Marathon: Macht der Motivation

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Marathon: Macht der Motivation

Kirchheim-Manager Hanno Schorlemmer motiviert Kirchheim-Autor Hans Lauber zum Training für den Halbmarathon in Mainz. Sogar beim Lauf wirkt der Motivationsschub – nur beim Start gibt es ein Problem.

„Wo ist die Treppe?“ frage ich kürzlich in einem Münchner Hotel. „Treppe? Das Zimmer liegt im 6. Stock“, entgegnet mir fassungslos der Mann an der Rezeption. Kopfschüttelnd zeigt er mir dann doch den hinter dem Lift versteckten Zugang. Ja, in den Alltag integrierte Bewegung gilt immer noch als etwas Exotisches. Aber ich bin erpicht auf jede sich bietende Laufeinheit. Denn plötzlich hat mich nach langer Zeit wieder das Lauffieber gepackt. Ganz eingeschlafen ist es nie, schließlich laufe ich jede Woche mindestens vier- bis fünfmal eine runde halbe Stunde.

Geweckt hat den Ehrgeiz nach der langen Distanz Hanno Schorlemmer, der mich seit 15 Jahren bei meinen publizistischen Aktivitäten im Verlag begleitet, mit dem ich sieben Bücher verlegt habe. „Am 22. Mai laufe ich in Mainz wieder den Halbmarathon“, erzählte er mir – und spontan sage ich: „Da laufe ich mit!“ Zwar hatte ich mir nach acht langen Läufen, Marathons in Basel, Berlin, Köln, London, New York und Wien geschworen, nie wieder die ganz große Herausforderung zu suchen – schließlich sagen ja Orthopäden gerne: „Marathon ist die beste Vorbereitung für die künstliche Hüfte“, was Sportwissenschaftler vehement bestreiten. Auch warnt der Dortmunder Nierenspezialist Dr. Kai Hahn davor, dass extreme Läufe den Harnsäurespiegel erhöhen können.

Trotzdem, schon lange habe ich geliebäugelt, mal wieder über eine Stunde – und damit über 10 Kilometer zu laufen, schließlich beflügelt bei mir nichts stärker den Geist als der lange Lauf – nur mein Schweinehund flüsterte mir immer wieder eine Ausrede ins Ohr. Aber jetzt, versprochen ist versprochen – und ran ans Training. Motiviert wie selten steigere ich kontinuierlich die Zeiten, schon nach wenigen Wochen bin ich wieder bei über 60 Minuten – und eines morgens bei besten Wetterbedingungen sind es plötzlich über 90 Minuten. Da weiß ich: „Mainz kann kommen, ich packe es!“ Aber Mainz kommt nicht, stelle ich tief enttäuscht fest, als ich mich registrieren lassen will. „Anmeldefrist überschritten“, heißt es – und das, obwohl es noch knapp vier Wochen bis zum Lauf sind. „Sture Sportbürokraten“, schimpfe ich. Aber alles Zetern hilft nichts, verpasst ist verpasst.

22. Mai 2016: Mein privater Halbmarathon

Was tun, Aufgeben? Das ist nicht meine Art. „Wenn die mich nicht wollen, dann laufe ich eben meinen privaten Marathon“ – und lege keck den 22. Mai fest, vier Tage vor dem „richtigen“ Marathon. Es ist ein perfekter Lauftag: Um die 15 Grad, bedeckt, kein Regen. Etwas nervös bin ich wie früher, hatte nicht besonders gut geschlafen. Aber all das ist wie weggeblasen, als ich mir mit einem „Los geht´s“ Punkt 9 Uhr den persönlichen Startschuss gebe. Beschwingt trabe ich an den Rhein, überquere bald die südliche Rheinbrücke – um dann auf eine riesige Wiese abzubiegen. Eine grüne Idylle mit ungepflasterten Wegen, schönen Blumen, kleinen Sträuchern, freundlichen Spaziergängern – eine die Seele streichelnde Strecke. Ganz anders als das harte Pflaster der meisten Marathons, aber da laufen ja auch viel mehr Leute.

