- Behandlung
Therapie mit Insulinpumpe: Besonderheiten im Alter
4 Minuten
Die Therapie mit Insulinpumpen ist heute für Menschen mit Typ-1-Diabetes – vor allem auch im Zusammenhang mit dem kontinuierlichen Glukose-Monitoring (CGM) – eine weit verbreitete Therapie-Methode geworden. Bei Kindern ist die Insulinpumpen-Therapie heute größtenteils Standard. Aber auch immer mehr Menschen im höheren Alter entscheiden sich für diese Therapie. Kann diese Art der Therapie auch älteren Menschen nützen? Welche Vorteile und welche Nachteile ergeben sich daraus?
In Deutschland leben etwa 370.000 Menschen mit einem Typ-1-Diabetes. Der Anteil der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren liegt dabei bei etwa 32.000. Die Anzahl der Menschen, die eine Insulinpumpe tragen, schwankt je nach Untersuchung. Man geht aber davon aus, dass mehr als 104.000 Menschen eine Insulinpumpe einsetzen, davon ein großer Teil junger Menschen.
Allerdings stammen viele dieser Zahlen noch aus der Zeit vor dem Boom der Systeme zur automatisierten Insulin-Dosierung (AID-Systeme) – also Systemen aus Insulinpumpe plus System zum kontinuierlichen Glukose-Monitoring (CGM-System) plus verbindendem Algorithmus. Wir können davon ausgehen, dass die Zahlen seit Etablierung solcher Systeme weiter nach oben gestiegen sind und weiter steigen werden – gerade auch bei Menschen im höheren Lebensalter.
Menschen mt Typ-1-Diabetes werden älter
Die Lebenserwartung von Menschen mit einem Typ-1-Diabetes ist aufgrund der immer normnäheren Glukosewerte im Lauf der vergangenen Jahrzehnte immer weiter gestiegen. In Deutschland leben deshalb immer mehr Menschen mit Typ-1-Diabetes, die über 70 Jahre alt geworden sind, und diese Zahl wird weiter ansteigen. Laut Hochrechnungen von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe leben inzwischen etwa 100 000 Menschen mit einem Typ-1-Diabetes in einem Alter über 70 Jahren.
Wenn Menschen mit einem Typ-1-Diabetes älter werden, ergeben sich aber hin und wieder Probleme. Genauso wie bei Menschen ohne Diabetes kommen altersbedingte Erkrankungen wie Schlaganfall, Demenz, Arthrose und weitere hinzu. Oft stellt sich die Frage: Wo kann eine gute Versorgung stattfinden, wenn eine Pflegebedürftigkeit entsteht?
In der Vergangenheit hieß das meist, dass die Betroffenen von einer Therapie mit Insulinpumpe auf eine Therapie mit Insulinpen umgestellt wurden. So wurde ihnen die Insulinpumpe weggenommen, die Faktoren für Kohlenhydrate und Korrekturen wurden ihnen in einer Tabelle vorgegeben. Mitunter wurden sie sogar auf zwei Injektionen eines Mischinsulins umgestellt. Dies wurde oft nötig, da die Betroffenen die Therapie nicht mehr selbst managen konnten und die Pflegekräfte im Pflegeheim oder beim Pflegedienst maximal zweimal am Tag Insulin injizieren konnten.
Was oft bei Menschen mit einem Typ-2-Diabetes gut funktioniert, funktioniert bei Menschen mit einem Typ-1-Diabetes aber nur sehr bedingt. Die Folgen sind in der Regel häufige Unterzuckerungen oder Überzuckerungen mit Übersäuerung des Körpers (Ketoazidose), was eine unbefriedigende Situation für alle darstellt.
AID-Systeme verändern die Möglichkeiten
Die heutige Therapie mit Insulinpumpen unterliegt einer großen Entwicklungswelle. Seit CGM-Systeme zuverlässig den Glukoseverlauf aufzeichnen können und die moderne Rechenleistung mit dieser Vielzahl der Daten klug umgehen kann, wurde die Therapie revolutioniert.
