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… fertig, los! Viele Menschen mit Diabetes wollen und sollen sich mehr bewegen – aber das ist oft nicht so einfach. Hier kommen drei Beispiele, die Mut machen, und viele Tipps für den Start in ein bewegteres Leben.
Mehr als 50 Prozent der Menschen mit Diabetes sind über 65 Jahre alt. Zu den Grundpfeilern der Diabetestherapie gehören gesunde Ernährung und Bewegung. Aber wie soll ich mit Sport anfangen? Wie viel und wie lange soll ich mich bewegen? Kann ich das in meinem Alter überhaupt noch? Solche und ähnliche Gedanken gehen vielen Menschen durch den Kopf, wenn sie sich seit langem nur noch wenig bewegt und seit vielen Jahren keinen Sport mehr getrieben haben und dann die Diagnose Diabetes erhalten.
Auch Susanne, Simon und Wolfgang ging es so. Nachdem sie die Diagnose Typ-2-Diabetes erhalten hatten, wollten sie selbst etwas tun, um die Erkrankung in den Griff zu bekommen. Was half ihnen, in die Bewegung einzusteigen? Darauf geben die drei unterschiedliche Antworten:
Susanne: Ich wollte schon immer einen eigenen Hund haben.
Wolfgang: Bei mir wurde nicht nur Diabetes festgestellt, sondern auch Bluthochdruck. Ich wollte möglichst wenige Medikamente einnehmen müssen.
Simon: Ich war unzufrieden mit meinem Körper und wollte abnehmen. Durch einen neuen Job ergab sich endlich einmal die Möglichkeit, Sport in meinen Tagesablauf einzubauen.
Bei Menschen mit einem Typ-2-Diabetes liegen häufig auch Begleiterkrankungen vor (z. B. Bluthochdruck), außerdem bestehen bei bis zu 50 Prozent der Menschen mit neu diagnostiziertem Diabetes bereits Veränderungen an den Herzkranzgefäßen oder andere Folgeerkrankungen. Daher sollten vor dem Trainingsstart eine hausärztliche Untersuchung (Belastungs-EKG, körperliche Untersuchung, Laborwerte, Blutdruck) und eine augenärztliche Kontrolle erfolgen, um entsprechende Probleme zu erkennen und zu behandeln.
Welche Sportart/en machen Sie?
Ausdauer- und Krafttraining (Milon-Zirkel) im Fitnessstudio, Rudern (Gerät), Wandern.
Warum diese Sportarten?
Ich habe nur einen festen Zeitraum zwischen meinen Terminen, an dem ich Zeit habe, daher muss ich alleine trainieren, mein Programm entspricht einem Ganzkörpertraining.
Wie häufig und wie lange treiben Sie Sport?
3- bis 5-mal/Woche, jeweils ca. 1 Stunde. Wandern: sonntags ca. 12 Kilometer.
Was hat Ihnen am Anfang geholfen?
Mein neuer Job. In meinem alten hatte ich keine Chance, Sport zu treiben. Außerdem hatte ich in kurzer Zeit Erfolgserlebnisse, die mich motiviert haben.
Was hilft Ihnen, weiter regelmäßig Sport zu treiben?
Der gute HbA1c-Wert. Und obwohl ich nicht mehr so schnell abnehme, merke ich weiterhin, dass sich meine Figur ändert. Meine Hosengröße hat sich kontinuierlich verkleinert.
Wenn Sie selbst zu denjenigen gehören, die sich mehr bewegen möchten, sollten Sie als Erstes versuchen, die Bewegung im Alltag zu erhöhen: Treppe statt Aufzug, das Auto weiter weg parken, eine Bushaltestelle früher aussteigen. Ein Büroangestellter legt täglich im Schnitt nur etwa 1.500 Schritte zurück.
1.000 Schritte mehr pro Tag senken das Risiko, ein Metabolisches Syndrom (Kombination aus vermehrtem Bauchfett, Bluthochdruck, veränderten Blutfettwerten und Insulinresistenz, tödliches Quartett) zu bekommen, um 10 Prozent. Ab 2.000 Schritten mehr pro Tag verringert sich das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und für Komplikationen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall bereits deutlich.
