- Behandlung
Schulung für ältere Menschen mit Typ-1-Diabetes
4 Minuten
Menschen mit Typ-1-Diabetes leben zumeist viele Jahrzehnte mit ihrer Erkrankung und können im hohen Alter von ihren Erfahrungen profitieren. Dennoch kann es hin und wieder notwendig sein, bestimmte Themen aufzufrischen, wenn beispielsweise ein Vereinfachen der Therapie angestrebt wird oder Details in Vergessenheit geraten sind. Im Rahmen von strukturierten Diabetes-Schulungsprogrammen ist dies möglich.
Menschen mit Typ-1-Diabetes lernen in strukturierten Diabetes-Schulungsprogrammen, mit ihrer Erkrankung im Alltag umzugehen. In Kleingruppen oder Einzelberatungen werden theoretische Inhalte vermittelt – z. B. welche Lebensmittel den Blutzucker erhöhen – und praktische Fertigkeiten geübt – z. B. das Insulinspritzen oder Blutzuckermessen. Dies spielt eine besonders große Rolle zu Beginn der Erkrankung. Wiederholte Teilnahmen im Laufe des Lebens können jedoch dazu beitragen, das Wissen aufzufrischen und Neuigkeiten, beispielsweise auf dem Gebiet der Diabetes-Technologie mit Insulinpumpen, Smart-Pens oder Sensoren zum kontinuierlichen Glukose-Montoring (CGM), zu erfahren.
Für Menschen mit Typ-1-Diabetes stehen in Deutschland zwei Schulungsprogramme zur Verfügung, welche beide zwölf Schulungseinheiten mit jeweils 90 bis 120 Minuten umfassen: das “Behandlungs- und Schulungsprogramm für intensivierte Insulintherapie (ICT)” vom Deutschen Ärzteverlag und “PRIMAS” vom Forschungsinstitut Diabetes-Akademie Bad Mergentheim (FIDAM).
Lernen im Alter ist nicht so einfach
Da die Gedächtnis-Leistung mit zunehmendem Alter abnimmt und das Erlernen von neuem Wissen immer schwerer wird, ist es wichtig, die Inhalte einer Diabetes-Schulung auf das Wesentliche zu reduzieren und sich viel Zeit zu nehmen. Häufiges Wiederholen der Themen soll dazu beitragen, dass daraus Routine wird. Das schulende Personal ist speziell dafür ausgebildet.
Durch den Austausch mit anderen Betroffenen innerhalb einer Gruppenschulung können die an der Schulung Teilnehmenden voneinander lernen, was maßgeblich zum Lernerfolg beiträgt. Das Einbeziehen von Angehörigen oder von Pflegepersonal kann ebenfalls von großer Bedeutung sein, wenn beispielsweise andere Erkrankungen, wie Demenz oder motorische Einschränkungen, hinzukommen.
Man lernt niemals aus
Viele ältere Menschen fragen sich, warum sie in ihrem Alter nach so einer langen Krankheitsdauer noch an einer Schulung teilnehmen sollen. Dass die Teilnahme an einer Diabetes-Schulung aber zu verbesserten Blutzuckerwerten und weniger Unterzuckerungen führt, haben bereits zahlreiche Studien zeigen können.
Dabei geht es nicht um das Erreichen perfekter Blutzuckerwerte, wie es bei jungen Menschen meist anzustreben ist, sondern vielmehr darum, Beschwerden durch stark erhöhte Zuckerwerte wie häufiges Wasserlassen, viel Durst, Antriebslosigkeit und Müdigkeit oder durch Unterzuckerungen zu verhindern. Kommt es durch eine Unterzuckerung zum Beispiel zu einem Sturz, könnte dies ein Grund sein, an einer Schulung teilzunehmen – um zu verhindern, dass eine solche Situation noch einmal auftritt.
Aber auch der Wunsch nach einer Verbesserung der Lebensqualität könnte ein Grund für eine erneute Diabetes-Schulung sein. Wenn man das Gefühl hat, dass einem alles über den Kopf wächst und man überfordert mit der Erkrankung und deren Therapie ist, kann eine Teilnahme sinnvoll sein. Auch wenn die Erkrankung bereits seit dem Kindesalter den Alltag der Betroffenen bestimmt, können die verschiedensten Fragen auch noch im hohen Alter auftreten.
Dies könnte zum Beispiel sein:
- Wie kann ich meine Insulintherapie vereinfachen?
- Welche Blutzuckerwerte soll ich anstreben?
- Für welche Lebensmittel muss ich Insulin spritzen?
- Wie schaffe ich es, zu niedrige oder zu hohe Blutzuckerwerte zu verhindern?
- Was tue ich, wenn ich ins Krankenhaus muss?
Innerhalb einer Diabetes-Schulung können diese und weitere Fragen beantwortet werden.
Wenn der Typ-1-Diabetes erst im hohen Alter auftritt …
Typ-1-Diabetes tritt meist erstmalig in jungen Jahren auf. Die Erkrankung kann sich aber auch erst in hohem Alter manifestieren. So erhielt zum Beispiel Renate N. mit 71 Jahren die Diagnose “Diabetes mellitus Typ 1”. Ihr Nachteil ist, dass sie nicht von jahrzehntelangen Erfahrungen profitieren konnte, sondern sich von jetzt auf gleich viel Wissen und praktische Fähigkeiten aneignen musste. Dass dies aber möglich ist, hat Renate N. bewiesen.
Schulung lohnt sich
Nachdem die Patientin mit häufigem Wasserlassen, viel Durst sowie einem deutlich zu hohen Blutzuckerwert von 414 mg/dl bzw. 23,0 mmol/l von der Hausarztpraxis stationär eingewiesen worden war, wurde ihr im Krankenhaus gesagt, dass sie nicht Diabetes Typ 2 – wie ihr Mann – habe, sondern die seltenere Form “Diabetes Typ 1”. Ihr Langzeit-Blutzuckerwert (HbA1c) lag bei 11,2 %.
Ab sofort hieß es für sie, mehrfach täglich Insulin zu spritzen, den Blutzucker zu messen, die Kohlenhydrate im Essen abzuschätzen, daraus die Insulindosis zu berechnen, Unterzuckerungen zu erkennen und so weiter. Außerdem musste sie sich die Frage stellen, ob für sie eine Therapie mit einer Insulinpumpe oder ein CGM-System in Frage kommt. Renate N. war überfordert, für sie brach eine Welt zusammen. Dachte sie doch, dass sie ihren Lebensabend gemeinsam mit ihrem Ehemann sorgenfrei verbringen könne.
Renate N. war stark verunsichert, ob sie mit ihren 71 Jahren so viel neues Wissen erlernen und dies eigenständig im Alltag umsetzen könne. In ein Pflegeheim wollte sie deswegen keinesfalls. Sie war hoch motiviert, sich das Wissen anzueignen, um weiterhin in ihrer gewohnten Umgebung zu bleiben. Ihr Mann versuchte, sie dabei zu unterstützen, und nahm an allen Schulungs-Einheiten teil. Für ihn waren die meisten Themen auch neu, da er nur die Diabetes-Tablette “Metformin” einnahm. Insulinspritzen, Blutzuckermessen und Abschätzen der Kohlenhydratmenge waren für ihn nicht nötig, sodass er dies bis dahin nicht gelernt hatte.
Das Schulungs-Personal auf Station gab sich sehr große Mühe. Sie unterstützten die Patientin täglich beim Insulinspritzen, Blutzuckermessen sowie Schätzen der Kohlenhydratmenge und dem damit verbundenen Errechnen der Insulindosis. Alle Inhalte wurden so lange wiederholt, bis Renate N. die notwendige Sicherheit im Umgang mit der Erkrankung erlangt hatte. Nach Entlassung stellte sich die Patientin in einer Diabetes-Schwerpunktpraxis vor. Dort wurde sie weiterhin von Diabetesberaterinnen unterstützt.
Drei Monate später …
Nach drei Monaten kam Renate N. wieder in die Hausarztpraxis. Sie berichtete, wie schwierig die letzten Wochen für sie waren, aber auch, wie glücklich sie nun war. Sie hätte nie gedacht, in ihrem Alter noch einmal “wie in der Schule so viel Wissen zu pauken”. Der HbA1c-Wert lag nun bei 7,8 %. Unterzuckerungen traten zwar hin und wieder auf – wenn sie sich beispielsweise bei der Kohlenhydratmenge verschätzt hatte –, Renate N. hatte aber gelernt, damit umzugehen. Es hatte sich gezeigt: Schulung lohnt sich … auch im hohen Alter!
Schwerpunkt: „Schwerpunkt Lange leben – auch mit Typ-1-Diabetes“
von Dr. Nadine Kuniß
Erschienen in: Diabetes-Anker, 2024; 73 (6) Seite 27-29
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cesta postete ein Update vor 3 Tagen
Hallo zusammen, ich habe eine Frage an euch. Ich habe seit 4 Jahren Typ 1 LADA und bisher nur mit Basalinsulin ausgekommen. Seit 3 Wochen muss ich nun auch zu jeder Mahlzeit Humalog spritzen. Für die Berechnung wiege ich immer alles ab. Könnt ihr eine App empfehlen, die bei der Berechnung der Kohlenhydrate unterstützt? Oder habt ihr andere Tipps wie man sich daran gewöhnt? Ich wiege bisher alles ab und kann mir gar nicht vorstellen, dass ich mir das zukünftig merken kann bzw. wie ich die Kohlenhydrate schätzen kann. Vielen lieben Dank für eure Hilfe! Liebe Grüße, Christa
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kw antwortete vor 1 Tag, 4 Stunden
Hallo cesta, ich habe gute Erfahrungen mit der WETID App gemacht. Hier erhältst du für fast alle Lebensmittel BE – Werte. Man kann auch das Portionsgewicht eingeben und erhält dann die entsprechenden BE’s.
