- Bewegung
Sportlich macht das Leben mehr Spaß
3 Minuten
Mit Bewegung kennt sie sich bestens aus: Diabetesberaterin Ulrike Thurm aus Berlin. Gemeinsam mit Dr. B. Gehr hat sie die Diabetes- und Sportfibel geschrieben. Sie ist Vorsitzende der internationalen Vereinigung diabetischer Sportler (IDAA), Sektion Deutschland, und hat die DDG-Leitlinien Diabetes, Sport und Bewegung für Typ-1-Diabetiker mitverfasst.
Diabetes-Journal (DJ): Worin unterscheidet sich Sport für Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes?
Ulrike Thurm: Bei Typ 1 geht es zunächst darum, Sportler individuell zu beraten, wie Bewegung trotz Diabetes möglich ist. Themen wie Insulindosisanpassung oder Kohlenhydrataufnahme vor und während der Aktivität gehören dazu. Wichtig ist es, diabetische Sportler zu unterstützen. Das kann ganz unterschiedlich sein, sei es in klassischer Beratung, bis hin zu Betreuungsformen über Skype, Mail oder Telefon, um schnell und effizient zu helfen.
Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes geht es um Bewegung wegen Diabetes. Hier spricht man auch vom Medikament Bewegung. Das bestätigen auch zahlreiche Studien: Regelmäßige Aktivitäten sind deutlich effizienter und potenter als manch orale Antidiabetika. Schwerpunkt des Diabetesteams bei Menschen mit Typ 2 ist es also, sie zu einem Plus an Bewegung zu motivieren.
DJ: Warum fällt es vielen Typ-2-Diabetikern so schwer, regelmäßige Bewegung in ihren Alltag zu integrieren?
Ulrike Thurm: Viele haben in ihrer Jugend schlechte Erfahrungen gesammelt. Sei es durch sportliche Misserfolge, Hänseleien oder Diskriminierung, aufgrund von Übergewicht. Oft wird Sport auch mit Höchstleistungen verbunden, die im Fernsehen präsentiert werden. Verständlicherweise sagen dann viele, dass so etwas nichts für sie ist, da sie keinen Marathon oder Ähnliches planen.
In der Schulung bei Typ 2 ist es wichtig, Bewegung praktisch anzubieten. Also BEL-Übungen in jede Schulungseinheit einzubauen, DiSko oder DiSko plus anzubieten. Auch der Besuch eines für Diabetes zertifizierten Fitness-Studios nach den TÜV-Rheinland-Kriterien ist sinnvoll.
DJ: Thema Alltagsbewegung: Wie schaffen es Typ-2-Diabetiker, das automatisch zu machen?
Ulrike Thurm: Am besten ist, wenn es für den Menschen mit Typ-2-Diabetes zum eigenen Bedürfnis oder Ziel wird. Beispielsweise um wieder aktiver mit den Enkeln zu sein oder innerhalb der Hausgemeinschaft mehr mitwirken zu können. Denn es gibt nichts Gutes, außer man tut es.
DJ: Wie viel, wie oft sollte es für Anfänger sein?
Ulrike Thurm: Das ist immer eine sehr individuelle Sache. Eine pauschale Formel gibt es nicht. Wichtig ist beispielsweise, ob jemand bereits Folgeerkrankungen oder andere Einschränkungen hat. Wenn jemand nach längerer Passivität wieder loslegen möchte, sollte er beim Arzt auf jeden Fall eine Sporttauglichkeitsuntersuchung in Anspruch nehmen.
Bei Menschen mit diabetischem Fußsyndrom muss unbedingt auf geeignetes Schuhwerk geachtet werden. Was die Sportwahl betrifft, gilt das Motto: Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. Was bringt es, wenn jemand gerne Ballsportarten betreibt und nun zum Nordic Walking soll, nur weil es gerade zum Trend gehört?
DJ: Was halten Sie von Aktivitäts-Trackern, die aktuell sehr in Mode sind?
Ulrike Thurm: Es gibt durchaus Patienten, die da richtig Spaß dran haben. Ich habe schon erlebt, dass sich ein Paar damit gegenseitig motiviert. In ihrem kleinen Wettstreit ging es darum, wer am Abend die meisten Schritte absolviert hatte. Und das mit Erfolg, denn die Frau verlor so in einem Jahr fast 20 Kilo. Andere fühlen sich durch solche Geräte zusätzlich unter Druck gesetzt. Kurzum: Es ist eine Option, die passen kann, aber nicht unbedingt muss.
DJ: Snowboard oder Marathon – geht das auch mit Diabetes?
Ulrike Thurm: Hier ist es ganz wichtig, dass diabetische Sportler gut geschult sind. Sie müssen in der Lage sein, ihre Therapie eigenständig anzupassen. Überlegungen wie beispielsweise Insulindosisanpassung, Art, Dauer, Intensität, Trainingszustand und Blutzuckerausgangswert spielen dabei eine Rolle.
Dank neuer Möglichkeiten mit CGM- und Flash-System gibt es wunderbare Tools, die nicht nur aktuelle Werte, sondern auch Tendenzen anzeigen. Wer beim Sport so etwas genauer austesten möchte, dem würde ich diese empfehlen. Alternativ rate ich dazu, alle 20 bis 30 Minuten die Aktivität zu unterbrechen, um den Blutzucker zu messen.
DJ: Welche Kohlenhydrate sind als Not-BE beim Sport geeignet?
Ulrike Thurm: Bei körperlicher Aktivität wird mehr Energie und Sauerstoff in der arbeitenden Muskulatur benötigt. Dementsprechend ist sie jetzt stärker durchblutet als der Magen-Darm- Trakt. Praktisch verweilen kohlenhydrathaltige Lebensmittel in fester Form wie Obst, Brot oder Müsliriegel, die vor oder während der Aktivität konsumiert werden, mehr oder weniger unverdaut im Magen. Sinnvoller sind flüssige Kohlenhydrate, beispielsweise Sportgel. Eine Fülle von Faktoren spielen also eine Rolle.
Es macht auf jeden Fall Sinn, dass ein sportlicher Diabetiker sich mit Hilfe des Diabetesteams dazu detailliert schulen lässt. Hilfreich ist immer wieder der Erfahrungsaustausch mit anderen Sportlern. Auf der Internetseite der IDAA (Internationale Vereinigung diabetischer Sportler: www.idaa.de) finden diabetische Sportler Gleichgesinnte, die sich gegenseitig mit Tipps und Ratschlägen helfen; und das vom Hobbyjogger bis zum Iron-Man.
DJ: Frau Thurm, wir danken Ihnen für das Gespräch.
das Interview führte Kirsten Metternich
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz,
Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0, Fax: (0 61 31) 9 60 70 90,
E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 3 Tagen, 15 Stunden
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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stephanie-haack postete ein Update vor 4 Tagen, 12 Stunden
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 4 Tagen, 11 Stunden
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 2 Wochen, 5 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike