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Die 18 Radsportler aus dem Pro-Team des Teams Novo Nordisk stammen aus Italien, den Niederlanden, Frankreich, Australien, Spanien, Finnland, Kanada und Irland. Gemeinsam meistern die Radprofis etwa 140 Renntage pro Jahr, untereinander sprechen sie Englisch. Bei meinem Besuch im Trainingslager des Teams Novo Nordisk Mitte Januar 2017 im spanischen Alicante hatte ich die Gelegenheit, mit dreien von ihnen persönlich über ihre Motivation, ihren Diabetes und ihr Verhältnis zum Team Novo Nordisk zu sprechen.
„Ich wollte schon immer ein Topathlet sein, der mit Sport seinen Lebensunterhalt verdienen kann“, erzählt mir Brian Kamstra. Vor seinem Start als Radprofi war er bereits erfolgreicher Läufer und hatte unter anderem viermal den niederländischen Meistertitel im Cross Country Running (Geländelaufen) gewonnen. Doch auch auf dem Rad ist der 23-jährige Niederländer ein Ausnahmetalent. Seit zwei Jahren gehört er zum Team Novo Nordisk. Als er ein Jahr zuvor die Diagnose Typ-1-Diabetes erhalten hatte, war er vor allem erleichtert: „Endlich wusste ich, warum ich trotz harten Trainings immer schwächer wurde und was mich davon abhielt, sportliche Topleistungen zu bringen.“ Allerdings taten sich seine Ärzte anfangs schwer damit, in ihm weiterhin einen Spitzenathleten zu sehen: „Sie waren überhaupt nicht vertraut damit, Leistungssportler zu betreuen“, erinnert sich Brian, „doch zum Glück hat mich das nicht davon abgehalten, meine sportlichen Ziele weiterzuverfolgen. Heute sind die anderen Fahrer im Team meine besten Ärzte.“
Auch der 28-jährige Andrea Peron aus Italien war nach seiner Diagnose im Alter von 16 Jahren entschlossen, sich vom Typ-1-Diabetes nicht aufhalten zu lassen. Auf meine Frage, woher seine Begeisterung für den Radsport rührt, reagiert er belustigt: „Ich komme aus Norditalien, da ist Rennradfahren Volkssport. Ich liebe Geschwindigkeit, und ich liebe Rennen.“ Anders als sein Teamkollege Brian hatte Andrea von Anfang an ärztliche Rückendeckung: „Mein Arzt ermutigte mich, weiter Radrennen zu fahren. Ich habe die Diagnose im Winter erhalten, also hatte ich ein paar Monate Zeit, um mich an die neue Situation zu gewöhnen, und habe keine Saison verloren.“ Seit fünf Jahren ist Peron Radprofi im Team Novo Nordisk und damit ein Teamfahrer der ersten Stunde. Andrea ist übrigens der einzige Radprofi aus dem Team Novo Nordisk, der kein System zur kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) nutzt. „Ich bevorzuge die Blutzuckermessung, das ist eine persönliche Sache. In der Regel habe ich ein sehr gutes Körpergefühl und spüre, wenn mit meinem Blutzuckerwert etwas nicht stimmt.“
Der 25-jährige Finne Joonas Henttala ist seit seinem zehnten Lebensjahr Typ-1-Diabetiker. Die Stoffwechselerkrankung war ihm allerdings auch zuvor schon vertraut, denn auch sein Vater ist Typ-1-Diabetiker – und übrigens ebenfalls begeisterter Radsportler. Joonas ist ebenso lange wie Andrea Teil des Teams Novo Nordisk. In seinem vorigen Radrennteam wusste so gut wie niemand von seinem Diabetes: „Ich glaube, ich wollte einfach normal sein und nicht auffallen“, erinnert er sich. Teil eines Teams mit lauter Typ-1-Diabetikern zu sein, hat ihn von diesem Druck befreit. Dennoch hat sich seine Einstellung zum Diabetes nicht verändert. „Aber es verändert die Einstellung anderer zum Diabetes. Viele Menschen sind interessiert und überrascht, dass wir auch mit Diabetes sportliche Spitzenleistungen erzielen können.“
Tatsächlich steht der Diabetes den Radprofis vom Team Novo Nordisk sportlich nicht im Weg. Auch als ich mehrfach nachbohre, kann sich keiner der drei daran erinnern, einmal ein Training oder gar ein Rennen abgebrochen zu haben, weil die Glukosewerte nicht stimmten. Brian lacht: „Wenn ich mal meine Kohlenhydrate falsch berechnet habe und mir bei einer sechsstündigen Trainingsfahrt das Essen ausgeht, dann mache ich eben kurz bei einer Tankstelle halt. Und bei den Rennen gibt es Verpflegungsstationen an der Strecke.“ Andrea und Joonas ergänzen: „Wir sind alle sehr gut eingestellt. Diabetes ist kein Grund, ein Rennen zu unterbrechen.“
So sieht es auch Dr. David Castol, Medizinischer Direktor im Team Novo Nordisk. Zu meiner Überraschung ist der mexikanische Arzt nicht etwa Diabetologe, sondern Sportmediziner. „Die Jungs sind Profis, beim Radfahren und beim Diabetesmanagement“, erklärt er mir. Entsprechend sieht er seine Aufgabe vor allem darin, die Radprofis beim Training und während der Rennen medizinisch zu unterstützen – sprich: sich um Muskel- und Gelenkbeschwerden, EKG-Kurven und Laktatwerte zu kümmern. „Das Diabetesmanagement ist Sache der Diabetologen in den Heimatorten unserer Athleten. Wir ermutigen sie immer, sich regelmäßig mit ihnen auszutauschen.“ Nichtsdestotrotz hat Castol immer viele Diabetesutensilien im Gepäck, wenn er das Team durch die Welt begleitet. „Ein kleiner Koffer voll für ein Tagesrennen, ein großer für ein Mehrtagesrennen“, erklärt er mir. „Wir stellen den Athleten für ihr Diabetesmanagement die bestmögliche technische Unterstützung zur Verfügung. Ob sie diese letztlich nutzen, liegt an ihnen selbst.“ Beinahe alle Fahrer des Profiteams tragen ein System zum kontinuierlichen Glukosemonitoring, das ihnen dabei hilft, ihren Glukosewert innerhalb des Zielbereichs von 120 bis 180 mg/dl (6,7 bis 10,0 mmol/l) zu halten. Mehr möchte Castol aber leider nicht über das konkrete Diabetesmanagement seiner Athleten verraten – auch wenn ich zu gern gewusst hätte, wie die Radprofis ihr Basalinsulin und ihre Mahlzeitenboli an das harte Training anpassen. „Wer wie viel Insulin spritzt und wann wie viele Kohlenhydrate isst, ist einfach sehr individuell“, sagt der Sportmediziner. Zu groß ist die Gefahr, dass andere Diabetiker aus den Erfahrungen der Radprofis direkte Empfehlungen für ihr eigenes Diabetesmanagement ableiten.
Tatsächlich sind die Radprofis Vorbilder für viele junge, frisch diagnostizierte Menschen mit Typ-1-Diabetes. Ihnen will das Team Hoffnung machen und zeigen, dass Typ-1-Diabetes nicht das Ende sportlicher Ambitionen sein muss. Dass Sport zu einer guten Diabeteskontrolle dazugehört und dass umgekehrt eine gute Diabeteskontrolle der Schlüssel zu sportlichem Erfolg ist. Apropos Hoffnung: Als ich nach der intensiven Tour durch das Trainingslager sowie der Ausfahrt und den Interviews mit den Radprofis noch ein wenig Zeit hatte, am Strand des kleinen Küstenörtchens herumzustreifen, da wagten sich doch tatsächlich ein paar Sonnenstrahlen durch den trüben und regenverhangenen Himmel und zauberten einen zarten, aber wunderschönen Regenbogen. In diesem Sinne: Lasst euch von eurem Diabetes nicht aufhalten – nicht beim Sport und nicht bei anderen Dingen, die euch begeistern.
Das Team Novo Nordisk wurde im Dezember 2012 gegründet. Sein Ziel ist es, Menschen mit Diabetes in aller Welt zu inspirieren, aufzuklären und zu ermutigen. Das Team hat sich vor allem durch sein weltweit erstes Radprofi-Team aus lauter Typ-1-Diabetikern einen Namen gemacht. Doch es beherbergt auch Spitzenathleten aus den Bereichen Marathon und Triathlon, darunter auch den Blood-Sugar-Lounge-Autor Steffen Schmelzle (Triathlet mit Diabetes – Erlebnisbericht Ironman-Hawaii). Wer Teil des Teams werden möchte, kann unter www.teamnovonordisk.com/join eine Online-Bewerbung ausfüllen und wird nach einer Reihe von Vorgesprächen dann möglicherweise in eines der jährlichen Trainingslager in den USA eingeladen, bei denen das Team Novo Nordisk vielversprechende Talente auswählt. Seit dem Ausscheiden von Simon Strobel (www.teamnovonordisk.com/rio-grande-do-sul-2/) sind bei den Radprofis vom Team Novo Nordisk keine Deutschen unter Vertrag – doch das Management würde sich freuen, bald auch wieder ein deutsches Radsporttalent ins Team aufzunehmen. Wer also talentierte Radsportler mit Typ-1-Diabetes kennt, darf ihnen gern vom Team Novo Nordisk erzählen.
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