- Behandlung
Wenn der Blutzucker verrücktspielt
4 Minuten

Eine schlechte Blutzuckereinstellung oder starke Blutzuckerschwankungen sind für viele Menschen oft unerklärlich: für Typ-1- wie für Typ-2-Diabetiker. Wir nennen Ursachen – und geben Tipps für Lösungsansätze.
Wenn der Blutzucker verrücktspielt: Damit sind nicht der gelegentlich erhöhte Blutzucker (Hyperglykämie) und der Unterzucker (Hypoglykämie) gemeint, die wohl viele Menschen mit Diabetes von Zeit zu Zeit erleben. Nein, hier geht es um die manchmal für die Betroffenen nicht kalkulierbaren Blutzuckerschwankungen, Blutzuckererhöhungen am Morgen (wie Dawn-Phänomen) und auch Blutzuckerentgleisungen.
Egal ob Sie einen Typ-1- oder einen Typ-2-Diabetes haben: Wir hoffen, dass Ihnen die vielen praktischen Hinweise im Alltag nützen mögen – und Sie vielleicht das eine oder andere unangenehme Erlebnis so verhindern können.
Oberstes Ziel: den Blutzucker im Normbereich halten
Der menschliche Organismus strebt danach, den Blutzucker unter allen Lebensumständen möglichst im Normbereich zu halten; dies ergibt sich vor allem aus der Tatsache, dass das Zentralnervensystem des Menschen (Gehirn, Nerven etc.) zur Energiegewinnung Glukose (Traubenzucker) verwendet. Kohlenhydrate und Fette (Lipide) sind die wichtigsten Energiequellen einer Zelle.
Das Gehirn braucht kein Insulin
Das Gehirn bedient sich direkt aus dem strömenden Blut – es benötigt kein Insulin, um Glukose in die Zellen aufnehmen zu können. Das Gehirn braucht für seine Tätigkeit etwa 6 g Glukose pro Stunde, die vor allem aus den Vorräten der Leber kommen: Sie liefert 10 g Glukose pro Stunde. Eine normale Blutzuckerkonzentration ist neben Sauerstoff eines der existentiellen Dinge, die erst das Leben der Menschen ermöglichen.
Weithin bekannt ist, dass zu hohe Blutzuckerwerte (Hyperglykämien) für Diabetiker langfristig schädlich sind – aber nicht nur sie:
Schädliche Schwankungen
Studien (gerade Studien mit Typ-1-Diabetikern mit Insulinpumpe) haben gezeigt, dass gehäuft vorkommende starke Blutzuckerschwankungen mit Unter- und Überzuckerung Organen, die glukoseempfindlich sind, schaden können – wie der Netzhaut des Auges, in der Blutungen auftreten können.
Darüber hinaus scheint es ein „Glukose-Langzeit-Gedächtnis der Organe“ zu geben: Je früher der Blutzucker gut und gleichmäßig eingestellt ist, umso geringer ist das Risiko, dass Diabetes-Folgeerkrankungen entstehen. Das gilt für Typ-1- und Typ-2-Diabetiker – wie große Studien zeigten.
Gar nicht hoch genug einschätzen lässt sich das, was Menschen mit Diabetes – Typ 1, Typ 2, Kinder, Jugendliche, Erwachsene im berufstätigen Alter und ältere Menschen – tagtäglich leisten, um ihren Diabetes im Griff zu haben.
Ursachensuche beim Typ-1-Diabetes
Bei Typ-1-Diabetikern sind ein hoher Langzeitwert (HbA1c) und ein Auf und Ab der Blutzuckerwerte häufig der Grund dafür, dass man genau suchen muss, wo die Ursachen dafür liegen – aber auch sehr niedrige HbA1c-Werte (also eine vermeintlich sehr gute Blutzuckereinstellung) mit häufigen Unterzuckerungen und mit der Gefahr der Entwicklung einer Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung müssen zu einer Ursachensuche führen.
Typ-1-Diabetes wird oft noch gleichgesetzt mit jugendlichem Diabetes – aber Typ-1-Diabetiker gibt es in allen Altersstufen. Durch die sich ändernden Lebensumstände beim Erwachsen- und Älterwerden und möglicherweise auch durch Folgeerkrankungen ist deshalb immer wieder eine Anpassung der Insulintherapie erforderlich.
