Mont Ventoux: 21,5 km hinauf auf 1.912 m

4 Minuten

© Fabian Land
Mont Ventoux: 21,5 km hinauf auf 1.912 m

Einmal den Mont Ventoux mit dem Fahrrad erklimmen, wie es Jens Voigt, Jan Ullrich und Co. bei der Tour de France taten – das war der Kindheitstraum von Fabian Land. Seit seinem 16. Lebensjahr hat er Typ-1-Diabetes – und hatte mit diesem Traum nie abgeschlossen. Mit 25 nun verwirklichte er ihn. Hier ist sein Erlebnisbericht.

Morgens wache ich in einem kleinen Dorf am Fuße des Ventoux auf. Heute ist der Tag, an dem ich mich dem Traum und der Herausforderung stelle, einen der vier Berge der Ehrenkategorie zu erklimmen. Trotz ein wenig Nervosität habe ich gut geschlafen und fühle mich fit! Ich bin sehr euphorisch und will am liebsten direkt starten.

Aber erst einmal gut frühstücken. Es gibt Nussmüsli mit Quark, Apfel und Banane. Ich reduziere meinen BE-Faktor um die Hälfte. Dass das gut funktioniert, habe ich vorher im Training getestet – jedoch nicht unter solchen extremen Bedingungen.

Gemeinsamer Traum von Vater und Sohn

Anschließend ziehe ich meine Radsachen an und mache zusammen mit meinem Vater die Räder fertig. Er wird mich auf den Ventoux begleiten. Ein gemeinsamer Traum von Vater und Sohn soll erfüllt werden. Außerdem werden wir mit dem Auto von meiner Schwester unterstützt. Sie hat genügend Verpflegung, warme Klamotten (oben auf dem Gipfel sind nur 7 °C gemeldet) und für den Notfall einen Satz Ersatzlaufräder dabei. Der Plan sieht vor, dass sie alle 3 km auf uns wartet. Wie sich später bei der Auffahrt herausstellt, ist das auch bitter nötig.

Blutzucker bei knapp über 200 mg/dl, Basalrate auf 30 Prozent … auf geht’s!

Wir starten. Mein Zucker steht bei knapp über 200 mg/dl (11,1 mmol/l). Das ist nicht ganz optimal, aufgrund der anstehenden Anstrengung und meiner Erfahrung aus den Trainingseinheiten aber noch im Toleranzbereich. Meine Basalrate reduziere ich auf 30 Prozent – auch das habe ich natürlich vorher getestet.

Nach ca. 10 km Fahrt befinden wir uns am Ventoux. Mein Blutzucker pendelt sich knapp unter 200 mg/dl ein. Die ersten paar Kilometer ist der Anstieg relativ flach, so um die 6 Prozent. Wir werden von vielen überholt. Für uns zählt allerdings nur das Ankommen, und wir bleiben bei unserem Tempo, um unsere Kräfte nicht schon frühzeitig zu verheizen.

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Trotzdem merke ich nach ein paar Kilometern bereits, dass mein Blutzuckerspiegel sinkt. Mein Messgerät bestätigt dies und prognostiziert, dass der Wert weiter fallen wird. Wohlwissend, dass es nicht mehr einfacher wird, nehme ich ein paar Schluck Cola zu mir und esse einen Müsliriegel. Am Auto lasse ich mir direkt die Flasche wieder auffüllen.

Die ersten Überholer wieder eingefangen

Mein Vater gibt das Tempo vor, und so fahren wir mit einem guten Schnitt die nächsten Kilometer, ohne zu überdrehen. Die Versorgung aus dem Auto funktioniert dabei perfekt. Langsam, aber sicher fahren wir auch zu einigen wieder auf, die wir am Anfang haben ziehen lassen, was uns ein wenig beflügelt. Es wird steiler. Muss es ja, denn der Berg weist über 21,5 km eine Durchschnittssteigung von 8,8 Prozent auf.

Der Puls steigt ein wenig, die Beine schmerzen mehr und mehr, aber wir bleiben zuversichtlich, den Berg bezwingen zu können. Ab und an nippe ich an der Cola, um meinen Blutzuckerspiegel auf einem guten Wert zu halten. Das gelingt auch gut – die Kurve bleibt konstant zwischen 130 und 140 mg/dl (7,2 und 7,8 mmol/l).

Harte Steigung, es wird immer kälter und der Wind bläst mit 50 km/h

Langsam geht es aus dem Wald raus. Jetzt ist nicht nur die Steigung im Weg, es wird auch immer kälter, und der Wind pfeift uns mit ca. 50 km/h um die Ohren. Langsam fahre ich einen “Tunnel” (d. h. ich fahre nur noch, ohne darüber nachzudenken, und finde meinen eigenen Rhythmus). Immer wieder checke ich meinen Blutzucker, nehme noch mal einen Müsliriegel zu mir und lasse die Getränke auffüllen. Es ist kalt, aber ich möchte nicht stehen bleiben, um eine Jacke anzuziehen – bloß nicht aus dem Rhythmus bringen lassen!

Ich passiere das Chalet Reynard. Ab dort sind es nur noch 6 km. Allerdings wartet noch das steilste Stück auf mich. Aber ich fühle mich den Umständen entsprechend gut und realisiere, dass ich es wirklich schaffen kann. Man könnte sagen, ich erlebe einen zweiten Frühling, und so erhöhe ich das Tempo. Allerdings merke ich schnell, dass mein Blutzuckerspiegel etwas abfällt. Auch die Tendenz zeigt nach unten. Ich nehme rechtzeitig noch mal etwas Cola zu mir und fange so die Kurve wieder auf.

Die letzten 2 km sind dann eigentlich nur noch Durchbeißen, ganz nach dem Motto meines Idols Jens Voigt: “Shut up Legs” (seid ruhig, Beine). Es ist noch mal sehr steil, und der Wind wird immer stärker. Noch eine Kurve – jetzt ist es geschafft! Erleichterung und Stolz überkommen mich. Meinen Blutzuckerwert messe ich schnell noch, der passt, und dann fahre ich ein paar Meter den Berg runter, um mir bei meiner Schwester eine warme Jacke abzuholen.

Wichtig: sich nicht überschätzen und den Blutzucker immer im Blick haben!

Der Traum ist erfüllt, und dafür muss ich mich ganz besonders bei meinem Vater und meiner Schwester für die Begleitung bedanken. Außerdem gilt mein Dank auch meiner Diabetesberatung. Ausgestattet mit einem FGM-Sytem (Flash Glucose Monitoring) und einer Insulinpumpe, konnte ich immer rechtzeitig auf den Verlauf meines Zuckerspiegels reagieren.

Man sieht, dass auch solche Leistungen für Diabetiker nicht mehr unmöglich sind. Wichtig ist aber, sich nicht zu überschätzen und seinen Blutzucker immer im Blick zu haben. Auch ein wenig Erfahrung kann nicht schaden. Bereitet euch gut vor, und messt im Training immer wieder euren Blutzucker, um den Verlauf besser einschätzen zu können und den Körper an solche Anstrengungen zu gewöhnen!


von Fabian Land
E-Mail: fabian@type-1.de

Blog: www.type-1.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2018; 67 (3) Seite 34-36

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  • insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche

    Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 2 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

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    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 4 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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