Im herabschauenden Hund trinkt sich nicht gut Apfelsaft…

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Im herabschauenden Hund trinkt sich nicht gut Apfelsaft…

Vor etwas mehr als drei Jahren setzte ich das erste mal die Füße auf eine Yoga-Matte. Das war eine komplett neue Welt für mich, mit der ich mich damals – offen gestanden – gar nicht beschäftigen wollte. Yoga kam mir zu langweilig vor, ich nahm es nicht als „richtigen“ Sport wahr. Man schwitzte ja nicht mal… 

Dann lernte ich meinen Freund kennen. Der stand früh auf und machte vor dem Frühstück zum Wachwerden 15 Minuten Yoga. Schnell lernte ich, dass meine Vorurteile nicht viel Gehalt hatten. Er bekam mich – Morgenmuffel – dazu, mit ihm Yoga zu machen, und ich merkte, wie ich entspannter und lebendiger in den Tag startete. Trotzdem verging einige – auch yogafreie – Zeit, bis ich wirklich anfing, Yoga zu lieben.

Regelmäßigkeit ist das Zauberwort!

Immer mal wieder machte ich für einige Zeit regelmäßig Yoga. Dann wieder ein paar Wochen gar nicht. Mit einer Freundin kaufte ich ab und zu Probestunden in unterschiedlichen Yoga-Studios, doch der Funke sprang einfach nicht vollständig über. Dann entdeckte ich ein recht junges Studio, keine zehn Minuten von meiner Wohnung entfernt. Es wirkte auf Anhieb sehr sympathisch und ich kaufte mir sofort eine 5er-Karte zur Probe. Nach der ersten Stunde im neuen Yoga-Studio kam ich wie verzaubert und energiegeladen nach Hause. Dieses unbeschreibliche Gefühl der Leichtigkeit und Freude ist es, warum ich inzwischen nicht mehr ohne Yoga kann. Der Funke hat länger gebraucht, bis er entzündet war – dafür entzündete er sich umso heller. Von diesem Moment an besuchte ich mindestens eine Yoga-Stunde im Studio wöchentlich. Zusätzlich machte ich zu Hause mit YouTube-Videos ein- bis zweimal pro Woche meine eigenen Yoga-Sessions.

Quelle: Sara Brandt

Und neben dem Yoga so?

Ich muss zugeben, eine Zeit lang habe ich, besonders aufgrund der COVID-19-Einschränkungen, keinen weiteren Sport gemacht. Und was soll ich sagen: Das war für mich kein Problem. Yoga ist unfassbar abwechslungsreich. Ich probierte Yin Yoga, Budokon Yoga, Alignment Flows oder sogar klassische Vinyassa Flows in meiner Mittagspause im neuen Homeoffice aus. Langweilig wurde mir nicht. Außerdem merkte ich den Fortschritt in meinem Körper: Da ich zusätzlich mehrfach die Woche einige Minuten meditierte, lernte ich meine Möglichkeiten und Grenzen neu kennen.

Yoga kann mich herausfordern und gleichzeitig genau das Level treffen, welches ich zielsicher absolvieren kann. Meistens werden Asanas (die einzelnen Yoga-Haltungen) mit verschiedenen Anforderungen erläutert, sodass man sich ausprobieren oder in Sicherheit wähnen kann – ganz nach Tagesverfassung. Ich traute mir immer mehr zu, was ich nicht nur beim Yoga, sondern auch in meinem alltäglichen Leben merkte. Der Effekt ist schwer in Worte zu fassen, weshalb ich jedem nur wärmstens empfehlen kann, es selbst auszuprobieren, sich über Yoga neu kennenzulernen.

Bestes Beispiel: Im Asana namens Bakasana (die Krähe) legt man die Knie auf den hinteren Oberarmen ab und stützt sich mit den Händen so ab, dass die Füße vom Boden abheben. Es hat mich viel Kraft, Konzentration und Überwindung gekostet, beide Zehen gleichzeitig vom Boden zu heben und mein ganzes Gewicht auf den Handgelenken zu tragen. Als ich vor einigen Wochen zum ersten Mal keine Angst hatte und es einige Sekunden in dieser Haltung aushielt, überkam mich ein Stolz auf mich und meinen Körper, den ich bisher nur nach einem absolvierten Halbmarathon gespürt habe. Den kann ich allerdings nicht zu Hause im Wohnzimmer laufen.

Und die Zuckerwerte so?