Um zu beobachten, wie viele Schritte Sie selbst im Alltag zurücklegen, können Sie sich für wenig Geld einen Schrittzähler kaufen. Auch viele Handys haben entsprechende Funktionen.
Susanne und Wolfgang tragen beide eine Fitness-Uhr, die nicht nur die Schrittzahl dokumentiert, sondern je nach Modell auch Aufschlüsse über den Herzschlag liefern kann.
Wolfgang: Gerade am Anfang half mir mein Fitness-Armband besonders. Ich konnte sehen, wie sich mein Ruhe-Herzschlag und damit mein Fitness-Zustand stetig verbessert haben.
Susanne: Am Anfang konnte ich mit dem Welpen nur kurze Strecken gehen. Langsam konnte ich dann den Bewegungsumfang steigern, und mittlerweile gehe ich ca. 15.000 Schritte pro Tag.
15.000 Schritte pro Tag sind ein toller Erfolg, der ihr nicht nur bei der Gewichtsabnahme hilft. 10.000 Schritte pro Tag verbrennen im Durchschnitt etwa 300 Kilokalorien und führen gleichzeitig zu mehr Fitness und einer besseren Beweglichkeit.
Wichtig ist, dass man es wie Susanne macht und die Bewegung nur langsam steigert. Gerade wenn Sie sich zuletzt wenig bewegt haben, sollten Sie das Training langsam, aber regelmäßig beginnen. Anfangs reichen täglich 5 bis 10 Minuten Training. Sie können den Belastungsumfang wöchentlich um eine Minute steigern. Bereits nach 2 bis 3 Wochen Training können Sie erste positive Effekte auf den Körper beobachten. Solche Trainingseinheiten können aus Treppensteigen, Spaziergängen oder dem Benutzen eines Heimtrainers bestehen.
Es gibt sehr viele Möglichkeiten, wichtig ist dabei nur: Sie müssen es regelmäßig tun.Sie können sich auch interessante Anregungen im Internet holen, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bietet eine informative Internetseite und ein tolles kostenloses Übungsprogramm für Bewegungseinsteiger: Die “Bewegungspackung” bringt mit 25 Übungskarten ganz leicht zusätzliche Bewegung in den Alltag.
Welche Sportart/en machen Sie?
Fitness (Kardio- und Muskeltraining), Radfahren, Wandern und Golf.Warum diese Sportarten?Fitness für den allgemeinen Zustand, Radfahren und Wandern aus Spaß an der Natur, Golf zur Entspannung.
Wie häufig und wie lange treiben Sie Sport?
Fitness ca. 1,5 Stunden, Radfahren 1 bis 4 Stunden, Wandern mehrere Stunden, Golf je nach Runde 1,5 bis 4 Stunden. Je nach Jahreszeit und Wetter ist das Ziel, fünfmal pro Woche Sport zu machen. Im Winter mehr Fitness, im Sommer mehr draußen.
Was hat Ihnen am Anfang geholfen?
Der Wille, von den Medikamenten wieder wegzukommen und in der Kombination mit der Ernährungsänderung den Gesundheitszustand zu verbessern. Dazu die Unterstützung durch ein Fitness-Armband.
Was hilft Ihnen, weiter regelmäßig Sport zu treiben?
Ehrgeiz und die erreichten Erfolge.
Am Anfang sind einfach zu erlernende Ausdauersportarten wie (Nordic) Walking, Wandern, Schwimmen oder Radfahren besonders günstig. Gerade ein Wechsel unterschiedlicher Belastungsstufen (Intervalltraining) führt zu den größten Trainingseffekten. Das heißt, man baut in sein Trainingsprogramm kurze intensive Steigerungen (z. B. Hügel hochwandern, Schri
ttfrequenz kurz erhöhen) ein, die den Herzschlag besonders beschleunigen. Man darf hierbei ruhig ein bisschen ins Schwitzen geraten.
Zusätzlich ist ein Krafttraining für die großen Muskelgruppen sinnvoll: Durch einen höheren Muskelanteil erhöht sich der Grundumsatz (also der Kalorienverbrauch in Ruhe), außerdem verbessert sich durch mehr Muskelmasse die Insulinempfindlichkeit.
Susanne, Wolfgang und Simon machen es genau richtig. Wolfgang und Simon treiben 3- bis 5-mal pro Woche Sport, machen Krafttraining im Fitnessstudio und zusätzlich Ausdauertraining (Wandern, Rudern, Fahrradfahren). Susanne macht regelmäßiges Ausdauertraining: Sie geht 2- bis 3-mal täglich mit ihrem Hund spazieren.
Sport in der Gruppe macht nicht nur Spaß und verbessert die Motivation, Sie können so auch unter fachkundiger Anleitung ein abwechslungsreiches Sportprogramm durchführen. Einen Einstieg in die Bewegung können besonders gut Rehabilitationssportgruppen bieten. Es gibt Gruppen speziell für Diabetes. Für Menschen mit Diabetes, die auch an Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden, eignen sich Herzsport-Gruppen vorzüglich. Auch viele Sportvereine bieten mittlerweile spezielle Kurse für Einsteiger und ältere Menschen an.
Welche Sportart/en machen Sie?
Ich laufe mit meinem Hund.
Warum diese Sportart? Es ist die einzige Art, mich konsequent und regelmäßig zu bewegen.
Wie häufig und wie lange treiben Sie Sport?
2- bis 3-mal am Tag à 20 bis 60 Minuten.
Was hat Ihnen am Anfang geholfen?
Der Welpe konnte am Anfang nur kurze Strecken gehen, dadurch hat sich auch für mich der Bewegungsumfang nur langsam gesteigert.
Was hilft Ihnen, weiter regelmäßig Sport zu treiben?
Es hilft nichts, der Hund will raus.
Ausdauertraining hat einen sehr positiven Effekt auf die Insulinresistenz (Unempfindlichkeit der Zellen für Insulin); allerdings hält dieser Effekt nach dem Training nur für wenige Tage an. Für einen anhaltenden Effekt auf den Blutzuckerstoffwechsel ist eine muskuläre Belastung mindestens dreimal pro Woche notwendig.
Eine sportliche Betätigung von nur 15 Minuten pro Tag oder 90 Minuten pro Woche senkt das Sterberisiko um 14 Prozent. Jede weitere Viertelstunde bringt zusätzlichen Gesundheitsgewinn. Es wird daher empfohlen, sich mindestens 150 Minuten/Woche moderat körperlich zu bewegen. Gern dürfen Sie sich mehr bewegen, wenn Sie es nicht übertreiben und es Spaß macht. Allerdings: Wer mehr als 100 Minuten pro Tag Sport treibt, hat den Vorteil ausgeschöpft; sein Sterberisiko sinkt nicht weiter.
Susanne, Simon und Wolfgang können sich ein Leben ohne Bewegung nicht mehr vorstellen, alle drei benötigen nun weniger Medikamente. Aber die Bewegung hat ihnen noch mehr gebracht:
Susanne: Ich fühle mich fitter, beweglicher und habe weniger Probleme mit dem Abnehmen. Der Kopf wird frei.
Simon: Ich habe gute HbA1c-Werte, kann besser schlafen, meine Leistungsfähigkeit und mein Selbstwertgefühl haben sich verbessert.
Wolfgang: Der Sport bringt mir Entspannung, baut Stress ab und leistet einen Beitrag zur Gewichtsreduzierung.
www.diabetes-sport.de: Auf der Internetseite der AG Diabetes, Sport und Bewegung der Deutschen Diabetes Gesellschaft findet man Adressen der Behindertensportverbände und Fortbildungen für Menschen mit Typ-1-Diabetes zur Dosisanpassung beim Sport.
www.richtigfitab50.de: Diese Seite des Deutschen Olympischen Sportbundes beinhaltet eine Fülle an Informationen über Sport für Menschen ab 50 Jahren. Weitere Informationen zu einzelnen Sportgruppen und Vereinen finden sich auch auf den Internetseiten der Landessportbünde der einzelnen Bundesländer.
www.aelter-werden-in-balance.de: Auf der Seite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gibt es kostenlose Informationsmaterialien (“Bewegungspackung” unter www.aelter-werden-in-balance.de/bewegungspackung), Online-Übungen und viele Informationen zu “Bewegung und Älterwerden”.
von Dr. Ulrike Becker
Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologin DDG,
Ernährungsmedizinerin DGEM,
Oberstr. 10, 53859 Niederkassel-Rheidt
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2018; 67 (4) Seite 22-25
5 Minuten
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