Geht nur beim Privatmarathon: Lauschige Pfade

Über eine Stunde jogge ich kreuz und quer, grüße wortreich, um mich zu versichern, dass ich noch im optimalen, im Sprechtempo laufe, sodass der Körper genügend Sauerstoff bekommt, „aerober Bereich“, nennen das die Sportwissenschaftler. Nachdem ich einen kräftigen Schluck aus der im Gebüsch versteckten Wasserflasche genommen habe, geht´s zurück an den Rhein. Eine knappe Stunde ist noch zu laufen, da kommt wie angeflogen der Durchhänger, werden die Beine schwer, klopft der Schweinehund mit „Was soll das?“.

Da motiviere ich mich damit, dass ich unbedingt eine Motivationsmail nach Mainz schicken will: „Halbmarathon geschafft“. Also weiter, bald verfliegt die Schwächephase, bewusst noch eine Extrarunde eingelegt, damit ich deutlich über die 2 Stunden komme. Bei meinem Tempo bin ich dann auf jeden Fall bei über 21 Kilometern, der Strecke eines Halbmarathons. Jetzt rauf auf die von Eisenbahnen befahrene Südbrücke, mit der kleinen Kamera noch ein Foto vor typischem Kölner Panorama gemacht – sehe doch etwas geschafft aus, aber was macht das? Ganz leichten Schrittes jogge ich die letzten Meter nach Hause, wo ich feststelle, dass ich den eingepackten kleinen Proviant nicht gebraucht habe.

Auch wenn´s nicht gesund aussieht: Ich bin zufrieden!

Glücklich und zufrieden sitze ich auf dem Balkon, messe nach einiger Zeit den Blutzucker, der vor dem Lauf bei 108 mg/dl lag. Gemäß offizieller Diabetes-Doktrin müsste er gesunken sein. Ist er aber nicht, er liegt bei 122 mg/dl. Lachen muss ich darüber, wie der Körper nicht immer nach den Lehrmeinungen tickt – und schreibe dieses Ergebnis leichten Herzens einer sportlichen Diabetikerin, die das Phänomen bei sich auch beobachtet und mich um Rat fragt.

Dann gehe ich zum Rechner und schicke die Mail nach Mainz: „Halbmarathon geschafft!“

Besiegt das Hitzemonster: Hanno Schorlemmer

Ich habe es geschafft – aber was macht Hanno Schorlemmer? Der schickt am Vorabend eine SMS: „Anspannung steigt“ – und Sonntag morgens um 6 Uhr 53: „Es wird heiß heute – aber ich bin cool“. Hoffentlich packt er’s, denke ich – und mir fällt mein London-Marathon von 2002 ein: Da war’s zwar nicht sonderlich heiß, aber einige Meilen vor dem Ziel ein Ziehen in der Leistengegend, ich kann kaum noch laufen, will aufhören. Da fragen mich die Zuschauer nach meinem Namen: „Jack from Germany“. Gut, dass die Engländer Deutsche mögen: „You make it“, rufen sie, der Bobby klatscht mich ab, mit letzter Kraft hinke ich ins Ziel. Geschafft, weil ich es schaffen wollte, die Macht der Motivation, sie hilft auch beim eigentlichen Lauf.

Die Motivationsmacht hat mir geholfen – und sie hilft auch Hanno Schorlemmer. Denn als endlich um 15:26 Uhr die SMS kommt, schreibt er: „Es war eine Hitzeschlacht, ich war vor dem Einbruch – aber ich habe es geschafft! Die Zeit ist indiskutabel, aber ist völlig egal“.

Die ist wirklich egal. Gratulation! Nächstes Jahr laufen wir zusammen, versprochen!

Nach dem Lauf ist vor dem Lauf: Hanno Schorlemmer


von Hans Lauber
E-Mail: aktiv@lauber-methode.de

Website: www.lauber-methode.de

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