Wie übertrieben ist mein „Hypo“-Horror?

4 Minuten

Community-Beitrag
Wie übertrieben ist mein „Hypo“-Horror?

Ich habe im Alltag keine Angst vor Hypoglykämien („Hypos“). Das heißt, meine Gedanken drehen sich bei Blut- bzw. Gewebezuckerwerten im Zielbereich nicht die ganze Zeit darum, dass der Zuckerwert jetzt sinken könnte. Und ich – im schlimmsten Falle – bewusstlos werden könnte oder anderweitig auf Fremdhilfe angewiesen wäre. Eigentlich mache ich mir auch keine Sorgen, eine Hypoglykämie nicht oder erst spät zu merken. Beim Korrigieren von (zu) hohen Blutzuckerwerten mache ich mir keinen allzu großen Kopf, dass darauf eine „Hypo“ folgen könnte. Was – ganz nebenbei – im Idealfall ja auch gar nicht passieren sollte. Zuckerwerte unter 60 mg/dl (3,3 mmol/l) sind für mich unangenehm, sie nerven und kommen im Zweifel immer zur falschen Zeit. Aber sie machen mir keine Angst. Nicht im Alltag.

Und dann kommt der „Hypo“-Horror doch

Dank meiner ausgeprägten Fantasie gibt es aber immer wieder Momente, in denen mich ein „Hypo“-Horror ereilt. Sobald ich mir Situationen vorstelle, die eventuell, vielleicht und unter Umständen möglicherweise nun doch eintreten könnten. Und die sehen so aus:

  1. Ich muss (weg)laufen und kann nicht

Eine meiner häufigsten (überflüssigen) Gedankenspielereien ist diese: Ich muss unbedingt irgendwohin, hinter irgendwem her oder gar vor etwas weglaufen und eine Hypoglykämie macht mir einen Strich durch die Rechnung.

Erschöpft nicht weiterlaufen können
Quelle: Katharina Weirauch

Wie gesagt, das sind keine Alltagssituationen, mit denen ich mich da beschäftige. Aber wenn ich zum Beispiel mit der Bahn unterwegs bin und meine Umsteigezeit am nächsten Bahnhof – den typischen Verspätungen sei Dank – superknapp ist, kommen diese Gedanken. Ich werde mich beeilen müssen. Aber was, wenn mein Blutzucker bis dahin (noch weiter) sinkt? Zwar habe ich heutzutage die Trendpfeile meines rtCGMs, aber die helfen bei dem irrationalen Gedankenkarussell nicht.

Am schlimmsten ist es aber, wenn ich darüber nachdenke, was wäre, wenn ich mal in eine Gefahrensituation käme, zu dem Zeitpunkt unterzuckert wäre und mit einem Sprint forcieren würde, dass ich vielleicht zwar 50 Meter weitergekommen wäre, dort dann aber umfiele?

Könnte man im Leben vielleicht einen Pause-Knopf für „Hypos“ einbinden?

Play/Pause - Knöpfe
Quelle: Katharina Weirauch
  1. Die Magen-Darm-Infekt-Angst

Wenn ich einen Magen-Darm-Infekt habe, bin ich nervlich am Ende. So wie die meisten Menschen war ich noch nie der größte Fan davon, keine Nahrung bei mir behalten zu können. Aber seitdem ich einmal mit einer Unterzuckerung in das „Alles aussteigen“-Spielchen gestartet bin, bin ich bei jedem Bauchkneifen sofort komplett verzweifelt. Ich bekomme augenblicklich Kreislaufprobleme, die vielleicht einfach der Panik geschuldet sind, die die Situation aber auch nicht gerade entschärfen. Und wenn es sich dann tatsächlich als mehr als ein kleines Kneifen entpuppt, liege ich nur noch auf dem Badezimmerboden. Selbst wenn während der ganzen Sache mein Blutzucker bei >180 mg/dl (10,0 mmol/l) liegt, denke ich die ganze Zeit nur: „ICH DARF AUF GAR KEINEN FALL UNTERZUCKERN!“

  1. Ich kann oder darf nichts essen

Noch relativ harmlos ist die Sorge vor einem bzw. während eines Basalratentests. Da nervt es ja einfach nur, wenn das Prozedere abgebrochen werden muss.

Vor einem Zahnarzttermin, wenn man die Zähnchen schon blitzeblank geputzt hat, ist es ebenfalls ungünstig, aber auch die Situation ist lösbar. Wenn es aber nach dem Termin heißt, man solle einige Stunden nichts essen und nur Wasser trinken, werde ich schon deutlich hektischer. Für wen halten die mich? Miss „Ich habe meinen Diabetes voll im Griff und werde zu 100% nicht unterzuckert sein – komme was wolle!“?

Essen verboten-Schild
Quelle: Katharina Weirauch

Ähnliche Bedenken habe ich, wenn ich beispielsweise beim MRT bin und für längere Zeit nicht selbst handeln (oder überhaupt erst einmal den Blutzucker checken) könnte. Gegebenenfalls würde ich natürlich das rote Notfall-Knöpfchen drücken, aber meine persönliche Hürde, dass ich die „Hypo“-Symptome mit Nervosität verwechselt hätte, wäre doch recht groß.

  1. Ich habe keine „Hypo“-Helfer (mehr)

Apropos eingebildete Hypoglykämie-Symptome. Kennt ihr das, wenn euch in dem Moment, wo ihr merkt, dass ihr keinen Traubenzucker o.ä. dabeihabt, sofort schwummerig wird und beim Blick auf den Zuckerwert alles normal ist? So geht es mir manchmal, wenn ich nur kurz etwas einkaufen gehe und dabei den Traubenzucker aus Versehen zu Hause oder im Auto lasse. Eine selbstverschuldete Situation, die mich dennoch manchmal kalt erwischt.

Alternativ gibt es aber auch diese Tage, an denen der Diabetes mal wieder macht, was er will, und trotz eigentlich ausreichenden Süßigkeiten-Vorrats hat man auf einmal keine „Hypo“-Helfer mehr dabei. Und im Zweifel ist genau dann auch nirgends Hilfe in Form eines Kiosks in Sicht. Also nächstes Mal noch mehr Notfall-Traubenzucker einpacken?

Kopf- und Bauchspeicheldrüsenkino vereint

Rational betrachtet sind diese Hirngespinste weitestgehend überflüssig, ich weiß. Wie gesagt, meine Fantasie spielt da gerne mit – und den Teil mit der gefürchteten Geiselnahme im Supermarkt habe ich nicht mal erwähnt. Aber habt ihr auch so Horror-Vorstellungen von „Was wäre, wenn…“?


Wie sich eine Hypoglykämie bei Katharina äußert, hat sie in dem Beitrag Das ABC meiner #Hypo-Symptome beschrieben.

Ähnliche Beiträge

Studie: Bei Angst, Stress und Frust essen Heranwachsende mehr Ungesundes

Eine aktuelle Untersuchung hat ermittelt, wie emotionale Zustände die Ernährungsgewohnheiten von Kindern und Jugendlichen beeinflussen. Dabei zeigte sich, dass Heranwachsende als Reaktion auf negative Emotionen wie Angst, Stress und Frust mehr Süßes und Fettes essen.
Studie Bei Stress und Frust essen Heranwachsende mehr Ungesundes

2 Minuten

Körper und Seele ganzheitlich betrachten: Diabetes und Depression begünstigen sich gegenseitig

Menschen, die sich hilflos und antriebslos fühlen, haben mehr Schwierigkeiten in der Diabetes-Therapie. Mit den Glukosewerten steigt nicht nur das Risiko für eine Depression, sondern auch das Sterberisiko. Menschen mit Diabetes in schwierigen Lebenssituationen sind daher eine Hochrisikogruppe, die mehr Aufmerksamkeit benötigt.
Körper und Seele ganzheitlich betrachten: Diabetes und Depression begünstigen sich gegenseitig

4 Minuten

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Werde Teil unserer Community

Community-Frage

Mit wem redest du über deinen Diabetes?

Die Antworten auf die Community-Frage werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Bitte achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Push-Benachrichtigungen

notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert
notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert