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Diabetes kann an die Nieren gehen, aber Sie können etwas dagegen tun: vor allem zu Routine-Untersuchungen gehen! Typ-1-Diabetiker alle 5 Jahre, Typ-2-Diabetiker sofort nach Diagnose – und dann jährlich. Warum ist dies so?
Georg H. hat seit ca. 10 Jahren einen Typ-2-Diabetes, anfangs nur mit Ernährung, später auch mit Tabletten behandelt (Metformin). Übergewicht (140 kg) und Bluthochdruck (170/100 mmHg) sind schon länger bekannt.
Herr H. hat seinen Diabetes aber erst seit 5 Jahren wirklich ernst genommen – nachdem der Diabetologe zusätzlich zu einem beginnenden Nervenschaden an den Füßen auch Eiweiß im Urin festgestellt hatte: “Sie wollen doch wohl nicht an die Dialyse kommen.”
Jetzt ist der Blutdruck optimal eingestellt, Herr H. hat Gewicht abgenommen – und es ist kein Eiweiß im Urin mehr nachweisbar. Ein Fortschreiten der beginnenden Nierenerkrankung wurde rechtzeitig abgewendet – und nebenbei wurden die Blutdruck- und die Blutzuckereinstellung optimiert!
Gesunde Nieren sind für ein langes Leben ohne große Einschränkungen ausschlaggebend – umgekehrt sagt die Einschränkung der Nierenfunktion ein hohes Sterberisiko voraus. Deshalb ist ein vorbeugender Schutz dieser „Superfilter“ elementar wichtig.
Unsere Nieren sind entscheidend
Darüber hinaus bildet die Niere selbst Hormone:
Außerdem haben wir in den letzten Jahren gelernt, dass die Nieren bei der Regulation des Blutzuckers eine wichtige Rolle spielen: Sie bilden sogar Zucker selbst neu und sind an der Ausscheidung von überschüssigem Zucker über den Urin beteiligt.
Die Nierenschwäche (Niereninsuffizienz) ist eine häufige Diabetes-Folgeerkrankung – sie kann das Leben der Menschen mit Diabetes entscheidend negativ beeinflussen.
Die Nieren sind etwa 11 cm lang, 5 bis 7 cm breit und 2 bis 3 cm dick; sie wiegen je etwa 150 g. Sie sehen birnenförmig aus und liegen rechts und links der Wirbelsäule im Bereich der Flanken gut geschützt in einem Fettpolster.
Eine Niere besteht aus der Rinde, dem Mark und dem Becken, in dem sich schließlich der produzierte Urin sammelt. Die Nieren sind sehr gut durchblutet – etwa 1.500 l Blut fließen pro Tag hindurch. In den Nierenkörperchen (“Glomerula”) wird das Blut in Form des “Primär-Harns” gefiltert.
Von den Glomerula gibt es pro Niere etwa 1 Mio. Der hier gebildete Primär-Harn wird anschließend in mehreren Stufen aufgearbeitet – Tubulussystem, Harnkanälchen, Sammelrohre; das heißt, dass bereits ausgeschiedene Substanzen wieder zurück ins Blut aufgenommen oder aktiv ausgeschieden werden können. Am Ende bleibt nur noch ein von festen Stoffen und auch Zellen weitgehend freier Sekundär-Harn übrig – also nur das, was wir als Urin ausscheiden (ca. 1 bis 1,5 l pro Tag)!
Urin besteht zu 95 Prozent aus Wasser – darin gelöst sind etwa 25 g Harnstoff. Dieser stammt aus der Leber und ist ein Abbauprodukt des Eiweißstoffwechsels (z. B. Fleisch). Weiterhin sind Harnsäure und Kreatinin im Urin gelöst. Kreatinin stammt aus verzehrtem Fleisch und unserem Muskelstoffwechsel – zusätzlich sind u. a. in geringer Menge enthalten: Kochsalz, Phosphate, Oxalsäure und Zitronensäure.
Nach aktuellen Schätzungen entwickeln 40 bis 50 Prozent aller Patienten mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes im Laufe ihres Lebens einen diabetischen Nierenschaden (“diabetische Nephropathie”).
Der Hauptgrund für die (zum Glück langsam) fortschreitenden Schäden an den Nieren sind erhöhte Blutzuckerwerte und ein erhöhter Blutdruck – der sich bei Typ-2-Diabetikern oft zusammen mit Übergewicht und Fettstoffwechselstörungen entwickelt.
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Andererseits kann durch eine rechtzeitige Diagnose und eine intensivierte Therapie entscheidend der Beginn der Erkrankung beeinflusst werden! Und auch ein Fortschreiten der Erkrankung kann verhindert werden durch regelmäßige Bestimmungen des HbA1c, durch die Untersuchung des Urins auf Spuren von Eiweiß (“Mikroalbuminurie”) und durch regelmäßige Messungen des Blutdrucks.