Da Typ-1-Diabetiker unbedingt Insulin brauchen, ist es sehr wichtig, dass man die Probleme analysiert, die im Zusammenhang mit der Blutzuckereinstellung auftauchen. Denn so lassen sich am ehesten akute Probleme und chronische Folgeerkrankungen vermeiden – bei guter Lebensqualität.
Akute und chronische Folgeerkrankungen
Die akuten und die chronischen Folgen einer schlechten Diabeteseinstellung können die Lebensqualität von Typ-1-Diabetikern spürbar einschränken. Denken Sie an Unterzuckerungen oder gefährlich hohe Blutzuckerwerte mit Ketoazidose; denken Sie an Erkrankungen der Nieren, Nerven und der Netzhaut – oder denken Sie an schwere Hypoglykämien mit Krankenhauseinweisung.
Schlechte Werte, Schwankungen bei Typ-1-Diabetes
Ursachen für eine schlechte Blutzuckereinstellung bzw. schwankende Blutzuckerwerte bei Typ-1-Diabetikern:
- Akzeptanz- und Verarbeitungsprobleme bei Diabetes
- Null-Bock-Mentalität bei jungen und jugendlichen Typ-1-Diabetikern
- Zu viel Basalinsulin bei der intensivierten Insulintherapie
- Zu viel oder zu wenig Insulin besonders bei Sport/Bewegung
- Zu wenige Blutzuckerkontrollen oder Kontrollen zu Zeitpunkten, die keine aussagekräftige Analyse ermöglichen
- Mangelhafte Dokumentation der Blutzuckerwerte (Nachvollziehbarkeit dann oft nicht mehr gegeben
- Zu häufiges Herunterspritzen erhöhter Werte im Laufe eines Tages mit wiederholten Hypoglykämien (Gefahr: Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung)
- Falsche Injektionstechnik mit schlechter Insulinaufnahme
- Magenlähmung und dadurch ungleichmäßige Nahrungsverwertung
Typ-2-Diabetes: Hier steht anderes im Vordergrund
Beim Typ-2-Diabetes reden wir nur über einen relativen Insulinmangel: Hier ist die Blutzucker-Stoffwechsellage meist stabiler und gleichmäßiger – nicht selten aber insgesamt trotzdem nicht gut. Tabletten (orale Antidiabetika) mit Unterzuckerungsrisiko wurden über Jahrzehnte hinweg verordnet – bis heute mit dem negativen Nebeneffekt einer Gewichtszunahme.
Insulin wird oft immer noch zu spät in die Therapie eingeführt, aus Angst vor Unterzuckerungen und einer möglichen Gewichtszunahme. Die Studienergebnisse der letzten Jahre haben uns andererseits gezeigt, dass es notwendig ist, gerade bei älteren Typ-2-Diabetikern Unterzuckerungen zu vermeiden: Denn viele ältere Menschen haben mehrere Erkrankungen gleichzeitig, sind also multimorbid.
Neue und sicherere Möglichkeiten bei der Typ-2-Diabetes-Therapie
Jedoch ist es ebenso notwendig, eine weitere unerwünschte Gewichtszunahme durch die Therapie selbst zu vermeiden. Die inkretinbasierten neuen Therapien mit der zusätzlichen Möglichkeit der Insulingabe haben hier nicht geahnte, neue und sicherere Möglichkeiten der Therapie eröffnet. Trotzdem müssen auch ältere Typ-2-Diabetiker mit zunächst oft „unerklärlichen Blutzuckerschwankungen“ rechnen – und damit fertig werden.
