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Obwohl wir etwa ein Drittel unseres Lebens verschlafen, achten wir meist zu wenig darauf, dass unser Schlaf gut ist und nicht gestört wird. Ärzte fragen oft nicht nach der Qualität der Nachtruhe. Deshalb wollen wir Sie mit diesem Artikel zu Ihren eigenen “Schlaf-Experten” machen. Wir stellen Ihnen Krankheitsbilder vor, die typischerweise bei Diabetikern auftreten und überzufällig häufig mit Schlafproblemen einhergehen. Wenn Sie unter Schlafstörungen leiden, können Sie mit einem einfachen “Schnell-Check” Hinweise bekommen, welche Erkrankung die Ursache sein kann.
Die Zeit in unserem Leben, die wir mit Schlafen verbringen, ist keine verlorene Zeit – der Körper braucht sie, um sich zu regenerieren. Deshalb ist ungestörter Schlaf wichtig, so dass man sich beim Erwachen erholt und entspannt fühlt. Das gilt besonders für chronisch kranke Menschen, denn bei ihnen sind die Energiereserven deutlich begrenzt.
Wer schläft, durchläuft in der Regel verschiedene Stadien: Einschlaf-, Leichtschlaf-, Tiefschlafstadium und REM-Schlaf. Die REM-Schlafphasen sind die Zeiten, in denen man träumt, wobei schnelle Bewegungen der Augen (engl. rapid eye movements, REM) typisch sind. Die Schlafstadien müssen einem gewissen Rhythmus folgen, um einen erholsamen Schlaf zu garantieren.
Jeder Mensch hat eine eigene innere Uhr, die nach seinem Biorhythmus läuft und die auch abhängig von der Kultur bzw. von sozialen und gesellschaftlichen Faktoren ist. Wer nicht gut schläft, klagt häufig über Tagesmüdigkeit. Meist kommen Kopfschmerzen, Gereiztheit, Verstimmtheit und allgemeines Unwohlsein hinzu. Welche Erkrankungen treten nun häufiger bei Diabetikern auf?
Schnell-Check: Welche Unterzuckerungssymptome sind typisch? | ||
Erkrankung | Symptome | |
obstruktives Schlafapnoe-Syndrom |
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Depression |
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Hypoglykämien |
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Neuropathien |
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Schlafstörung durch Medikamente |
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Refluxkrankheit |
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Beim obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom (OSAS) fallen die oberen Atemwege wiederholt während des Schlafs zusammen, das Luftholen wird erschwert. Symptome sind Schnarchen, Atempausen (Apnoen) und länger als 10 Sekunden dauernde Phasen mit abgeschwächter Atmung und dadurch Reduktion des Sauerstoffgehalts im Blut (Hypopnoen). Auf diese Phasen reagiert der Körper mit einer Alarmreaktion, “Arousal” genannt, so dass die Atmung wieder einsetzt.
Diese wiederholt auftretenden Arousals zerstören die zyklisch wechselnden Schlafstadien – der Schlaf ist somit nicht erholsam. Die Häufigkeit des OSAS bei Diabetikern, speziell bei länger bestehendem Diabetes, liegt bei 30 bis 40 Prozent.
Zwar schnarchen viele Menschen, ohne ein OSAS zu haben. Dennoch sollte man sich Gedanken machen und auch mit seinem Arzt sprechen, wenn Schnarchen, Tagesmüdigkeit und Sekundenschlaf zusammen auftreten. Allerdings ist gerade bei Diabetikern auch oft zu beobachten, dass zwar ein OSAS vorliegt, aber keine Tagesmüdigkeit besteht. Eine mögliche Erklärung ist, dass durch das Vorhandensein einer Nervenerkrankung (Neuropathie) manche Symptome des OSAS vermindert wahrgenommen werden.
Insbesondere bei stark übergewichtigen (adipösen) Patienten sowie bei Diabetikern mit hohem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder langer Krankheitsdauer ist ein Screening auf OSAS sinnvoll. Adipöse haben ein mehr als dreifach höheres Risiko als Normalgewichtige, an Schlafapnoe zu erkranken.
Liegt ein OSAS vor und wird mit einer nächtlichen Beatmungstherapie (Schlafapnoe-Gerät) behandelt, hat das positive Auswirkungen auch auf den Diabetes: Denn dadurch verbessert sich die Insulinempfindlichkeit und damit möglicherweise auch die Stoffwechsellage.
Die Wahrscheinlichkeit eines Diabetikers, in seinem Leben an einer Depression zu erkranken, liegt zwischen 24 und 29 Prozent. Das Risiko liegt für Diabetiker 1,6- bis 2-fach höher als für Nichtdiabetiker, jeder achte Diabetiker leidet nach Angaben der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) an einer Depression. Diabetes-Leitlinien empfehlen deshalb ein routinemäßiges Screening auf Depression. Eine Möglichkeit dazu bietet der WHO-5-Fragebogen zum Wohlbefinden, der z. B. im Gesundheits-Pass Diabetes zu finden ist.
Auch eine Depression kann zu veränderten Schlafphasen führen – was ebenfalls zu Tagesmüdigkeit führen kann. Weitere Symptome können bei einer Depression Antriebslosigkeit, Interesselosigkeit oder Libidoverlust sein. Betroffene Diabetiker benötigen eine psychologische Behandlung, vor allem zu Beginn der Erkrankung und wenn Folgeerkrankungen auftreten.