Dies ist umso wichtiger, als die diabetische Nierenerkrankung einen starken Vorhersagewert für eine hohe Sterblichkeit besitzt. Der Diabetes ist bei rund 25 Prozent der chronisch Niereninsuffizienten die eigentliche Ursache – und es besteht zudem ein enger Zusammenhang mit dem Auftreten von Herzinfarkten.
Die Sterblichkeit von Typ-2-Diabetikern mit Nachweis von Eiweiß im Urin von mehr als 300 mg/Tag beträgt etwa 4,6 Prozent pro Jahr. Besteht gleichzeitig eine Niereninsuffizienz, liegt sie schon bei 19,2 Prozent! Erschreckenderweise kommen von 100 Diabetikern mit Nierenschaden nur etwa 2 in das Stadium einer dialysepflichtigen Nierenerkrankung – die übrigen Patienten sterben am Herzinfarkt, häufiger noch an einer Herzinsuffizienz (Herzschwäche).
Die Schädigung der kleinsten Blutgefäße wird direkt verursacht durch den erhöhten Blutzucker und durch eine Anhäufung von “Glukose-Eiweiß-Produkten” (AGEs: advanced glycation endproducts). Die Prognose wird verschlechtert durch eine familiäre Belastung (Eltern, Großeltern, Geschwister mit Nierenproblemen?) sowie durch die Diabetesdauer.
Weiter schädigend sind das Rauchen, die regelmäßige Einnahme von Schmerzmitteln, Rheumamitteln und manchmal auch die Verabreichung von Kontrastmitteln z. B. bei Gefäßuntersuchungen.
Als Folge dieser Schädigung findet man Spuren von Eiweiß im Urin (20 bis 200 mg/l bzw. 30 bis 300 mg/24 Stunden oder 20 bis 200 µg/Minute). In der Regel werden drei Urinproben untersucht im Abstand von 2 bis 4 Wochen, und zwar nach 6 bis 8 Stunden nächtlicher Ruhephase: Man nennt das den “ersten Morgenurin”.
Sind zwei von drei dieser Urinproben positiv, besteht der dringende Verdacht auf eine diabetische Nephropathie. Zusätzliche Blutuntersuchungen (z. B. Kreatinin) dienen der Abschätzung der verbliebenen Nieren-Filter-Funktion.
Falsch positive Werte auf Mikroalbumine ergeben sich bei
Typ-1-Diabetiker sollten ab 5 Jahren nach Diagnosestellung mindestens 1-mal jährlich bezüglich eines chronischen Nierenschadens gescreent werden – Typ-2-Diabetiker unmittelbar nach der Diagnosestellung und dann auch mindestens 1-mal jährlich.
Bei Typ-2-Diabetikern ist eine konsequente Behandlung von Begleiterkrankungen unbedingt erforderlich – wie Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und Übergewicht. Denn es gilt, ein Fortschreiten der Eiweißausscheidung zu vermeiden; diese “Proteinurie” ist ein eigenständiger Risikofaktor für eine weitere Verschlechterung der Nierenfunktion.
Die Therapie besteht im Wesentlichen in der Optimierung der Blutzuckereinstellung und einem möglichst normalen Blutdruck! Eine intensivierte Diabeteseinstellung führte auch in Studien zu einer deutlich späteren und geringeren Häufigkeit von diabetischen Nierenschäden.
Der HbA1c-Wert sollte bei 53 mmol/mol Hb (7 Prozent) liegen, wenn keine weiteren Diabetesfolgen (vor allem Gefäßschäden) vorliegen – ansonsten darf er auch etwas höher sein. Eine allzu strenge Blutzuckereinstellung hat sich entsprechend aktuellen Studien als eher schädlich herausgestellt.
Auch für die Blutdruckeinstellung gilt: gut, aber nicht zu niedrig – niedriger ist nicht immer besser! Ein Blutdruck von systolisch (oberer Wert) etwa < 140 mmHg und diastolisch (unterer Wert) < 90 mmHg ist anzustreben, unter Beachtung der individuellen Probleme des Patienten.
Nierenerkrankungen haben für Patienten mit Diabetes eine ihr weiteres Leben entscheidend beeinflussende Bedeutung – durch eine rechtzeitige Diagnose und konsequente Therapie könnte ein Fortschreiten oft verlangsamt, manchmal sogar verhindert werden.
Beugen Sie vor und nehmen Sie Vorsorgeuntersuchungen wahr (z. B. Mikroalbumintest, Blutdruckmessung, HbA1c etc)!
von Dr. Gerhard-W. Schmeisl
Internist/Angiologe/Diabetologe, Chefarzt Deegenbergklinik sowie Chefarzt Diabetologie Klinik Saale (DRV-Bund)
Kontakt:
Deegenbergklinik, Burgstraße 21, 97688 Bad Kissingen, Tel.: 09 71/8 21-0
sowie Klinik Saale, Pfaffstraße 10, 97688 Bad Kissingen, Tel.: 09 71/8 5-01
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2014; 63 (5) Seite 32-35
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