Laut aktuellem
Für die Therapie nur mit einer Insulinpumpe ohne Kopplung mit einem CGM-System haben sich die Indikationen nicht verändert. Es gehört dazu ein Vorliegen des Dawn-Phänomens (hormonell ausgelöst morgendlich ansteigende Glukosewerte), ein “schwer einstellbarer” Diabetes, ein sportlich und beruflich aktives Leben, ein geringer Insulinbedarf oder häufige Unterzuckerungen. Im Kindesalter hat sich die Therapie mit Insulinpumpe nicht nur wegen des geringen Insulinbedarfs durchgesetzt, sondern auch, weil die Therapie eine Selbstständigkeit unabhängig von den Eltern unterstützt.
Jetzt wird durch die neuen AID-Systeme dieser Vorteil weiter beflügelt. Die Systeme können durch das Berechnen von Therapie-Vorschlägen und automatisches Anpassen der Dosis der Basalrate die Glukosewerte zu einem hohen Prozentsatz im Zielbereich zwischen 70 und 180 mg/dl bzw. 3,9 und 10,0 mmol/l halten. Die Nutzer der Systeme empfinden dadurch eine große Entlastung im Alltag – sie müssen weniger Entscheidungen selbst treffen, die Glukoseverläufe sind gleichmäßiger und das Risiko für akute oder chronische Folgen sinkt. Hier stellt sich die Frage: Können solche Systeme nicht auch eine Hilfe bei älteren Menschen sein, die ebenfalls hilfsbedürftig sind?
Technik erfordert Fertigkeiten
Grundsätzlich lässt sich diese Frage mit Ja beantworten. Ja, die AID-Systeme können eine große Hilfe darstellen – allerdings mit einem großen “Aber”. Wenn die Systeme laufen, ist alles gut. Aber wie alle technischen Systeme laufen sie nicht immer rund. Wie bei Kindern braucht es dann Personen im Umfeld, die eine unterbrochene Verbindung wieder verbinden, ein Update fahren oder die Verbindung zur Cloud einrichten. Des Weiteren müssen bei der Insulinpumpe auch die mechanischen Vorgänge wie das Füllen der Ampulle oder der Wechsel von Kanüle und Katheter selbstständig beherrscht oder von einer Hilfskraft übernommen werden.
Dies alles könnte, wenn ältere Menschen hilfsbedürftig sind, durch An- oder Zugehörige erledigt werden. Aktuell ist diese Übernahme von Tätigkeiten noch nicht von den Pflegenden in ambulanten oder stationären Pflegeeinrichtungen zu erwarten. Durch den Aufbau der Telemedizin gibt es jedoch große Hoffnungen, dass durch Telekonsile von Diabeteszentren hier Abhilfe geschaffen werden könnte.
Fazit:
Die modernen AID-Systeme sind eventuell in Zukunft eine gute Therapieoption auch für ältere Menschen. Vereinzelt, wenn der ältere Mensch noch selbst fit ist – mein persönlich ältester Neu-AID-System-Starter war 92 Jahre jung – oder aber das häusliche Umfeld Hilfe leistet, ist die neue Therapie eine gute Option. Da sie aber nicht von allein funktioniert, müssen das persönliche Können und das Netzwerk im Vorfeld gut geprüft werden. Sollten die Voraussetzungen nicht stimmen, kann sich das System auch als Boomerang erweisen und die Therapie- und Lebensbedingungen verschlechtern.
Schwerpunkt: „Schwerpunkt Lange leben – auch mit Typ-1-Diabetes“
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2024; 73 (6) Seite 21-23
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cesta postete ein Update vor 3 Tagen, 17 Stunden
Hallo zusammen, ich habe eine Frage an euch. Ich habe seit 4 Jahren Typ 1 LADA und bisher nur mit Basalinsulin ausgekommen. Seit 3 Wochen muss ich nun auch zu jeder Mahlzeit Humalog spritzen. Für die Berechnung wiege ich immer alles ab. Könnt ihr eine App empfehlen, die bei der Berechnung der Kohlenhydrate unterstützt? Oder habt ihr andere Tipps wie man sich daran gewöhnt? Ich wiege bisher alles ab und kann mir gar nicht vorstellen, dass ich mir das zukünftig merken kann bzw. wie ich die Kohlenhydrate schätzen kann. Vielen lieben Dank für eure Hilfe! Liebe Grüße, Christa
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kw antwortete vor 1 Tag, 22 Stunden
Hallo cesta, ich habe gute Erfahrungen mit der WETID App gemacht. Hier erhältst du für fast alle Lebensmittel BE – Werte. Man kann auch das Portionsgewicht eingeben und erhält dann die entsprechenden BE’s.
Die App mit Werbung war bisher kostenlos. App ohne Werbung und im Abo ist besser.LG von kw = Kurt mit Diabetes Typ 3c
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moira antwortete vor 1 Tag, 15 Stunden
Hallo Christa! Ich verwende die FDDB app. LG Sarah (Lada)
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cesta antwortete vor 1 Tag, 2 Stunden
@kw: Vielen lieben Dank für den Tipp!
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cesta antwortete vor 1 Tag, 2 Stunden
@moira: Vielen lieben Dank für den Tipp!
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 2 Wochen
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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mayhe antwortete vor 2 Wochen
Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
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sveastine antwortete vor 1 Woche, 6 Tagen
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
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mayhe antwortete vor 1 Woche, 6 Tagen
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike
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sveastine antwortete vor 4 Tagen, 5 Stunden
@mayhe: Hallo Heike, oh da hast du aber auch viel geschafft. Ja ich habe die Kinder mit Diabetes bekommen und meine Kinder sind 26,25,23 und bald 19 🥰….und wie du hoffe bald wieder fit zu sein. Beruflich wechsle ich jetzt vom Kinderhospiz wieder in die Krippe da es dort vorausschaubarer ist als im Schichtdienst. In der Hoffnung der Diabetes lässt sich dort wieder besser einstellen. Eigentlich sollte ich auch die Ernährung wieder umstellen, das weiß ich aber es fällt mir so schwer. Wie ist das da bei dir. Was machen deine Werte ? Viele Grüße Astrid
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mayhe antwortete vor 4 Tagen, 2 Stunden
@sveastine: Hallo liebe Astrid, sag mal kann es sein, daß du in den Wechseljahren bist? Ich habe meine schon hinter mir, aber das war zuckertechnisch eine der schwierigsten Zeiten, weil ständig alles durcheinander war. Damals war ich allein 2 x in der Diabetes Klinik Bad Mergentheim zum Anpassen innerhalb von 3-4 Jahren. Die Hormonwirkungen waren der Wahnsinn. Jetzt ist es wieder deutlich ruhiger. Was hast du eigentlich für eine Versorgung? Pen? Pumpe? Insulin? Sensor?
Ich habe die Tandem tslim mit Sensor und Novorapid. Und das ist für mich der game changer gewesen. Seitdem werden die zuckertechnischen Anstrengungen auch mit guten Werten belohnt. Liebe Grüße Heike -
sveastine antwortete vor 3 Tagen, 16 Stunden
@mayhe: Hi, ja ich bin in den Wechsel Jahren schon eine ganze Weile und nehme Hormone. Das ist denke ich ist der Hauptgrund der Schwankungen, aber das geht schon seit ca 3 Jahren so, was doof ist. Ich hab das gleiche System wie du tslim und Dexcom, trotzdem schwierig.aber für Bad Mergentheim lt. Diabetologe zu gut um die Genehmigung dafür zu bekommen 🤷🏻♀️
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mayhe antwortete vor 3 Tagen, 2 Stunden
@sveastine: Das ist ja witzig, das du dieselbe Versorgung hast. Also bist du da optimal versorgt. Jetzt verstehe ich deinen Frust. Nach den Behandlungen in Bad Mergentheim war es wenigstens eine Weile besser. Warst du schon mal in Reha wegen dem Zucker? Ist zwar nicht Bad Mergentheim, aber manche Rehakliniken machen das wohl echt gut. Du musst “nur” darauf achten, dass sie ein spezielles Angebot für Typ1er haben. Ich war 2019 in der Mediclin Klinik Stauffenberg, Durlach. Das war okay. Am wichtigsten fand ich den Austausch mit den Mitpatienten. Aber natürlich ist der Aufwand für dich bei 4 Kindern für 3 Wochen, sehr hoch. Und eine Garantie dafür das dann länger besser läuft gibt es nicht. Ich fand es aber immer wichtig, den zuckertechnischen Input und die Solidarität zu erfahren. Liebe Grüße Heike
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mayhe antwortete vor 3 Tagen, 2 Stunden
@mayhe: Nicht Durlach, sondern Durbach.
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stephanie-haack postete ein Update vor 2 Wochen, 1 Tag
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 2 Wochen
Ich bin dabei 🙂
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