Selbstverständlich würde ich diesen Artikel hier nicht schreiben, wenn Yoga nicht irgendwie einen Einfluss auf meinen Diabetes gehabt hätte. Wenn man nach wissenschaftlichen Beweisen sucht, wie sich Yoga auf die Gesundheit auswirkt, findet man wenige aussagekräftige Berichte. Häufig wird der Effekt von Yoga speziell dadurch relativiert, dass jede Form von Bewegung einen Einfluss auf die Gesundheit (mental und physisch) hat. Wissenschaftlich fundierte Studien gibt es keine, jedoch umso mehr Erfahrungsberichte bei Instagram, Facebook und im persönlichen Austausch. Für mich entscheidend ist jedoch nicht die Wissenschaft, sondern das Gefühl, welches ich nach Yoga in mir wahrnehmen kann: eine Art von Nach-Hause-Kommen. Wohlfühlen und Frieden in mir.

Das sieht man auch an meinen Zuckerwerten: In den letzten 90 Tagen und vorher habe ich ohne weitere Anstrengung (Es gab viel Pizza, dank Katharina auch unfassbar viele selbst gebackene Croissants und wirklich insgesamt wenig Disziplin zu Gunsten meiner Zuckerwerte. Hey, wir sind inmitten einer weltweiten Pandemie – das ist schon Stress genug!) eine Time in Range von 80% erreicht. Mein täglicher Insulinbedarf (engl. Total Daily Dose = TDD) hat sich um 10-15 % gesenkt. Die Basalrate musste ich im Tagesverlauf neu anpassen und um ca. 15 % reduzieren. Ausreißer in beide Richtungen sind weniger stark, aber besonders am Anfang meiner sehr regelmäßigen Yoga-Praxis hatte ich viele nächtliche Unterzuckerungen. Insgesamt kann ich sagen, dass sich meine Insulinsensibilität stark verbessert hat.

Immer, sobald ich auf die Yogamatte gestiefelt bin, richtete sich der Pfeil meines CGMs stark nach unten. Zufall? Jedenfalls habe ich inzwischen immer Saft in Reichweite stehen. Eine Unterzuckerung im herabschauenden Hund mit schwitzigen Händen und nachgiebigen Muskeln ist wirklich kein Spaß. Besonders stark wurden diese Unterzuckerungen, sobald ich anfing, täglich Yoga zu machen. Ich begann Anfang Mai mit einem 30-tägigen Online-Kurs, der täglich bis zu 30 Minuten Yoga beinhaltete. Neben der Einbindung in den Alltag stellten mich meine Zuckerwerte teilweise wirklich vor eine Herausforderung: An einigen Tagen benötigte ich nur ca. 50 % meiner üblichen TDD. Ich vermutete, dass die Muskeln dahintersteckten, denn denen merkt und sieht man ihre Stärkung deutlich an.

Quelle: Sara Brandt

Alles nur dank Yoga?

Ich glaube, dass der Effekt, den Yoga auf andere Bereiche in meinem Leben hat, sich wiederum auf meinen Diabetes auswirkt. Sicherlich ist nicht alles in direkter Weise ausschließlich auf Yoga zurückzuführen. Weiterhin bin ich auch regelmäßig Laufen gegangen, habe zeitweise noch auf einen Halbmarathon trainiert… dennoch:

Yoga fördert…

  • den Abbau von Stress durch kontrollierte Atmung,
  • den Abbau von Stress durch regelmäßige Bewegung,
  • die Durchblutung.

Das sind nur einige Auswirkungen, die derzeit allgemein diskutiert werden. Zusätzlich meine Beobachtungen:

Yoga…

  • steigert mein Wohlbefinden deutlich,
  • hilft mir, gelassener mit Blutzuckerschwankungen umzugehen,
  • ist gut, um den Geist zu beruhigen und einen klaren Kopf zu bekommen,
  • ist gut, wenn man während einer weltweiten Pandemie einfach keine Lust hat rauszugehen,
  • lässt mich meinen Körper wertschätzen und gleichzeitig herausfordern – je nach Tagesform.

Zuletzt: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Seit Anfang Mai habe ich nicht einen Tag ohne Yoga verbracht. Derzeit stecke in in meinem zweiten 30-tägigen Kurs und habe viel Erfahrung gewonnen, die mich sogar eigene Flows ausprobieren lässt. Ich vermute, ihr könnt nachvollziehen, warum sich die regelmäßige Yoga-Praxis in Ergänzung zu anderem Sport außerordentlich gut auf meine Zuckerwerte ausgewirkt hat. Physisch und psychisch war und ist die regelmäßige Yoga-Praxis besonders in unsicheren Zeiten eine tolle Stütze und die Yogamatte bietet eine unerwartet schöne Heimat. Probiert’s doch auch einfach mal aus! 🙂

Namaste!


Bei uns im Coaching-Bereich findet ihr übrigens tolle Yoga-Sessions mit Steffi: Coaching-Reihe Yoga für alle

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  • hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

  • Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂

    Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/

  • insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 3 Wochen

    Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

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