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Aktiv im Profi-Fußball – und plötzlich die Diagnose Typ-1-Diabetes … Was bedeutet das für die Sportlerkarriere? Wie lassen sich Fußballspiele auf Profi-Niveau und Diabetes unter einen Hut bringen? Warum sind Haferflocken mit Banane gut? Und wie offen sollte man mit dem Diabetes umgehen? Sandra Starke berichtet darüber im Interview.
Sandra Starke wurde vor 31 Jahren in der namibischen Hauptstadt Windhoek geboren und hat im südwestafrikanischen Land auch ihre Kindheit verbracht. Mit zwölf Jahren zog sie nach Deutschland und wurde im Sportinternat des 1. FFC Turbine Potsdam ausgebildet. Dort startete sie auch ihre Profikarriere, bevor sie über den SC Freiburg zum VfL Wolfsburg wechselte, mit dem sie die Deutsche Meisterschaft gewann. Seit 2019 ist sie Nationalspielerin und aktuell bei RB Leipzig unter Vertrag.
Starke erhielt im Jahr 2018 mit 23 Jahren die Diagnose Typ-1-Diabetes. Trotz dieser gesundheitlichen Herausforderung hat sie es geschafft, ihre Karriere auf höchstem Niveau fortzusetzen, u.a. dank der Unterstützung von Diabetesberaterin und Sportexpertin Ulrike Thurm. Ihren Diabetes machte Starke 2020 öffentlich und nutzt seitdem ihre Bekanntheit, um über die Erkrankung aufzuklären. Zudem dient sie als Vorbild für junge Sportlerinnen und Sportler mit Diabetes, indem sie zeigt, dass ein Leben mit der Diagnose und eine Profikarriere im Sport miteinander vereinbar sind.
Sandra Starke: Das ist sechs Jahre her. Ich hatte eine Grippe, schwieriger, als ich sie sonst hatte. Ich bin irgendwann wieder ins Training eingestiegen, hatte aber relativ viele Kilos verloren. Das war immer so, wenn ich krank war. Ich dachte: Okay, jetzt trainiere ich wieder und dann passt alles. Ich habe dann aber nicht zugenommen und hatte auf einmal die typischen Diabetes-Symptome: Heißhunger und unfassbar viel Durst. Zum Schluss konnte ich nicht mehr richtig in die Ferne gucken. Dann bin ich, damals noch in Freiburg, zu unseren Mannschaftsärzten gegangen. Da kam relativ schnell raus, dass der Blutzucker hoch ist, dass die Ketonkörper hoch sind.
Starke: Es war nie eine negative Auswirkung. Natürlich ging es mir körperlich besser, als es diagnostiziert wurde und ich das Insulin wieder bekommen habe. Ich bin relativ schnell wieder ins Training eingestiegen, mit Beobachtung von den Ärzten und Physiotherapeuten – und vor allem mit auch enger Zusammenarbeit mit Ulrike Thurm. Zu Anfang war für mich die große Frage, ob das mit dem Fußball überhaupt geht. Aber im Endeffekt ging alles.
Starke: Damals war ich noch beim SC Freiburg und ich muss sagen, dass der Verein mich da sehr, sehr gut unterstützt hat, versucht hat, mir jegliche Unterstützung zu geben. Auch Ulrike Thurm hat einen ganz, ganz großen Anteil, dass ich wieder zurückgekommen bin. Wir haben sehr eng zusammengearbeitet: jeden Tag telefoniert oder E-Mails ausgetauscht mit den Werten, jeden Schritt dokumentiert, sodass Ulrike Bescheid wusste und mir dann halt den Weg zurück zu den Spielen ebnete. Natürlich hat die Familie auch stark unterstützt, die Freunde drumherum. Aber zurück zum Fußball zu kommen, war dann schon größtenteils Ulrike Thurm.
„Solange das mit dem Pen so klappt, will ich da auch gar nichts ändern.“
Starke: Das stimmt, ja. Ich war damals in der Uniklinik Freiburg und die Ärzte waren, ich würde sagen, ein bisschen überfordert mit dem Thema Diabetes und Leistungssport. Sie wussten da nicht genau, ob es machbar ist, wie es dann machbar ist? Auf was man achten soll? Ehrlich gesagt kamen dann die Ärzte auf Ulrike Thurm zu sprechen. Und da kam der Kontakt zustande. Sie haben mir die E-Mail-Adresse von Ulrike gegeben und ich habe ihr dann geschrieben. Wir waren dann relativ schnell in einem Austausch.
