Ziele für Kinder und Jugendliche

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Ziele für Kinder und Jugendliche

Regelmäßig treffen sich in der Kinderklinik Jugendliche, die eine Insulinpumpe tragen. Beim letzten Treffen kam ein interessantes Thema auf: Wie ist das eigentlich mit den Zielwerten für den HbA1c-Wert, den Blutdruck, die Blutfette? Gibt es für Kinder und Jugendliche andere Zielwerte als für Erwachsene? Im Gespräch untereinander und mit der Diabetesberaterin erfahren Paula, Ella, Sarah, Tom und Peter alles, was sie darüber wissen müssen.

In der Behandlung des Diabetes geht es auch immer um Werte, um Zahlen, um Ziele. Dabei den Überblick zu behalten, ist gar nicht so leicht.

Wie es gelingen kann, zeigen die Beispiele von Frau W. und Herrn M., die gemeinsam mit ihrer Diabetologin/ihrem Diabetologen besprechen, welche Werte sie anstreben sollten und was sonst noch wichtig ist rund um den Diabetes. Denn Werte und Ziele sind das eine; nicht davon zu trennen ist aber die individuelle Situation, in der sich ein Mensch mit Diabetes gerade befindet.

Was sich hinter den nackten Zahlen verbirgt, dazu gibt Ihnen unsere Übersicht über die wichtigsten Gesundheitswerte im Rahmen einer Diabetestherapie einen detaillierten Überblick.

Welche Werte bei Kindern und Jugendlichen mit Diabetes eine spezielle Rolle spielen, erfahren Sie hier in diesem Beitrag von Prof. Thomas Danne.

Paula, Ella, Sarah, Tom und Peter sind im besten Teenager-Alter und haben sich in der Diabetesambulanz im Kinderkrankenhaus kennengelernt. Neulich, bei unserem letzten Treffen für Jugendliche mit einer Insulinpumpe, ging es plötzlich los: Jeder wusste, wie es ist, wenn in der Diabetessprechstunde die Rede ist von Zielen bis zum nächsten Termin. Plötzlich kam Leben in die zunächst zurückhaltenden Jugendlichen. Für die fünf war es sehr wichtig, sich untereinander über ihre eigenen Erfahrungen zum Thema “Zielwerte” auszutauschen.

HbA1c-Ziele: höher für Kinder und Jugendliche

Ella hatte von der Kampagne Gesünder unter 7 gehört. Gesünder unter 7 bedeutet, dass man als Erwachsener einen HbA1c-Wert von unter 7 Prozent haben sollte, und zwar als Schutz vor Folgeerkrankungen. Tom hatte etwas von einem Wert unter 53 gehört. “Das ist doch das Gleiche”, meinte Sarah. Der Blutzucker-Langzeitwert wurde früher in Prozent angegeben, heute in Millimol pro Mol. Da viele Menschen mit Diabetes aber mit der Prozentangabe vertraut sind, wird diese noch eine Zeit lang parallel verwendet.

Beim Blutzucker ist das genauso: Ein HbA1c von 7,0 Prozent entspricht einem mittleren Blutzucker von 154 mg/dl. Für Menschen mit Diabetes, die in Millimol pro Liter rechnen, wäre das eine Blutglukose von 8,6 mmol/l. “Für uns gilt dieser Erwachsenen-Zielwert beim HbA1c nicht”, sagte Peter. Er hatte sich die neuen Leitlinien der Kinderdiabetologen heruntergeladen (www.diabetes-kinder.de), nachdem er im Diabetes-Eltern-Journal darüber gelesen hatte. In den Leitlinien steht, dass die Leitliniengruppe für Kinder und Jugendliche einen Wert von unter 7,5 Prozent (58 mmol/mol) als Ziel definiert hat.

Zielwerte werden individuell angepasst

Allerdings steht in den Leitlinien auch, dass ein HbA1c-Schwellenwert, unterhalb dem kein Risiko für Folgeerkrankungen besteht, nicht existiert, bemerkte Paula. “Zur Vermeidung mikro- und makrovaskulärer Folgekomplikationen sind deshalb möglichst niedrige (normoglykämienahe) HbA1c-Werte erforderlich”, las sie der Runde vor. “Jedes Kind und jeder Jugendliche mit Diabetes sollte demzufolge den ihm möglichen, niedrigsten, normnahen HbA1c-Wert dauerhaft erreichen”, führte Paula weiter aus.

Jetzt fiel ihr Sarah ins Wort: “Hypoglykämien sollen bei einem niedrigen HbA1c-Wert jedoch nicht auftreten. Also müssen wir gemeinsam mit unserem Diabetes-Team immer wieder abwägen, was bei uns im Moment möglich ist.” In der Leitlinie steht: “Das individuelle Therapieziel ist ein Kompromiss zwischen der Notwendigkeit, Kinder und Jugendliche vor schweren Hypoglykämien zu schützen, und der Verhinderung oder Verzögerung von Folgeerkrankungen. Das Therapieziel ist gemeinsam mit dem Patienten und seinen Eltern festzulegen.”