Das Vorkommen nächtlicher Unterzuckerungen (Hypoglykämien) bei Diabetikern ist ein besonderes und häufiges Problem (mehr ab Seite 18). Diese Unterzuckerungen können bis 12 Stunden andauern, oft werden sie nicht bemerkt, weil viele Patienten dadurch nicht aufwachen. Ob nächtliche Hypoglykämien einen Einfluss auf das Denken und die Stimmungslage haben, ist bisher kaum untersucht; Patienten berichten aber über Kopfschmerzen, Gereiztheit, Verstimmtheit und allgemeines Unwohlsein – was als Folge unbemerkt gebliebener nächtlicher Hypoglykämien interpretierbar ist.
Etwas weiß man aber über die Gedächtnisleistung: Aus verschiedenen Studien ist bekannt, dass der Schlaf hilft, sich Gelerntes zu merken. Tritt nun während der frühen Nachtruhe eine kurz andauernde Unterzuckerung auf, ist die durch den Schlaf geförderte Gedächtnisbildung deutlich schlechter. Aus Studien vor allem mit Kindern und Jugendlichen ist bekannt, dass sie sich nach einer Nacht mit einer Hypoglykämie vermehrt deprimiert, müde und unruhig fühlen. Ihr Wohlbefinden ist deutlich beeinträchtigt und sie sind müder.
Nachts auf die Toilette müssen: Die Nykturie wird von Patienten als gewichtiger Störfaktor für einen gesunden erholsamen Schlaf empfunden. Ursache können Blutzuckerwerte oberhalb der Nierenschwelle sein, also Werte etwa über 180 mg/dl (10,0 mmol/l). Ab diesem Wert scheidet die Niere Zucker über den Urin aus, um den Zuckerüberschuss im Blut zu reduzieren. Um zu verhindern, dass der Zucker in der Blase kristallisiert, scheidet die Niere automatisch auch mehr Flüssigkeit aus. Nächtliches Wasserlassen kann aber auch Zeichen einer Herzschwäche (und ihrer Therapie) sein.
Aufgrund von Studiendaten zur Häufigkeit chronisch erhöhter Blutzuckerwerte trotz Therapie und zur Herzinsuffizienz lässt sich vermuten, dass die Nykturie wohl der wichtigste nächtliche Störfaktor bei Diabetikern sein dürfte.
Eine Nykturie kann auch Folge einer diabetischen Neuropathie sein: durch eine diabetische Zystopathie, also Erkrankung der Harnblase. Deren typischste Komplikation ist zwar eine überaktive Blase, oft vergesellschaftet mit Harninkontinenz. Aber wie eine Befragung von 4 079 Typ-2-Diabetikern ergab, litten 88,4 Prozent der Männer und 78,7 Prozent der Frauen auch an einer Nykturie.
Auch Schmerzen können den Schlaf stören, was einen Teufelskreis auslösen kann: Wer Schmerzen hat, schläft schlecht – wer schlecht schläft, hat mehr Schmerzen. Nach Literaturangaben betrifft die periphere Neuropathie 30 bis 50 Prozent der Langzeitdiabetiker, eine schmerzhafte periphere Neuropathie 10 bis 20 Prozent.
Nahezu 70 Prozent der Patienten mit Neuropathie haben Schlafprobleme: Sie schlafen schlecht ein, wachen nachts wegen Schmerzen auf, und auch morgens ist es mit ihrer ohnehin gestörten Nachtruhe verfrüht vorbei. Besonders der mitteltiefe und der erholsame tiefe Schlaf sind nicht mehr vorhanden. Wessen Schlaf derart gestört wird, ist am Tag erschöpft, müde und vermindert leistungsfähig.
Medikamente können unseren Schlaf-Wach-Rhythmus beeinflussen. So können manche Substanzklassen durch ihre stimulierende Wirkung die einzelnen Schlafphasen stören. Typische Medikamente hier sind Blutdrucksenker (Antihypertensiva) wie Kalziumkanalblocker, Betablocker und ACE-Hemmer, ebenso Blutfettsenker (Statine). Studien hierzu gibt es aber kaum, vor allem sind es Berichte von Betroffenen, die darauf hinweisen.
Die gastroösophageale Refluxkrankheit, also das Zurückfließen von Magensäure in die Speiseröhre, tritt bei mehr als 10 Prozent der Bevölkerung auf. Bei Diabetikern insgesamt ist sie noch häufiger und besonders häufig in der Gruppe der Diabetiker mit Neuropathie.
Meist treten die Beschwerden wie Sodbrennen nach den Mahlzeiten auf, aber vermehrt auch nachts. Jeder Zweite empfindet beispielsweise das nächtliche Sodbrennen als beeinträchtigender als während des Tages. Etwa 40 Prozent der Betroffenen geben an, nur eingeschränkt arbeitsfähig zu sein, wenn sie in der Nacht vorher unter Sodbrennen gelitten haben.
Sie sehen: Es gibt viele Ursachen, warum der Schlaf gestört sein kann. Selbst wenn Sie selbst nicht merken, dass Ihr Schlaf gestört und nicht erholsam ist, können Symptome tagsüber darauf hinweisen. Allgemeines Unwohlsein gepaart mit Kopfschmerzen, Übelkeit und Gereiztsein kann auf nächtliche Hypoglykämien hinweisen. Ständiger Müdigkeit am Tag und/oder Schnarchen kann ein obstruktives Schlafapnoesyndrom zugrunde liegen.
Schmerzhafte Neuropathien, bestimmte Medikamente oder gastroösophageale Refluxerkrankungen führen typischerweise am nächsten Tag zu einer geringeren Leistungsfähigkeit. Wichtig ist, solche Symptome dem behandelnden Arzt zu berichten – so dass er zusammen mit Ihnen nach der Ursache suchen und sie behandeln kann.
von Prof. Dr. Igor Alexander Harsch
Thüringen Kliniken Georgius Agricola, Saalfeld/Saale,
E-Mail: iharsch@thueringen-kliniken.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2017; 66 (9) Seite 20-23
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