Starke: Ich habe schon immer gespritzt mit dem Pen und hatte eigentlich auch schon immer den FreeStyle-Libre-Sensor. Und da hat sich ehrlich gesagt gar nichts verändert, außer dass der FreeStyle-Libre-Sensor jedes Jahr gefühlt besser wurde. Aber ich spritze immer noch und messe immer noch mit dem FreeStyle-Libre-Sensor.
Starke: Tatsächlich war der Gedanke noch nie da. Ich finde, es klappt ganz gut mit dem Pen. Ich habe das Gefühl, wenn ich Fußball spiele und die Insulinpumpe wäre dran, dass mich das ein bisschen stören würde. Solange das mit dem Pen so klappt, will ich da auch gar nichts ändern.
Starke: Naja, die Pumpe wäre höchstwahrscheinlich auch am Körper, wenn ich spiele. Für mich wäre das dann wieder etwas mehr am Körper – und Fußball ist eine Zweikampf-Sportart mit vielen Körperkontakten. Da würde mich das, glaube ich, bei den Zweikämpfen einfach stören.
Starke: Das weiß ich nicht. Aber ich glaube, ich hätte da die Angst, dass die Pumpe dadurch kaputt geht oder abfällt. Ich bin froh, dass nicht so viel an meinem Körper dran ist. Der Sensor ist ja auch so klein, dass man ihn auch kaum noch merkt, und das ist auch ganz gut so.
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Starke: Das weiß ich nicht genau. Ich merke schon einen Unterschied zu den ersten Jahren, dass da jetzt nicht mehr allzu viel da ist und nicht mehr ganz so viel selbst reguliert. Aber ob das jetzt komplett weg ist oder nicht, das kann ich nicht beantworten.
Starke: Ja, auf jeden Fall.
Starke: Man sagt ja immer bei Diabetes: Je mehr Erfahrung man macht, umso sicherer fühlt man sich. Bei mir ist es so, dass ich ein sehr sicheres Körpergefühl habe. An Spieltagen esse ich drei Stunden vor dem Spiel, spritze dafür Insulin und trinke kurz vor dem Aufwärmen ein kohlenhydratreiches Getränk, was auch nochmal gespritzt wird. Das passt immer sehr gut für die erste Halbzeit. Meine Werte steigen schon ein bisschen an, aber man optimiert ja jedes Mal von Neuem. Und dann komme ich die ersten 45 Minuten sehr, sehr gut klar. In der Halbzeit messe ich dann noch mal und trinke ein kohlenhydratreiches Getränk, für das ich meistens auch spritze, für die zweite Halbzeit. So komme ich relativ stabil über die 90 Minuten und falle danach auch nicht direkt ab. Nach dem Spiel gibt es natürlich auch noch mal was zu essen, wofür ich oft kaum noch spritzen muss.
„Für viele Kinder, die auch Fußball spielen wollen, bin ich dann ein Vorbild geworden.“
Starke: Unterschiedlich. Für das kohlenhydratreiche Getränk spritze ich ja auch. Aber im Grunde genommen ist das relativ unterschiedlich, so ein bisschen auch, glaube ich, wie das Spiel ist, wie das Adrenalin da natürlich irgendwie mitspielt. Von daher habe ich keinen Wert, der immer gleich ist.
Starke: Also wie ich ins Spiel gehe? Das ist tatsächlich unterschiedlich. Ich habe da keinen Wert, wo ich sehr, sehr gerne ins Spiel gehe. Es ist mir relativ egal, ob es 100, 120 oder 170 mg/dl (5,6, 6,7 oder 9,4 mmol/l; Anm. d. Red.) ist. Aber meine Werte sind nicht über 200 mg/dl (11,1 mmol/l; Anm. d. red.), wenn ich ins Spiel reingehe.
Starke: Ich esse immer das Gleiche bei den Spielen, weil ich damit sehr gute Erfahrungen gemacht habe. Das sind Haferflocken mit meistens Banane, vielleicht auch ein paar Beeren, ein paar Nüssen und Joghurt. Durch die Haferflocken habe ich einen relativ stabilen Blutzucker und das passt dann sehr gut.
Starke: In Freiburg, als das ganz neu war, war gerade von den Physios und den Ärzten ein bisschen mehr Aufmerksamkeit da, weil das für sie auch Neuland war. Aber mittlerweile würde ich sagen, in jeder Mannschaft, in der ich bisher gespielt habe, ist es so, dass die Mädels es sehr gut auffassen, aber natürlich auch Unterschiede sind. Manche interessiert total, wie das alles funktioniert, manche interessiert es gar nicht – was auch vollkommen in Ordnung ist.
