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Alkohol, Nikotin, Cannabis und Stimulanzien – viele Jugendliche werden irgendwann damit konfrontiert und probieren das eine oder andere aus. Deshalb sollte das Thema auch in der Diabetesschulung ein Thema sein, damit Jugendliche wissen, wie verschiedene Drogen wirken. Dr. Nicolin Datz erklärt die Zusammenhänge.
Der Konsum von Alkohol, Nikotin und illegalen Drogen ist ein schwieriges Thema, denn grundsätzlich ist der Konsum dieser „Genussmittel“ ungesund und aus medizinischer Sicht sowohl für Erwachsene und insbesondere für Jugendliche nicht zu empfehlen. Trotzdem wird jeder Jugendliche früher oder später damit konfrontiert – und Jugendliche mit Diabetes sollten gut darüber Bescheid wissen, wie sich diese Substanzen auf ihre Werte auswirken.
Alkohol hat gesundheitsschädigende Wirkungen: Nach akutem Verzehr kommt es zur Herabsetzung der Leistungsfähigkeit des Gehirns, verlangsamten körperlichen Reaktionen, Einschränkung des Sehvermögens, Übelkeit und Erbrechen. Ein regelmäßiger („chronischer“) Konsum kann abhängig machen und zu Schäden an Gehirn, Leber, Nerven und der Psyche führen.
In Deutschland ist in § 9 des Jugendschutzgesetzes geregelt, wann Jugendliche Alkohol kaufen und auch verzehren dürfen. In Deutschland ist die Abgabe von Bier und Wein ab dem Alter von 16 Jahren an Jugendliche erlaubt, höherprozentige alkoholische Getränke erst ab 18 Jahren. In Anwesenheit der Eltern dürfen Jugendliche bereits ab 14 Jahren Alkohol konsumieren. Wann Eltern ihren Kindern erlauben, Alkohol zu trinken, ist also individuell zu entscheiden.
Jugendlichen mit Diabetes wird Alkohol nicht grundsätzlich verboten, die Empfehlungen lauten, dass nur so viel getrunken wird, dass man nicht „betrunken“ ist. Menschen mit Diabetes müssen eigentlich immer „klar denken“ können. Sie müssen immer in der Lage sein, sich die richtige Menge Insulin zu verabreichen und rechtzeitig bemerken, dass sie unterzuckern. Alkohol kann das Bewusstsein und die Leistungsfähigkeit des Gehirns so sehr beeinträchtigen, dass dies nicht mehr möglich ist. Insbesondere die fehlende Wahrnehmung von Hypoglykämien kann gefährlich werden.
Der Alkohol wird in der Leber durch die Enzyme abgebaut, die auch für die Glukoseproduktion zuständig sind. Diese beiden Prozesse stehen also in Konkurrenz zueinander. Die Leber entscheidet sich zugunsten des Alkoholabbaus, so dass die Glukoseproduktion der Leber nach Alkoholkonsum stark eingeschränkt ist. Das Risiko für Hypoglykämien steigt.
Zunächst werden die Glykogenreserven verwendet, um Glukose bereitzustellen. Sind diese jedoch leer, kommt es mehrere Stunden nach dem Konsum von Alkohol zur Hypoglykämie. Dieser Zustand hält an, solange die Leber den Alkohol abbaut. Die Leber ist in der Lage, pro Stunde 100 mg Alkohol pro Kilogramm Körpergewicht abzubauen. Das bedeutet z. B., dass es bei einer 70 kg schweren Person ca. 1 Stunde dauert, bis eine Flasche Bier abgebaut ist, oder 10 Stunden, bis eine Flasche Wein abgebaut ist. Wenn der Alkoholgenuss, wie normalerweise üblich, in die Abendstunden fällt, besteht in der Nacht eine höhere Gefahr für Hypoglykämien.
Es gibt mehrere Untersuchungen dazu, dass Menschen mit Diabetes nach dem abendlichen Konsum von z. B. Wein morgens Blutzuckerwerte aufweisen, die um 55 bis 70m g/dl niedriger liegen als ohne Alkohol und sogar im Laufe des Vormittages noch eine Unterzuckerungsneigung zeigen.
Menschen mit Diabetes sollten daher beim Verzehr von Alkohol einige Regeln beachten (s. auch Kasten „Das ist wichtig beim Umgang mit Alkohol“): Grundsätzlich sollte niemals so viel Alkohol getrunken werden, dass man betrunken ist, da dann Hypoglykämien nicht mehr rechtzeitig bemerkt und behandelt werden können.
Alkohol sollte nicht nüchtern getrunken werden, da die blutzuckersenkende Wirkung dann noch schneller eintritt. Die Menge sollte möglichst auf ein Standardglas bei Frauen und zwei Standardgläser bei Männern begrenzt werden. Ein Standardglas bedeutet, dass der Alkohol in der zum Getränk passenden Glasgröße getrunken wird – also Bier entsprechend der Menge eines Bierglases (330 ml) und Wein entsprechend der Menge, die in ein Weinglas (150-200 ml) passt. Zu empfehlen ist die begleitende Aufnahme langwirkender Kohlenhydrate. Faustregel: 1-2 langwirkende KE pro Standardglas Alkohol.
Mixgetränke sollten möglichst vermieden werden, da sie viel Zucker enthalten und den Blutzucker zunächst stark anheben, es aber im weiteren Verlauf zur Unterzuckerung kommen kann. Außerdem sollte für die in Alkohol enthaltenen Kohlenhydrate niemals Insulin gespritzt werden. Auch das birgt eine große Unterzuckerungsgefahr. Vermieden werden sollte auch der Alkoholgenuss nach intensivem körperlichen Training, da der nach dem Training stattfindende „Muskelauffülleffekt“ zu einer verstärkten Aufnahme von Glukose in die Muskelzellen führt und so das Hypoglykämierisiko steigert.
Um die nächtlichen Hypoglykämien zu verhindern, sollte der Blutzucker unbedingt vor dem Schlafengehen kontrolliert und ein Wert von 180-200 mg/dl (10-11,1 mmol/l) angestrebt werden. Um Späthypoglykämien am nächsten Morgen vorzubeugen, ist es besser NICHT auszuschlafen, sondern sich den Wecker zu stellen und ein reichhaltiges Frühstück einzunehmen.
Diese Empfehlungen beruhen auf Beobachtungen und Untersuchungen aus der Zeit, in der noch keine kontinuierliche Glukosemessung (CGM) möglich war. Die Sensoren machen die Glukoseverläufe nach Alkoholgenuss für die Jugendlichen sichtbar und können mit ihrer Alarm- und/oder Abschaltfunktion dazu beitragen, Hypoglykämien vorzubeugen.
Der Konsum illegaler Drogen ist bei Jugendlichen/jungen Erwachsenen nach wie vor verbreitet. Manchmal fühlen sich Jugendliche von Freunden unter Druck gesetzt, Drogen auszuprobieren. Dies ist schon für gesunde Jugendliche nicht ungefährlich, für Jugendliche mit Diabetes bestehen zusätzliche Risiken.
Drogen wie Cannabis beeinträchtigen ebenfalls die Funktion von Gehirn und Nervensystem und schränken damit die Wahrnehmung und das Bewusstsein ein. Dies hat zur Folge, dass Personen sich unter Drogeneinfluss nicht mit der notwendigen Sorgfalt um sich selbst und insbesondere nicht um ihren Diabetes kümmern können.
Es kommt so z. B. zum Auslassen von Insulingaben, zur fehlerhaften Berechnung der Insulinmengen, zur Fehlinterpretation von Glukosewerten und zur eingeschränkten Wahrnehmung von Hypoglykämien. Das Risiko, sowohl für Hypoglykämien als auch für die Entwicklung einer Stoffwechselentgleisung mit hohen Werten, z. B. einer lebensgefährlichen Ketoazidose, sind unter Drogeneinfluss erhöht.
Cannabis wird sowohl für die Produktion von Haschisch als auch für Marihuana verwendet. Marihuana wird aus den grünen Anteilen der Pflanze gewonnen, während Haschisch das aus der Pflanze stammende Harz ist. Haschisch ist meist stärker in der Wirkung und birgt die Gefahr der Überdosierung, insbesondere, wenn es in Keksen oder Milchshakes konsumiert wird. Auch wenn Cannabis oft als harmlose Droge angesehen wird, kann der Konsum zu signifikanten physischen und psychischen Gesundheitsschädigungen führen.
Auch hier können, wie nach Alkoholkonsum, komplexe rationale Entscheidungen, die in der Diabetestherapie erforderlich sind, nicht mehr ausreichend getroffen werden. Die gern gepflegte Kombination von Alkohol und Cannabis erhöht das Risiko zusätzlich. Hinzu kommt, dass Cannabis bei einigen Personen extrem starke Hungerattacken auslöst, die dazu führen, alles zu essen, was gerade erreichbar ist. Dies birgt wiederum die Gefahr ausgeprägter Hyperglykämien und der Ketoazidose.
Stimulanzien wie Amphetamine (z. B. Speed), Metamphetamine (Crystal Meth) und Ecstasy erhöhen die Aktivität und das Selbstbewusstsein. Um möglichst lange aktiv und „gut drauf“ zu sein, werden sie gerne bei Partys und in Clubs konsumiert. Diese Substanzen bergen das Risiko der Dehydratation („Austrocknung“) des Körpers durch erhöhten Flüssigkeitsverlust bei stärkerer körperlicher Betätigung wie anhaltendem Tanzen.
Da diese Substanzen eher appetithemmend wirken, führen sie zusammen mit der stärkeren körperlichen Betätigung zu einer erhöhten Hypoglykämiegefahr. Für Menschen mit Diabetes können diese Drogen daher extrem gefährlich werden, insbesondere wenn nicht genügend getrunken und vor dem Schlafengehen kein Extra-Snack eingenommen wird.
von Dr. med. Nicolin Datz |
Oberärztin Pädiatrie III, Diabeteszentrum für Kinder und Jugendliche „Auf der Bult“ Janusz-Korczak-Allee 12, 30173 Hannover, E-Mail: datz@hka.de |
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2020; 12 (3) Seite 26-28
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