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Als Kind dachte ich, dass ich sportlich eine komplette Niete sei. Beim Fußball saß ich meistens auf der Bank, beim Turnen war ich stolz, wenn ich einen Purzelbaum schaffte, und bei den Bundesjugendspielen war meine höchste Auszeichnung die Teilnehmer-Urkunde.
Hätte mir damals jemand gesagt, dass ich einmal einen Marathon laufen würde, hätte ich ihn ausgelacht und weiter mein Computerspiel gezockt. Noch vor wenigen Jahren war mein Bewegungsradius in den Ferien vom PC bis zur Toilette und in der Schulzeit nicht viel weiter. Dagegen ist heute ein Tag ohne Sport für mich kaum noch denkbar.
An den Tag, der alles veränderte, kann ich mich noch gut erinnern.
Von der Schule kam ich genervt und wütend nach Hause. Das war für mich nicht ungewöhnlich, denn ich war häufig wütend. Normalerweise trampelte ich an solchen Tag die Treppe hoch in mein Zimmer und zockte für den Rest des Tages, um mich abzureagieren. Und wehe, mich störte jemand währenddessen.
Doch an diesem Tag wollte ich einfach niemand anderen mit meinen negativen Gefühlen belasten. Nicht meine Familie, die sich mein Getrampel und meine Schreie beim Zocken anhören musste, und auch nicht meine Mitspieler, die ich, wenn ich wütend war, oft beleidigte.
Also zog ich meine Sportschuhe an und rannte los. Ich wusste nicht, in welche Richtung, ich wusste nur, dass ich so lange laufen wollte, bis all meine negativen Emotionen aus mir heraus gerannt waren.
Schon nach kurzer Zeit war ich außer Puste, aber ich rannte weiter und weiter und immer weiter. Erst, als ich meine Umgebung nur noch verschwommen erkennen konnte und mein Herz raste, blieb ich stehen.
Als mein Herzschlag sich allmählich verlangsamte und ich wieder halbwegs Luft zum Atmen bekam, spürte ich eine unfassbare Ruhe in mir, wie noch nie zuvor in meinem Leben. Ich hörte den Bach rauschen, Vögel singen und den Wind wehen. Keine Gedanken, die mir im Kopf herumspukten, nur ich und die Natur. Alle meine negativen Emotionen waren wie weggeblasen.
In diesem Moment, glaube ich, entstand meine Liebe zum Laufen.
In den kommenden Monaten und Jahren entwickelte sich das Laufen zu einer fast täglichen Gewohnheit. Dabei ging es mir damals und heute gar nicht darum, immer schneller und weiter zu laufen, sondern vielmehr, weil ich mich dort voll auf das Laufen konzentrieren kann und alles andere loslassen kann.
Klar freut es mich, wenn ich immer besser werde und bei einem Halbmarathon und einem Marathon meine Leistung zeigen darf, aber ich würde vermutlich auch laufen, wenn ich mich nicht verbessern würde.
Natürlich habe ich nicht immer Lust zu laufen, aber jedes Mal, wenn ich nach dem Laufen unter der Dusche stehe und mich fit und glücklich fühle, weiß ich, dass sich der Aufwand gelohnt hat.
Nach meinen tollen Erfahrungen habe ich auch meinen Kumpel und meine Mutter zum Laufen animiert. Am Anfang waren beide schon nach einer Minute k.o., aber nach einem halben Jahr konnten beide schon über eine Stunde rennen.
Und das liegt nicht daran, dass beide extrem viel trainiert hätten, sondern dass jeder Mensch als Ausdauerläufer geboren wird. Unsere Vorfahren haben nicht überlebt, weil sie stärker, schneller oder größer waren als andere Tiere. Nein, wir haben in der Steppe eine Antilope oder ein anderes Beutetier so lange verfolgt, bis es überhitzte und wir es erlegen konnten. Über 10 Kilometer ist ein Rennpferd mit Sicherheit schneller als jeder Mensch. Über 100 Kilometer wäre ich mir da nicht so sicher.
Laufen ist meiner Meinung nach der einfachste und natürlichste Sport der Welt und es gibt für mich nichts Schöneres, als den Tag mit einem langen Lauf zu beginnen. Laufen ist zu meiner Droge geworden!
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