Das Wichtigste ist für mich immer, dass die Physios Bescheid wissen. Die Ärzte wissen sowieso Bescheid und der Trainer bzw. die Trainerin sind auch informiert, gerade weil ich ja öfter mal meine Werte auf dem Handy checke und die dann nicht gleich denken, dass ich irgendwie am Handy hocke und auf den sozialen Medien oder so bin. Es ist mir dann auch wichtig, dass sie es wissen, aber im Endeffekt haben sie sich bisher nicht groß eingemischt. Die sind, glaube ich, froh, dass ich es ihnen sage, dass sie Bescheid wissen. Aber ansonsten ist das ein sehr, sehr guter Umgang und wird natürlich auch akzeptiert und tut einem natürlich auch gut.
Starke: Weil ich es nie verstanden habe, wieso man sowas geheim halten sollte. Ich habe Zeit für mich gebraucht, das Ganze zu verarbeiten, das zu akzeptieren – habe dann aber auch schnell gemerkt, dass da nichts Negatives rumkommt, wenn man offen darüber redet, sondern eher sehr positive Rückmeldungen. Ich glaube, ich hatte mal einen Auftritt, wo ich ein bisschen darüber geredet habe – und es gab danach viele positive Rückmeldungen. Für viele Kinder, die auch Fußball spielen wollen, bin ich dann ein Vorbild geworden.
Ich fand das schön, dann auch meine Geschichte zu erzählen, vor allem dann für alle anderen, die da vielleicht noch Schwierigkeiten haben oder, gerade im Sportbereich, Angst haben, das alles nicht zu verwirklichen, irgendwie Vorbild zu sein und denen zu zeigen, dass das halt mit dem Diabetes auch klappt. Und das mache ich seit ein paar Jahren, habe immer mal wieder ein paar Präsentationen, ein paar Auftritte und finde es einfach sehr, sehr schön, da auch ein Vorbild zu sein und Leute zu inspirieren, ihre Träume auch zu leben.
Starke: Für mich ist das schon ein sehr großes Vorbild. Ulrike Thurm hat in ihrem Leben mit dem Diabetes unfassbar viel gemacht und unfassbar viel auch erreicht in der Branche und gezeigt, was alles möglich ist mit dem Diabetes. Und zudem hatte ich relativ schnell auch Kontakt zu Timur Oruz, dem Feldhockeyspieler. Das war für mich die erste Kontaktaufnahme mit einem Profisportler mit Diabetes Typ 1 und natürlich dann auch eine Inspiration, weil er mit sehr vielen Erfolgen seine Karriere gemeistert hat.
Starke: Ich glaube, dass es dann darauf ankommt, wie das Umfeld ist und wie vor allem die Eltern das mitgemacht hätten. Grundsätzlich würde ich sagen, ja. Weil einfach meine Familie sehr, sehr sportlich ist, hätte ich mir schon vorstellen können, dass ich da wahrscheinlich auch – ob es jetzt Fußball ist – aber irgendeinen Sport gemacht hätte. Aber ich glaube, das ist dann wirklich das Umfeld, das gerade im Kindesalter mit entscheidet.
„Das Wichtigste, wenn man Diabetes hat, ist, keine Angst zu haben“
Starke: Ich würde jetzt sagen, Nein. In Namibia ist es, glaube ich, noch mal komplett anders. Ich weiß nicht, ob es überhaupt die Sensoren gibt oder wie die Menschen dort mit einem Diabetes behandelt werden. Das weiß ich nicht, aber ich glaube, das wäre noch mal was anderes.
Starke: Sehr viele unterschiedliche Sachen. Ich bin sehr gerne aktiv. Gerade im Sommer bin ich sehr viel am See mit dem Sup Board unterwegs. Ich gehe gerne mit Freunden essen und vor allem auch Kaffee trinken.
Starke: Auch gerne mit (lacht). Aber ich mag es auch, einfach zu Hause zu sein, Serien zu schauen – vor allem, wenn man sehr viel unterwegs ist.
Starke: Für die Therapie muss ich sagen, es ist halt einfach super individuell. Dazu will ich nicht ganz so viel sagen. Ich finde, dass es sehr wichtig ist, keine Angst davor zu haben, Dinge auszuprobieren, weil man mit den ganzen Erfahrungen meistens weiterkommt. Und ich finde es wichtig, mit engen Freunden Austausch zu haben. Ich bin ein großer Fan davon, Dinge einfach zu machen. Das ist, glaube ich, auch das Wichtigste: wenn ich schon Diabetes habe, keine Angst zu haben!
Interview: Dr. Katrin Kraatz
Erschienen in gekürzter Fassung in: Diabetes-Eltern-Journal, 2024; 11 (3) Seite 18-19
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