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Eine Insulinpumpentherapie kann Lebensqualität und Stoffwechseleinstellung verbessern. Aber sie ist nicht in jeder Lebenssituation die richtige und unbedenkliche Diabetestherapie.
Einer der Gründe für eine Insulinpumpenbehandlung: Oft gelingt es bei Patienten mit einer intensivierten Insulintherapie (ICT) auch mit modernen analogen Verzögerungsinsulinen nicht wie gewünscht, die von Nahrung unabhängige Blutzuckerregulation (den basalen Insulinbedarf) gut zu steuern. Und trotz moderner Insuline müssen im Tagesablauf immer wieder Phasen mit zu starker Insulinwirkung oder Zeiträume mit zu wenig Insulinwirkung akzeptiert werden. Mit der 2-maligen Gabe eines Verzögerungsinsulins kann oft kein besserer, auf die individuelle Tagessituation passender Insulinwirkspiegel erreicht werden.
Die Insulinpumpe ermöglicht hingegen die basale Insulinversorgung – unabhängig von der Frage der Wirkdauer eines Verzögerungsinsulins. Die Pumpe arbeitet ausschließlich mit kurzwirksamem Insulin; die jeweils pro halbe oder ganze Stunde erforderliche Insulinmenge kann individuell zugeschnitten werden – und entsprechend in kleinen Schritten für diese Zeit dann auch so abgegeben werden: Für jede Zeiteinheit kann die individuell erforderliche Insulinmenge als Basalrate programmiert werden.
Die Verwendung kurzwirksamen Normal- oder kurzwirksamen Analoginsulins in der Pumpe führt zudem zu wesentlich weniger Schwankungen in der Insulinaufnahme von der Spritzstelle ins Blut im Vergleich zur ICT – die Pumpenbehandlung führt zu besser planbaren Blutzucker- oder Gewebezuckerverläufen.
Bezüglich der mahlzeitenabhängigen Insulingabe müssen bei beiden Therapieformen die erforderlichen Insulinboli jeweils vor den (Haupt-)Mahlzeiten anhand der Glukosewerte berechnet werden; diese werden in der Pumpe eingestellt und abgegeben – bei der ICT erfolgt dies eben mit einem Insulinpen. Der entscheidende Vorteil der Insulinpumpentherapie ist eine optimierte Versorgung des Organismus auch unter schwierigen Bedingungen.
Praktischer Vorteil der Pumpentherapie im Alltag: Zur Bolusgabe muss nicht mehr ein Pen aus der Tasche geholt und die Insulindosis eingestellt werden – es genügt, aus den geplanten Kohlenhydraten und dem aktuellen Glukosewert den erforderlichen Mahlzeitenbolus zu berechnen und abzugeben.
Die Versorgung mit Insulin erfolgt bei einer Insulinpumpentherapie über eine Teflon- oder eine Stahlkanüle, die im Fettgewebe unter der Haut (subkutan) liegt; bei der Mehrzahl der Pumpen verbindet ein Katheter Pumpe und Kanüle, aber es gibt auch Pumpen ohne Katheter. Pumpe bzw. Insulinreservoir und Katheter müssen vor Verwendung mit Insulin gefüllt werden – hier müssen bestimmte Schritte (siehe unten) eingehalten werden, für die eine hohe Konzentration nötig ist. Dies unterstreicht, dass es sich bei der Insulinpumpenbehandlung um ein komplexes Behandlungskonzept mit teils hohen Ansprüchen an den Patienten selbst handelt.
Pumpe bzw. Insulinreservoir und Katheter müssen vor Verwendung mit Insulin gefüllt werden, in bestimmten Schritten.
Angesichts der genannten Vorteile der Insulinpumpentherapie: Gibt es Situationen bzw. Entwicklungen im Leben von Menschen mit Diabetes, die möglicherweise besser zu handhaben sind ohne den weiteren Einsatz einer Insulinpumpe? In dem Zusammenhang noch einmal zu den Anforderungen für eine Insulinpumpenbehandlung: Um eine Pumpenbehandlung überhaupt durchführen zu können, müssen zunächst Reservoir und Katheter mit Insulin gefüllt werden; dies ist bei manchen Pumpen sehr einfach, bei anderen Pumpen sehr komplex.
Die Einzelschritte der Neufüllung einer Insulinpumpe mit Insulin müssen beherrscht und ohne viele Überlegungen durchgeführt werden können. Ist dies nicht gewährleistet, kann durch mangelnde Insulinzufuhr in Folge zu vieler Luftblasen im Reservoir oder Kathetersystem eine Blutzuckerentgleisung resultieren, die den Patienten in Gefahr bringen kann.
Man muss also die einzelnen Schritte der Pumpenvorbereitung kennen – und es muss sichergestellt sein, dass Luftblasen im Kathetersystem auch gesehen werden können: Sollte die Sehkraft des Betroffenen dafür nicht mehr ausreichen, können ggf. Angehörige einbezogen werden. Es muss dann sichergestellt sein, dass bei jeder Pumpenfüllung ein entsprechend unterrichteter Angehöriger dem Betroffenen dabei zur Seite steht.
Reichen die mentalen Fähigkeiten?
Für jede Mahlzeit muss bei der Pumpenbehandlung der Blutzucker gemessen werden, um die erforderliche Korrekturdosis an Insulin bei erhöhten Werten korrekt zu ermitteln; denn der Gesamtbolus errechnet sich aus diesem Korrekturanteil und aus dem geplanten Verzehr von Kohlenhydraten, ggf. auch von Fett und Eiweiß. Wenn dies aufgrund der mentalen Situation des Patienten nicht mehr sichergestellt ist, wird eine Insulinpumpentherapie auch keine besseren Blutzuckerergebnisse als eine (vergleichbar schlecht durchgeführte) ICT liefern können.
Andererseits führt die sehr einfache Art der Bolusgabe an der Pumpe dazu, dass auch mal ein Insulinbolus zusätzlich abgegeben wird, ohne dass er mit der erforderlichen Sorgfalt berechnet wurde. Ein weiterer Grund, darüber nachzudenken, ob eine weitere Versorgung mit einer Insulinpumpe überhaupt noch sicher und möglich ist: wenn sich die geistigen Fähigkeiten eines Menschen verschlechtern und er sich dadurch gefährdet, dass Mahlzeitenboli womöglich zu früh, doppelt oder völlig ohne Bezug zu einer Mahlzeit abgegeben werden.
Hier würde der vermeintliche Vorteil der Pumpenbehandlung gar ins Gegenteil verkehrt – und es käme vermehrt zu Unterzuckerungen! Andererseits bietet die Pumpe die Möglichkeit, den Zeitpunkt der letzten Bolusabgabe innerhalb der Pumpe zu überprüfen, was wiederum eher einen Sicherheitsaspekt darstellt.
Können unter den verschiedenen Alltagsbedingungen die Inhalte des Displays sicher gelesen und aus den Angaben auch Konsequenzen gezogen werden? Ergänzend dazu muss im Auge behalten werden, ob der Betroffene noch in der Lage ist, die Kohlenhydratmengen richtig abzuschätzen – und hieraus zusammen mit dem Korrekturfaktor die richtige Insulindosis zu berechnen und auch in die Pumpe einzuprogrammieren. Wenn nur einer der Punkte nicht erfüllt ist, ist die Insulinpumpentherapie in Frage gestellt.
Auch die Frage der Programmierung einer Basalrate ist ein Punkt, der idealerweise vom Betroffenen selbst umgesetzt werden kann. Wenn dies nicht mit Sicherheit möglich ist, dann sollte durch eine möglichst umfassende Betreuung sichergestellt sein, dass von einem erfahrenen Anwender, z. B. einem Angehörigen, die ggf. erforderlichen Änderungen der Basalrate einprogammiert werden können.
Mitarbeiter von Sozialstationen sind in der Regel unsicher in der Anwendung einer Insulinpumpe – und aus juristischen Gründen auch eher unsicher in der Frage einer sehr variablen Insulinbehandlung ihrer Patienten. Diese wäre ja dann durch die Sozialstation entscheidend mit durchzuführen – anhand eines ärztlicherseits vorgegebenen Korrekturschemas. Ob diese Bolusberechnungssituation, wie sie natürlich auch bei einer ICT vorliegt, vom Betroffenen selbst in den Bereich der betreuenden Pflege delegiert werden kann, müsste ergänzend juristisch beurteilt werden.
Aufgrund ihrer hohen Variationsfähigkeit ermöglicht die Insulinpumpenbehandlung dem selbstständigen Menschen mit Diabetes eine deutliche Verbesserung der Einstellungsqualität – und ebenso eine Vereinfachung mancher Prozeduren der Diabetesbehandlung. Das ist aber nur möglich, wenn das System aus Pumpe und Katheter (womöglich zusätzlich mit Sensor zur kontinuierlichen Glukosemessung) jeweils möglichst gut präpariert und optimal mit Daten gefüttert wird.
Ist dies aufgrund von Einschränkungen im Alter nicht mehr möglich, wird manche Vereinfachung, die die Insulinpumpentherapie mit sich bringt, eher zu einer Gefahr! Die Therapie könnte schlechter überprüfbar und auch unbeabsichtigt manipulierbar werden. Der erhöhte Einsatz technischer Hilfsmittel bei der Pumpenbehandlung lässt natürlich das Risiko einer Fehlbedienung dieses technischen Hilfsmittels steigen, was wiederum eine geringere Sicherheit der Behandlungsform mit sich bringt.
Die Frage, ob es sinnvoll sein kann, eine Insulinpumpenbehandlung wieder aufzugeben, muss also eindeutig mit Ja beantwortet werden, wenn durch die Pumpenbehandlung die grundsätzliche Insulinversorgung nicht mehr sichergestellt ist oder wenn durch nicht sachgerechte Bedienung der Pumpe eine zusätzliche Gefährdung des Pumpenträgers auftreten könnte. Vielleicht wäre auch der Einsatz einer Checkliste mit Anforderungen an die Pumpentherapie und die Frage ihrer Umsetzung hilfreich (Checkliste siehe: bit.ly/2vtrAMC).
Insulinpumpentherapie weiterführen oder beenden? Die Frage kann nur beantwortet werden in der gemeinsamen Diskussion zwischen dem Betroffenen selbst, ggf. mit Angehörigen, und dem diabetologischen Behandlungsteam. Womöglich ist es sinnvoll, noch einen Probelauf zu vereinbaren – nach dessen Durchführung die Frage sicher besser beurteilt werden kann, ob die Pumpentherapie noch weitergeführt werden sollte.
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2018; 67 (9) Seite 20-23
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