Sportlich macht das Leben mehr Spaß

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Sportlich macht das Leben mehr Spaß

Mit Bewegung kennt sie sich bestens aus: Diabetesberaterin Ulrike Thurm aus Berlin. Gemeinsam mit Dr. B. Gehr hat sie die Diabetes- und Sportfibel geschrieben. Sie ist Vorsitzende der internationalen Vereinigung diabetischer Sportler (IDAA), Sektion Deutschland, und hat die DDG-Leitlinien Diabetes, Sport und Bewegung für Typ-1-Diabetiker mitverfasst.

Diabetes-Journal (DJ): Worin unterscheidet sich Sport für Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes?
Ulrike Thurm:
Bei Typ 1 geht es zunächst darum, Sportler individuell zu beraten, wie Bewegung trotz Diabetes möglich ist. Themen wie Insulindosisanpassung oder Kohlenhydrataufnahme vor und während der Aktivität gehören dazu. Wichtig ist es, diabetische Sportler zu unterstützen. Das kann ganz unterschiedlich sein, sei es in klassischer Beratung, bis hin zu Betreuungsformen über Skype, Mail oder Telefon, um schnell und effizient zu helfen.

Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes geht es um Bewegung wegen Diabetes. Hier spricht man auch vom Medikament Bewegung. Das bestätigen auch zahlreiche Studien: Regelmäßige Aktivitäten sind deutlich effizienter und potenter als manch orale Antidiabetika. Schwerpunkt des Dia­betesteams bei Menschen mit Typ 2 ist es also, sie zu einem Plus an Bewegung zu motivieren.

DJ: Warum fällt es vielen Typ-2-Diabetikern so schwer, regelmäßige Bewegung in ihren Alltag zu integrieren?
Ulrike Thurm:
Viele haben in ihrer Jugend schlechte Erfahrungen gesammelt. Sei es durch sportliche Misserfolge, Hänseleien oder Diskriminierung, aufgrund von Übergewicht. Oft wird Sport auch mit Höchstleistungen verbunden, die im Fernsehen präsentiert werden. Verständlicherweise sagen dann viele, dass so etwas nichts für sie ist, da sie keinen Marathon oder Ähnliches planen.

In der Schulung bei Typ 2 ist es wichtig, Bewegung praktisch anzubieten. Also BEL-Übungen in jede Schulungseinheit einzubauen, DiSko oder DiSko plus anzubieten. Auch der Besuch eines für Diabetes zertifizierten Fitness-Studios nach den TÜV-Rheinland-Kriterien ist sinnvoll.

DJ: Thema Alltagsbewegung: Wie schaffen es Typ-2-Diabetiker, das automatisch zu machen?
Ulrike Thurm:
Am besten ist, wenn es für den Menschen mit Typ-2-Diabetes zum eigenen Bedürfnis oder Ziel wird. Beispielsweise um wieder aktiver mit den Enkeln zu sein oder innerhalb der Hausgemeinschaft mehr mitwirken zu können. Denn es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

DJ: Wie viel, wie oft sollte es für Anfänger sein?
Ulrike Thurm:
Das ist immer eine sehr individuelle Sache. Eine pauschale Formel gibt es nicht. Wichtig ist beispielsweise, ob jemand bereits Folgeerkrankungen oder andere Einschränkungen hat. Wenn jemand nach längerer Passivität wieder loslegen möchte, sollte er beim Arzt auf jeden Fall eine Sporttauglichkeitsuntersuchung in Anspruch nehmen.

Bei Menschen mit diabetischem Fußsyndrom muss unbedingt auf geeignetes Schuhwerk geachtet werden. Was die Sportwahl betrifft, gilt das Motto: Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. Was bringt es, wenn jemand gerne Ballsportarten betreibt und nun zum Nordic Walking soll, nur weil es gerade zum Trend gehört?

DJ: Was halten Sie von Aktivitäts-Trackern, die aktuell sehr in Mode sind?
Ulrike Thurm:
Es gibt durchaus Patienten, die da richtig Spaß dran haben. Ich habe schon erlebt, dass sich ein Paar damit gegenseitig motiviert. In ihrem kleinen Wettstreit ging es darum, wer am Abend die meisten Schritte absolviert hatte. Und das mit Erfolg, denn die Frau verlor so in einem Jahr fast 20 Kilo. Andere fühlen sich durch solche Geräte zusätzlich unter Druck gesetzt. Kurzum: Es ist eine Option, die passen kann, aber nicht unbedingt muss.

DJ: Snowboard oder Marathon – geht das auch mit Diabetes?
Ulrike Thurm:
Hier ist es ganz wichtig, dass dia­betische Sportler gut geschult sind. Sie müssen in der Lage sein, ihre Therapie eigenständig anzupassen. Überlegungen wie beispielsweise Insulindosisanpassung, Art, Dauer, Intensität, Trainingszustand und Blutzuckerausgangswert spielen dabei eine Rolle.

Dank neuer Möglichkeiten mit CGM- und Flash-System gibt es wunderbare Tools, die nicht nur aktuelle Werte, sondern auch Tendenzen anzeigen. Wer beim Sport so etwas genauer austesten möchte, dem würde ich diese empfehlen. Alternativ rate ich dazu, alle 20 bis 30 Minuten die Aktivität zu unterbrechen, um den Blutzucker zu messen.

DJ: Welche Kohlenhydrate sind als Not-BE beim Sport geeignet?
Ulrike Thurm:
Bei körperlicher Aktivität wird mehr Energie und Sauerstoff in der arbeitenden Muskulatur benötigt. Dementsprechend ist sie jetzt stärker durchblutet als der Magen-Darm- Trakt. Praktisch verweilen kohlenhydrathaltige Lebensmittel in fester Form wie Obst, Brot oder Müsliriegel, die vor oder während der Aktivität konsumiert werden, mehr oder weniger unverdaut im Magen. Sinnvoller sind flüssige Kohlenhydrate, beispielsweise Sportgel. Eine Fülle von Faktoren spielen also eine Rolle.

Es macht auf jeden Fall Sinn, dass ein sportlicher Diabetiker sich mit Hilfe des Diabetesteams dazu detailliert schulen lässt. Hilfreich ist immer wieder der Erfahrungsaustausch mit anderen Sportlern. Auf der Internetseite der IDAA (Internationale Vereinigung diabetischer Sportler: www.idaa.de) finden diabetische Sportler Gleichgesinnte, die sich gegenseitig mit Tipps und Ratschlägen helfen; und das vom Hobbyjogger bis zum Iron-Man.

DJ: Frau Thurm, wir danken Ihnen für das Gespräch.


das Interview führte Kirsten Metternich
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz,
Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0, Fax: (0 61 31) 9 60 70 90,
E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de

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