Positive Wirkung kalorienarmer Ernährung auf das Immunsystem?

3 Minuten

© tomertu - stock.adobe.com
Positive Wirkung kalorienarmer Ernährung auf das Immunsystem?

Eine kalorienreduzierte Ernährung kann nicht nur die Entstehung von Stoffwechselerkrankungen hinauszögern, sondern kann sich auch positiv auf das Immunsystem auswirken. Forschende konnten nach Angaben des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) zeigen, dass dieser Effekt über ein verändertes Darmmikrobiom [1] vermittelt wird, das die Verschlechterung des Immunsystems im Alter (Immunseneszenz) verlangsamt. Die entsprechende Studie ist in Microbiome erschienen.

Aktuell sind weltweit etwa 2 Mrd. Menschen übergewichtig. Adipositas erhöht das Risiko, an Bluthochdruck, Herzinfarkt oder Typ-2-Diabetes zu erkranken und kann Entzündungen im Körper verursachen, die das Immunsystem durch die Zunahme von bestimmten T- und B-Gedächtniszellen schwächen so das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD). Der Prozess wird dem DZD zufolge als Immunseneszenz bezeichnet, eine altersbedingte Veränderung des Immunsystems.

Bei adipösen Menschen könne sich die Entwicklung von Stoffwechselkrankheiten wie Typ-2-Diabetes durch eine Ernährung mit wenig Kalorien hinauszögern lassen. Zudem wirke sich eine solche Diät auch positiv auf das Immunsystem aus. Doch wie genau die positiven Effekte vermittelt werden und welche Rolle das Darmmikrobiom dabei spielt, sei bisher nicht bekannt. In einer aktuellen Studie haben Forschende jetzt die Wechselwirkungen zwischen kalorienreduzierter Ernährung, Mikrobiom, Stoffwechsel und dem Immunsystem untersucht.

© CMFI | Leon Kokkoliadis
Darm mit Firmicutes und Bacteroidetes Bakterien.

Kalorienreduzierte Diät verändert das Darmmikrobiom

Dafür analysierten sie zunächst, wie sich eine sehr kalorienarme Diät (800 kcal/Tag über 8 Wochen) auf das Darmmikrobiom einer fettleibigen Frau auswirkt. Im nächsten Schritt transplantierten die Forscherinnen und Forscher das Darmmikrobiom vor und nach der Diät in ein Modell, in dem keine Mikroorganismen vorhanden sind (gnotobiotisches Modell), heißt es in der Pressemeldung des DZD.

„So konnten wir die alleinigen Effekte des diätgeprägten Darmmikrobioms auf den Stoffwechsel und das Immunsystem ermitteln“, erläutert Reiner Jumpertz-von Schwartzenberg, Letzt-Autor der Studie und Wissenschaftler am Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz Munich an der Universität Tübingen, einem Partner des DZD. Er leitete gemeinsam mit Hans-Dieter Volk und Joachim Spranger von der Charité die Studie.

Diätgeprägtes Mikrobiom verbessert den Stoffwechsel und verzögert Immunseneszenz

Durch die Transplantation des diätgeprägten Mikrobioms verbesserte sich der Glukosestoffwechsel und die Fettablagerung wurde reduziert. Zudem konnte massenzytometrisch gezeigt werden, dass sich auch die Anzahl bestimmter T- und B-Gedächtniszellen reduzierte, so die Angaben des DZD. „Das weist auf eine verzögerte Immunseneszenz hin“, erläutert Julia Sbierski-Kind, Erstautorin der Studie.

„Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die positiven Auswirkungen einer kalorienarmen Ernährung auf den Stoffwechsel und das Immunsystem über das Darmmikrobiom vermittelt werden“, fasst Sbierski-Kind zusammen.

Wiederholung der Experimente zur Bestätigung der Ergebnisse

Die Autoren der Studie betonen jedoch, dass die Untersuchung bislang nur mit dem Mikrobiom eines Menschen durchgeführt wurde und dass die Experimente mit weiteren Probanden wiederholt werden müssen, um die Ergebnisse zu bestätigen. Die neuen Erkenntnisse könnten langfristig auch für die medizinische Praxis interessant sein.

„Ein verbessertes Verständnis des komplexen Zusammenspiels zwischen Ernährung, Mikrobiom und Immunsystem kann die Grundlagen für die Entwicklung neuartiger mikrobiombasierter, therapeutischer Optionen für die Behandlung von Stoffwechselkrankheiten und Immunkrankheiten legen“, betont Jumpertz-von Schwartzenberg.

Über die Studie:
Ziel der Studie war es, die Wechselwirkungen zwischen kalorienreduzierter Ernährung, Mikrobiom und dem Immunsystem zu ermitteln. Dazu wurde ein menschlicher Ernährungsinterventionsversuch mit gnotobiotischen Experimenten kombiniert, bei denen die Immunphänotypisierung mittels multidimensionaler Einzelzell-Massenzytometrie bestimmt wurde. An den Untersuchungen waren folgende Institute und Forschungseinrichtungen beteiligt:
  • Deutsches Zentrum für Diabetesforschung (DZD e. V.)
  • Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM) des Helmholtz Munich an der Universität Tübingen
  • Abteilung für Innere Medizin IV, Universitätsklinikum Tübingen
  • Exzellenzcluster EXC 2124 Controlling Microbes to Fight Infections (CMFI), Universität Tübingen
  • Institut für Medizinische Immunologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, korporatives Mitglied der Freien Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin, Berlin, Deutschland
  • Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel, Charité-Universitätsmedizin Berlin, korporatives Mitglied der Freien Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin
  • Berliner Institut für Gesundheit der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Flow & Mass Cytometry Core Facility, Berlin
[1] Darmmikrobiom
Als Darmmikrobiom wird die Gesamtheit aller Mikroorganismen und Darmbakterien in unserem Verdauungstrakt bezeichnet. Es beeinflusst u.a. das Immunsystem und den Stoffwechsel seines Wirts.

Originalpublikation:
Sbierski-Kind, J., … Spranger, J. , Jumpertz-von Schwartzenberg, R. et al.: Effects of caloric restriction on the gut microbiome are linked with immune senescence. Microbiome 10, 57 (2022). DOI: 10.1186/s40168-022-01249-4

Quelle: Deutsches Zentrum für Diabetesforschung | Redaktion

Ähnliche Beiträge

Diabetes-Anker-Podcast: Typ-1-Diabetes früher erkennen und sogar aufhalten – ist das möglich, Frau Prof. Ziegler?

Wie lässt sich Typ-1-Diabetes erkennen, schon bevor Symptome auftreten? Und was wird in der AVAnT1a-Studie untersucht – und mit welchem Ziel? Darüber sprechen wir im Diabetes-Anker-Podcast mit Prof. Dr. Anette-Gabriele Ziegler.
Diabetes-Anker-Podcast: Typ-1-Diabetes früher erkennen und sogar aufhalten – ist das möglich, Frau Prof. Ziegler?

3 Minuten

Kommt es am Ende doch auf die Größe an?

Insulinpumpen werden immer kleiner – ein Fortschritt für viele, doch für manche Menschen mit Diabetes ein Problem. Community-Autor Daniel legt dar, warum Pumpengröße und Insulinmenge aus seiner Sicht entscheidend für individuelle Bedürfnisse bleiben.
Kommt es am Ende doch auf die Größe an? | Foto: privat

5 Minuten

Community-Beitrag

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Werde Teil unserer Community

Community-Frage

Mit wem redest du über deinen Diabetes?

Die Antworten auf die Community-Frage werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Bitte achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Push-Benachrichtigungen

notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert
notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert