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Viele Menschen verbringen heutzutage ein sehr unregelmäßiges Leben mit vielen Zeiten außer Haus – und mit sehr vielen Versuchungen, einfach zwischendurch einmal zu snacken, nach Keksen zu greifen oder Menüs zu ordern. Was gibt es dabei zu berücksichtigen, wenn man als Diabetiker eine Insulintherapie durchführt?
Im Alltag ergeben sich oft viele Fragen zur Insulintherapie. Nicht jeder Tag verläuft gleich, und wenige Menschen können heutzutage einen regelmäßigen Lebensrhythmus mit festen Essenszeiten einhalten. Gerade wenn man viel außer Haus ist, nimmt man hier und da einen Snack zu sich und muss diesen mit Insulin versorgen.
Was gibt es dabei alles zu berücksichtigen? Kann man nach Belieben auch einmal ein Stück Kuchen essen? Welche Werte dürfen wie korrigiert werden? Was muss man bei sehr ausgiebigen und fetthaltigen Mahlzeiten beachten?
Bei den kurzwirksamen Analoginsulinen wie Apidra, Humalog und NovoRapid ist in der Regel kein Spritz-Ess-Abstand nötig – man kann direkt nach der Insulininjektion mit dem Essen beginnen.
Die Insulinanaloga wirken schon nach wenigen Minuten. Die kurzwirksamen Normal- oder Humaninsuline wie Actrapid brauchen 20 bis 30 Minuten, bis sie ihre volle Wirkstärke erreicht haben. Aufgrund des verzögerten Wirkeintritts ist bei diesen Insulinen vor jeder Mahlzeit normalerweise ein Spritz-Ess-Abstand notwendig. Das bedeutet, dass zwischen der Injektion des Insulins und dem Beginn der Mahlzeit 20 bis 30 Minuten liegen sollten.
Es hat sich gezeigt, dass die Länge des Spritz-Ess-Abstandes abhängig ist vom aktuellen Blutzuckerwert und der gespritzten Insulinmenge. Je höher der Ausgangswert ist und je größer die Insulindosis, die gespritzt wird, desto länger sollte der Spritz-Ess-Abstand sein. In diesem Fall kann auch bei einem Analoginsulin ein Spritz-Ess-Abstand erforderlich sein. Bei einem Normalinsulin kann sich die Zeitdauer dann auf über 30 Minuten verlängern.
In einem Fall sollte jedoch beim Normalinsulin kein Spritz-Ess-Abstand erfolgen: Wenn der Blutzuckerwert vor der Mahlzeit deutlich unter dem Zielwert liegt, wird das Insulin erst direkt vor der Mahlzeit gespritzt. Beim Analoginsulin erfolgt die Insulininjektion in diesem Fall erst nach der Mahlzeit.
Weiß man vor dem Essen noch nicht genau, wie groß der Hunger ist und wie viele KE man essen möchte, so kann das Analoginsulin auch nach dem Essen gespritzt werden. Beim Normalinsulin ist dieses Vorgehen eher problematisch, da die Werte nach dem Essen (pp-Werte, postprandiale Werte), die 1,5 bis 2 Stunden nach dem Essen gemessen werden, dadurch zu stark steigen können. Deshalb sollte dieses Insulin besser immer vor dem Essen gespritzt werden. Möchte man später mehr essen, kann nachgespritzt werden.
Wie geht man vor, wenn man nach dem Essen seinen Blutzucker misst und dieser bei 200 mg/dl (11,1 mmol/l) oder darüber liegt: Korrigieren oder nicht korrigieren? So einfach kann die Frage nicht beantwortet werden, denn hier muss Verschiedenes berücksichtigt werden: Es ist physiologisch, also ganz natürlich, dass der Blutzuckerwert nach dem Essen ansteigt.
Bei einem stoffwechselgesunden Menschen tut er dies meist nur bis etwa 140 mg/dl (7,8 mmol/l). Bei Menschen mit Diabetes sagt man, dass ein Blutzucker von 160 bis 180 mg/dl (8,9 bis 10,0 mmol/l) 1,5 bis 2 Stunden nach dem Essen akzeptabel ist. Man möchte hierbei die Nierenschwelle nicht überschreiten – also den Wert, ab dem die Niere anfängt, Zucker mit dem Urin auszuscheiden.
Der Blutzuckeranstieg nach der Mahlzeit ist auch immer abhängig vom Ausgangswert, also dem Blutzucker vor dem Essen: Lag dieser zum Beispiel bei 170 mg/dl (9,4 mmol/l), darf der pp-Wert sogar bis 220 mg/dl (12,2 mmol/l) ansteigen. Ein Anstieg von 40 bis 60 mg/dl (2,2 bis 3,3 mmol/l) ist tragbar und auch physiologisch. Deshalb sollten diese Werte nach dem Essen zunächst nicht korrigiert werden.
Spritzt man ein Normalinsulin, das eine Wirkdauer von mindestens 4 bis 6 Stunden hat, so sollte man diese Zeit abwarten, bis man einen erhöhten Wert korrigiert. Spritzt man eine Korrektur, während das Insulin vom Essen noch wirksam ist, so wird der Blutzucker später zu tief absinken.
Bei einem Analoginsulin, dessen Wirkdauer kürzer ist bis etwa 4 Stunden, könnte man gegebenenfalls schon früher eine Korrektur vornehmen. Dies sollten Sie nur dann tun, wenn Ihr pp-Wert deutlich über 200 mg/dl (11,1 mmol/l) liegt und Sie sicher sind, sich bei der vorherigen Mahlzeit verschätzt oder verrechnet zu haben. Die Korrektur erfolgt dann nicht auf den “normalen” Zielwert, den man nüchtern haben sollte, sondern auf einen erhöhten pp-Wert, der in dieser Situation akzeptabel wäre.
Ein Beispiel: Haben Sie vor der Mahlzeit einen Blutzucker von 120 mg/dl (6,7 mmol/l), so dürfte Ihr pp-Wert 1,5 Stunden nach dem Essen bei 180 mg/dl (10,0 mmol/l) liegen. Sie messen aber einen Wert von 300 mg/dl (16,7 mmol/l).
Ihnen fällt auf, dass Sie beim Mittagessen in der Kantine mit dem Schätzen der KE falsch lagen; hier wäre eine Korrektur mit Ihrer Korrekturregel auf den pp-Wert von 180 mg/dl (10,0 mmol/l) absolut angemessen. Das falsche Einschätzen der Kohlenhydratmenge würde somit rasch wieder ausgeglichen und länger erhöhte Werte würden vermieden werden.
Ein weiteres Beispiel: Sie sind direkt nach dem Mittagessen bei Bekannten zum Kuchenessen eingeladen. Sie möchten ein Stück Bienenstich essen und schätzen das Kuchenstück auf 4 KE. Wie üblich messen Sie vorab Ihren Blutzucker und haben einen Wert von 170 mg/dl (9,4 mmol/l).
Da Sie vor einer Stunde zu Mittag gegessen und Insulin abgegeben haben, handelt es sich hierbei um den pp-Wert, den Sie nicht korrigieren. In diesem Falle spritzen Sie nur die Insulinmenge, die Sie entsprechend Ihrem Kuchenstück benötigen. Erst wenn die Wirkung Ihres Analoginsulins endet, können Sie bei Bedarf eine Korrektur auf Ihren Nüchternblutzucker vornehmen.
Wie schätzt man die KE-Menge richtig im Restaurant ein und wie passt man das Insulin an? Angerichtete Speisen sind oft schwer einzuschätzen, vor allem wenn die Kohlenhydratbeilage nicht getrennt serviert wird. Schulen Sie Ihr Auge dafür möglichst schon zu Hause – und üben Sie, verschiedene Beilagen abzuschätzen.
Hilfreich können hierbei verschiedene Haushaltsmaße sein: Geben Sie zum Beispiel Ihren Reis mit einem Eisportionierer auf den Teller, Ihre Haferflocken mit einem Esslöffel oder die Nudeln mit einer bestimmten Schöpfkelle. Haben Sie diese Menge einmal abgewogen, wissen Sie, wie vielen KE das entspricht und wie die entsprechende Portion aussieht. So fällt es Ihnen später leichter, die Kohlenhydratmenge in einem zubereiteten Gericht einzuschätzen.
Die Insulindosis von Analog- und Normalinsulinen sollte bei Restaurantbesuchen immer erst dann gespritzt werden, wenn das bestellte Essen auf dem Tisch steht: Nur so können Sie sehen, wie viel tatsächlich auf dem Teller ist und wie viel Insulin Sie dafür benötigen. Anderenfalls könnte es sein, dass Sie eine zu große Menge an Insulin abgeben oder Sie zu früh spritzen, weil Ihr Essen erst mit großer Verzögerung serviert wird.
Speisen, die sehr viel Fett oder auch Ballaststoffe enthalten, lassen den Blutzucker sehr langsam ansteigen. Der Körper braucht zur Verdauung und zur Abgabe der Kohlenhydrate ins Blut sehr viel länger als gewöhnlich. So kann es passieren, dass, wenn man das Insulin wie gewohnt vor dem Essen spritzt, der Blutzucker zunächst abfällt – und erst viel später, wenn die Wirkung des Insulins schon nachlässt, stark ansteigt.
Um diesen Blutzuckerverlauf zu vermeiden, kann es hilfreich sein, die Insulinmenge bei deftigen und fettigen Speisen zu splitten: bei Braten, Käsespätzle, Pizza, Fast Food oder bei ballaststoffreichen Gerichten wie Linseneintopf. Empfehlenswert ist die Aufteilung in zwei Hälften: die eine Hälfe direkt nach dem Essen; die zweite Hälfte nach etwa 1 Stunde.
Alternativ könnte man eine Hälfte vor und die andere nach dem Essen spritzen, falls Sie 1 Stunde danach nicht mehr an die zweite Injektion denken. Bei einem Normalinsulin kann die gesamte Dosis nach dem Essen gespritzt werden.
Auch bei einem Mehr-Gänge-Menü oder beim Brunchen ist es sinnvoll, die Insulinmenge aufzuteilen. Oft dauert so ein Essen Stunden, und die gegessenen Speisen können vorher kaum abgeschätzt werden.
Die Insulinabgabe teilt man entsprechend den Gängen; besteht die Vorspeise aus einem Salat oder einer Suppe (wenige Kohlenhydrate), kann diese mit dem Hauptgang gemeinsam abgedeckt werden. Der Nachtisch, der meist erst einige Zeit nach dem Hauptgang serviert wird, wird dann separat mit Insulin abgedeckt.
Beim Brunchen kann man jeden Teller, den man sich vom Büffet holt, abschätzen und mit Insulin abdecken; wem das zu häufig ist, der kann die gegessenen KE zusammenrechnen und jede Stunde das Insulin spritzen. So behält man den Überblick und vermeidet hohe Blutzuckerwerte.
von Joana Greiner
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2012; 61 (11) Seite 36-39
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