Die App mit Werbung war bisher kostenlos. App ohne Werbung und im Abo ist besser.LG von kw = Kurt mit Diabetes Typ 3c
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moira antwortete vor 22 Stunden, 17 Minuten
Hallo Christa! Ich verwende die FDDB app. LG Sarah (Lada)
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cesta antwortete vor 9 Stunden, 11 Minuten
@kw: Vielen lieben Dank für den Tipp!
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cesta antwortete vor 9 Stunden, 10 Minuten
@moira: Vielen lieben Dank für den Tipp!
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 1 Woche, 6 Tagen
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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mayhe antwortete vor 1 Woche, 6 Tagen
Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
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sveastine antwortete vor 1 Woche, 5 Tagen
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
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mayhe antwortete vor 1 Woche, 5 Tagen
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike
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sveastine antwortete vor 3 Tagen, 11 Stunden
@mayhe: Hallo Heike, oh da hast du aber auch viel geschafft. Ja ich habe die Kinder mit Diabetes bekommen und meine Kinder sind 26,25,23 und bald 19 🥰….und wie du hoffe bald wieder fit zu sein. Beruflich wechsle ich jetzt vom Kinderhospiz wieder in die Krippe da es dort vorausschaubarer ist als im Schichtdienst. In der Hoffnung der Diabetes lässt sich dort wieder besser einstellen. Eigentlich sollte ich auch die Ernährung wieder umstellen, das weiß ich aber es fällt mir so schwer. Wie ist das da bei dir. Was machen deine Werte ? Viele Grüße Astrid
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mayhe antwortete vor 3 Tagen, 9 Stunden
@sveastine: Hallo liebe Astrid, sag mal kann es sein, daß du in den Wechseljahren bist? Ich habe meine schon hinter mir, aber das war zuckertechnisch eine der schwierigsten Zeiten, weil ständig alles durcheinander war. Damals war ich allein 2 x in der Diabetes Klinik Bad Mergentheim zum Anpassen innerhalb von 3-4 Jahren. Die Hormonwirkungen waren der Wahnsinn. Jetzt ist es wieder deutlich ruhiger. Was hast du eigentlich für eine Versorgung? Pen? Pumpe? Insulin? Sensor?
Ich habe die Tandem tslim mit Sensor und Novorapid. Und das ist für mich der game changer gewesen. Seitdem werden die zuckertechnischen Anstrengungen auch mit guten Werten belohnt. Liebe Grüße Heike -
sveastine antwortete vor 2 Tagen, 22 Stunden
@mayhe: Hi, ja ich bin in den Wechsel Jahren schon eine ganze Weile und nehme Hormone. Das ist denke ich ist der Hauptgrund der Schwankungen, aber das geht schon seit ca 3 Jahren so, was doof ist. Ich hab das gleiche System wie du tslim und Dexcom, trotzdem schwierig.aber für Bad Mergentheim lt. Diabetologe zu gut um die Genehmigung dafür zu bekommen 🤷🏻♀️
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mayhe antwortete vor 2 Tagen, 8 Stunden
@sveastine: Das ist ja witzig, das du dieselbe Versorgung hast. Also bist du da optimal versorgt. Jetzt verstehe ich deinen Frust. Nach den Behandlungen in Bad Mergentheim war es wenigstens eine Weile besser. Warst du schon mal in Reha wegen dem Zucker? Ist zwar nicht Bad Mergentheim, aber manche Rehakliniken machen das wohl echt gut. Du musst “nur” darauf achten, dass sie ein spezielles Angebot für Typ1er haben. Ich war 2019 in der Mediclin Klinik Stauffenberg, Durlach. Das war okay. Am wichtigsten fand ich den Austausch mit den Mitpatienten. Aber natürlich ist der Aufwand für dich bei 4 Kindern für 3 Wochen, sehr hoch. Und eine Garantie dafür das dann länger besser läuft gibt es nicht. Ich fand es aber immer wichtig, den zuckertechnischen Input und die Solidarität zu erfahren. Liebe Grüße Heike
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mayhe antwortete vor 2 Tagen, 8 Stunden
@mayhe: Nicht Durlach, sondern Durbach.
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stephanie-haack postete ein Update vor 2 Wochen
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 2 Wochen
Ich bin dabei 🙂
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