Peter erzählte, dass sein HbA1c-Wert im Moment deutlich höher liegt. Er hatte im Januar nach einer Party am Morgen eine schwere Unterzuckerung mit einem Krampfanfall und war mit dem Rettungswagen in die Klinik gekommen. “Mit meinem Diabetes-Arzt habe ich besprochen, dass wir die Diabetestherapie erst einmal in kleinen Schritten ändern wollen, weil sich meine Eltern gerade getrennt haben und ich sowieso sehr viel Stress habe.”

Was sind Perzentilen?

Auf Peters Arztbrief stand hinter seiner Größe in Klammern: 50. Perz. Was das bedeutet, konnte ihm die Diabetesberaterin erklären: Die Besonderheiten des Kindesalters bei den Zielwerten sind vor allem bei Größe und Gewicht augenfällig. So wäre ein Mädchen mit 90 Zentimetern im Alter von einem Jahr riesengroß, aber mit fünf Jahren kleinwüchsig.

Die Kinderärzte benutzen daher für viele altersabhängige Werte wie Gewicht, Länge, Blutdruck, aber auch Blutfettwerte, Perzentilen. Ein Perzentil ist eine Art Maßeinheit dafür, wo ein Kind im Vergleich zu anderen Kindern steht. Ein Beispiel: Liegt die Körpergröße eines 12 Jahre alten Jungen auf dem 90. Perzentil, bedeutet dies, dass 10 Prozent der Kinder seines Alters und Geschlechts größer sind und 90 Prozent kleiner.

Das Geschlecht spielt eine Rolle, weil Mädchen im Mittel früher in die Pubertät kommen und daher zunächst größer sind als Jungen. Bei ihnen hört das Längenwachstum aber früher auf, so dass bei Jungen die mittlere Endgröße im Erwachsenenalter höher ist.

Dabei kommt es darauf an, dass man sich im Kindesalter meistens entlang “seines Perzentils” entwickelt. Das heißt, es kann für einen Kinderarzt besorgniserregend sein, wenn ein Kind mit zwei Jahren eine Körperlänge auf dem 90. Perzentil hatte, mit fünf Jahren aber nur noch auf dem 10. Perzentil liegt, obwohl üblicherweise der Bereich vom 3. Perzentil bis zum 97. Perzentil als “normal” gilt.

Was ist mit dem Blutdruck?

Auch der Zielwert des Blutdrucks wird nach Perzentilen beurteilt. Hier spielen Körperlänge und Geschlecht eine größere Rolle als das Alter. Nimmt man das 95. Perzentil als Defintion eines zu hohen Blutdrucks (dafür wird der Blutdruck mehrfach gemessen), so beträgt dieser Wert bei einem 120 Zentimeter großen Jungen 120/73 mmHg, während ein Junge mit 175 Zentimeter Körperlänge einen Grenzwert zum Bluthochdruck hat, der dem Erwachsenengrenzwert von 135/80 mmgHg ziemlich entspricht.

Zur Behandlung von hohem Blutdruck werden häufig niedrigere Werte angestrebt als der Grenzwert, wenn ein solcher niedrigerer Wert mit einer besseren Prognose verbunden ist.

Und wie ist das mit den Blutfetten?

Der Runde brummte jetzt schon der Kopf vor so viel Mathematik mit den Zielwerten in der Kinderdiabetologie. “Jetzt möchte ich aber auch noch wissen, was mit den Fettwerten ist, die einmal im Jahr aus der Vene bestimmt werden”, sagte Sarah.

Die Erklärung: Ein Risikofaktor dafür, dass Veränderungen am Augenhintergrund als Diabetes-Folge auftreten, ist neben der Stoffwechseleinstellung (HbA1c-Wert) und erhöhtem Blutdruck auch ein erhöhter Cholesterinspiegel. Hier sind sich die Fachleute nicht ganz einig, ab welchem LDL-Cholesterin-Wert eine Behandlung mit fettreduzierter Diät und eventuell einem cholesterinsenkenden Medikament begonnen werden sollte.

Der Grenzwert für eine Behandlung wird in der deutschen Kinderdiabetesleitlinie mit einem Behandlungsbeginn ab wiederholt erhöhten Werten über 160 mg/dl angegeben. Die internationale Kinderdiabetesgesellschaft ISPAD empfiehlt, eine medikamentöse Behandlung bereits bei LDL-Cholesterin-Werten ab 130 mg/dl anzufangen, wenn zusätzliche Risikofaktoren vorliegen wie familiäre Belastung mit frühen Gefäßerkrankungen,Bluthochdruck, Rauchen oder andere Hinweise auf Diabetes-Folgeerkrankungen. Das zeigt, dass die Zielwerte immer wieder an Erfahrungen und neue Studienergebnisse angepasst werden müssen.

Das Fazit der Jugendlichen am Ende des Treffens: Die Ziele für gute Blutzuckerwerte und einen guten HbA1c-Wert muss jeder individuell mit seinem Diabetesteam besprechen. Trotzdem gilt natürlich für alle: Häufiges Blutzuckermessen und häufige Insulingaben sind nötig, um das Ziel eines langen, guten Lebens mit Diabetes zu erreichen.


von Prof. Dr. med Thomas Danne
Chefarzt Diabetologie, Endokrinologie und Allgemeine Pädiatrie,
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin “Auf der Bult” ,
Janusz-Korczak-Allee 12, 30173 Hannover,
E-Mail: danne@hka.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2016; 65 (7) Seite 26-29

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