Schlechte Werte, Schwankungen bei Typ-2-Diabetes
Ursachen für eine schlechte Blutzuckereinstellung bzw. für schwankende Blutzuckerwerte bei Typ-2-Diabetikern:
- Tabletten (orale Antidiabetika mit der Gefahr der Unterzuckerung 8z. B. Sulfonylharnstoffe und Glinide) und Gegenregulation
- Keine oder zu wenige Blutzuckerkontrollen trotz Insulintherapie bzw. oraler Medikamente, die die Insulinausschüttung anregen
- Überforderung alter oder sehr alter Patienten mit dem Medikamenten
- Überforderung mancher Patienten mit einer zu komplizierten Insulintherpie
- Trotz Nierenerkrankung Einnahme von Medikamenten ohne Anpassung der Dosis
- Falsche Technik der Insulininjektion, falsche Injektionsutensilien oder falsche Injektionsareale
- Unpassende Schulung älterer Typ-2-Diabetiker besonders bei erforderlicher Insulintherapie
- Unpassende Diabetestherapie älterer Typ-2-Diabetiker – wenn Begleit- und Folgeerkrankungen nicht berücksichtigt werden (z. B. Zustand nach Herzinfarkt oder Schlaganfall, Sehstörungen, beginnende Demenz)
von Dr. Gerhard-W. Schmeisl
Internist/Angiologe/Diabetologe, Chefarzt Deegenbergklinik sowie Chefarzt Diabetologie Klinik Saale (DRV-Bund)
Kontakt:
Deegenbergklinik, Burgstraße 21, 97688 Bad Kissingen, Tel.: 09 71/8 21-0
sowie Klinik Saale, Pfaffstraße 10, 97688 Bad Kissingen, Tel.: 09 71/8 5-01
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hexle postete ein Update vor 22 Stunden, 38 Minuten
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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nina33 postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes Typ 3c vor 4 Tagen, 11 Stunden
Hallo guten Abend ☺️
Ich heiße Nina, bin 33j jung und Mama von drei zauberhaften Mädels.
Und vor kurzem bekam ich die Diagnose Diabetes Typ 3c. Nach 5 Jahren – 11 Bauchspeicheldrüsen Entzündungen und schwangerschaftsdiabetes 2024, hat meine Drüse nun fast aufgegeben.. Ich bin irgendwie froh diese Schmerzen nicht mehr zu haben, aber merke wie schwer der Alltag wird. denn hinzukommt noch dass ich alleinerziehend bin.
Aktuell komme ich überhaupt nicht klar mit der ganzen Situation, täglich habe ich hunderte Fragen die niemand beantworten kann. Dass ist mehr als verrückt.
Wie habt ihr euch gefühlt in dem Moment als es diagnostiziert wurde?Ich freue mich sehr auf einen netten Austausch und eure Erfahrung.
Liebe Grüße, schönen Abend
Nina 🙂-
wolfgang65 antwortete vor 3 Tagen, 20 Stunden
Willkommen Nina, …
da hast du ja sich schon einiges hinter Dir. Wie schaut es bei Dir mit Mutterkindkur aus, auch in hinblick einer Diabetesschulung. Hast du guten Diabetologen, Teilnahme DMP, Spritzt du selber oder Pumpe, auch hier gibt es viele Fragen. Wie sieht es mit Selbsthilfegruppen bei Euch aus. …
Oder Forum? Gerade am Anfang, wo noch alles neu ist, – ist es schon eine tägliche Herausforderung, – da kann es hilfreich sein kleine Ziele sich zu setzen. Dabei finde ich die Aktzeptanz am wichtigsten, oder auch sich selber spritzen zu müssen, oder das Weg
lassen bzw. bändigen des Naschen … etc. Kleine Schritte …Viele Fragen bekommst du auch in eine Diabetes-Schulung beantwortet,
falls noch nicht gemacht, spreche das bei Deinem Diabetologen an!Über weiteren Austausch bin ich auch erfreut, schildere ruhig deine Bausstellen, … doch letztendlich sollte Dein Arzt das beurteilen.
LG
Wolfgang
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suzana antwortete vor 13 Stunden, 53 Minuten
Hallo Nina! Auch von mir herzlich willkommen. Der Antwort von Wolfgang kann ich mich nur anschließen.
Auf jeden Fall eine Mutter Kind Kur beantragen mit Diabetes-Abteilung, dann kannst du dich auf dich Louis’s die Kinder sind versorgt und mit dir. Ich hoffe dass es sowas gibt.
Viel Kraft und Durchhaltevermögen!
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