauf und Atmung können in diesem Fall auf der Intensivstation nur noch künstlich durch Beatmung und Medikamente für eine begrenzte Zeit aufrechterhalten werden. Nur bei dieser kleinen Gruppe von Verstorbenen stellt sich die Frage einer Organspende.
Möchte man sich zu Lebzeiten zur Organspende bereit erklären, ist es nicht notwendig, sich ärztlich dafür untersuchen zu lassen. Bekannte Erkrankungen können jedoch auf dem Organspendeausweis vermerkt werden. Die medizinische Eignung der Organe für eine Transplantation wird in jedem Fall sorgfältig geprüft, nachdem der Tod festgestellt wurde. Daher gibt es auch keine feststehende Altersgrenze, denn entscheidend ist der Zustand der Organe und nicht das Lebensalter. Die bisher älteste Organspenderin Deutschlands war 98 Jahre alt und ihre Leber konnte erfolgreich transplantiert werden.
Ausgeschlossen wird eine Entnahme von Organen in der Regel, wenn Vorerkrankungen wie eine akute bösartige Krebserkrankung oder eine nicht behandelbare Infektion vorliegen. Bei allen anderen Erkrankungen entscheiden die Ärztinnen und Ärzte nach den vorliegenden Befunden, ob Organe für eine Entnahme infrage kommen. Entsprechend können Menschen mit Diabetes als Spender geeignet sein, solange ihre Organe durch die Erkrankung nicht geschädigt sind. Davon ausgenommen ist bei Vorliegen eines Typ-1-Diabetes die Bauchspeicheldrüse, da sie ihre wichtige Aufgabe innerhalb des menschlichen Stoffwechsels nicht mehr übernehmen kann.
Eine fehlende Einwilligung zur Organspende war im Jahr 2022 der häufigste Grund, warum mögliche Spenden nicht erfolgt sind. Dabei waren es nicht die Ablehnungen durch die Verstorbenen selbst, sondern es war die fehlende Zustimmung durch die Angehörigen, wenn der Wille des Verstorbenen nicht bekannt war.
Dies zeigt, wie wichtig es ist, zu Lebzeiten eine eigene Entscheidung zu treffen und diese zu dokumentieren. Wer dies nicht tut, verzichtet auf einen Teil der Selbstbestimmung und riskiert, dass eine gewünschte Organspende aufgrund der Unsicherheit der Angehörigen nicht umgesetzt wird. Er belastet zudem auch die Menschen, die ihm nahestanden. Denn sie müssen sich in solch einer Ausnahmesituation der Trauer dann auch damit befassen, ob sie einer Organspende zustimmen. Ist der Wille der Verstorbenen dagegen bekannt und dokumentiert, können sich Angehörige und das Personal in den Krankenhäusern daran orientieren und diesem Willen folgen.
Informationen zur Organspende:
BZgA – Informationen zur Organ- und Gewebespende und Möglichkeit, Ausweise zu bestellen: www.organspende-info.de
Deutsche Stiftung Organtransplantation: www.dso.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2023; 72 (6) Seite 14-17
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