- Eltern und Kind
CGM-Systeme: Wie viele Follower braucht ein Kind mit Diabetes?
4 Minuten
Die Glukosewerte kontinuierlich zu messen, hat viele Vorteile. Auch die Follower-Funktion, mit der Eltern die Glukosekurve ihres Kindes einsehen können, kann sinnvoll genutzt werden. Professor Karin Lange gibt dazu wertvolle Tipps – damit die „folgenden Eltern“ nicht übers Ziel hinausschießen und das Diabetesmanagement zu dominant wird.
Seit fast drei Jahren werden Systeme zur kontinuierlichen Glukosemessung (CGM-Systeme) bei Diabetes durch die Krankenkassen finanziert. Seitdem ist die Zahl der Nutzer sprunghaft gestiegen. Und das mit vielen guten Gründen: Kinder, Jugendliche und Eltern berichten, dass ihnen große Lasten abgenommen würden und sie sehr viel an Sicherheit dazu gewonnen hätten.
Ent- und Belastung durch CGM
Nicht mehr so oft in die Finger stechen, die Hornhaut an den Kuppen verschwindet nach und nach. Man kann mit einem Blick kontrollieren, ob das wackelige Gefühl mit einer Hypo zu tun hat oder ob es schlicht die Aufregung vor einer Klassenarbeit ist. Nachts steigt das Gefühl von Sicherheit, wenn Eltern besonders bei jüngeren Kindern durch einen Alarm geweckt werden, bevor es zu einer Unterzuckerung kommt.
Vielen Eltern gelingt es so erstmals nach Jahren, wieder durchzuschlafen. Und selbst auf dem Spielplatz können Eltern ihre Vierjährigen unbeschwert toben lassen, ohne ständig ein Auge darauf zu haben, ob sich Anzeichen einer Hypoglykämie ankündigen.
Die Follower-Funktion des CGM-Systems zeigt Eltern auf deren Smartphone an, wie sich der Glukosewert des Kindes entwickelt. Und das ist nicht nur über ein paar Meter Entfernung möglich, sondern auch über Tausende von Kilometern.
Die Trendpfeile erlauben nicht nur einen Blick auf den aktuellen Glukosewert, das CGM-System zeigt auch, wie er sich in den letzten Stunden entwickelt hat und in welche Richtung es wahrscheinlich weitergehen wird. Auch diese Informationen können das Gefühl von Sicherheit stärken, sie können aber auch zusätzlich verunsichern.
Wie die Funktion sinnvoll nutzen?
Das ständige Auf und Ab der Glukosekurve, wiederholte Alarme wegen zu hoher oder zu niedriger Werte, wegen eines steilen Anstiegs oder Abfalls, bei fehlendem Kontakt zum Empfänger oder kurz vor Ende der Laufzeit des Senders, können nicht nur stören und „nerven“, sie können auch den Gewinn an Lebensqualität für alle Familienmitglieder erheblich reduzieren.
Schließlich müssen sich Eltern Gedanken dazu machen, wie sie die Follower-Funktion des Systems im Alltag sinnvoll nutzen können und wollen. Jeder kann sich wahrscheinlich lebhaft vorstellen, wie eine Dreizehnjährige (wie Leonie, siehe „Brief an Nadine“) reagieren würde, wenn die Eltern sie und ihren Diabetes über die Follower-Funktion des CGM-Systems überwachen. Pubertät ist schwierig, sie wird aber noch schwieriger, wenn man durch die besorgten Eltern fernüberwacht wird.
Stress durch CGM vermeiden
Der meiste Stress durch CGM-Systeme kann durch die menschliche Psyche erklärt werden. Es ist in unserem Erbgut verankert, dass wir auf Alarme sofort mit Stress reagieren und handeln (Alarmreaktion). Gerade zu Beginn der Sensornutzung fällt es fast allen Betroffenen und Eltern schwer, auf einen Hoch-Alarm beim Überschreiten der Grenze von 180 mg/dl (10 mmol/l) nach dem Frühstück nicht mit zusätzlich Insulin zu reagieren.
Erfahrene Nutzer kennen die Folgen zu häufiger, schneller Korrekturen: wiederholte Hypoglykämien und starke Schwankungen. Und auch bei Hypoglykämien kommt es immer wieder vor, dass viel zu viel Traubenzucker, Saft oder die weniger geeigneten Gummibärchen genommen werden, weil es nach der ersten Warnung noch einige Folgealarme in kurzen Abständen gibt.
Die Sensorunterstützte Pumpentherapie mit Hypo-Abschaltung der Insulingabe funktioniert besser, wenn die Abschaltung den Eltern und Kindern nicht gemeldet wird. Warum? Sobald Eltern und Kinder die Abschaltung durch ein Signal gemeldet wird, fangen sie an, etwas zu tun, es gibt zusätzlich Traubenzucker. Die Folge sind viel zu hohe Anstiege nach dem niedrigen Wert.
Strategien zur Vermeidung von Überreaktionen
Diese menschlichen Reaktionen werden heute in den Schulungen zu CGM-Systemen angesprochen und hilfreiche Strategien zur Vermeidung von Überreaktionen vermittelt:
- Zu Beginn der CGM-Nutzung sollten nur die Alarmgrenzen eingegeben werden, auf die man reagieren will, d. h. zuerst nur Warnungen vor Hypoglykämien.
- Die Alarmgrenzen sollten realistisch sein, d. h. einen Hoch-Alarm zunächst bei 240 mg/dl (13,3 mmol/l) einstellen, die Grenze kann später gesenkt werden.
- Es sollte bei Kindern nur dann ein Alarm eingestellt werden, wenn das Kind selbst oder ein Betreuer darauf reagieren kann (und will); Niedrig-Alarme sind immer hilfreich und unverzichtbar, Hoch-Alarme nur, wenn jemand sicher handeln kann.
- Abhängig von der Diabetesdauer, der Art der Insulintherapie und dem Entwicklungsstand jedes Kindes sind ganz individuelle Alarmeinstellungen bei den verschiedenen Sensorsystemen unverzichtbar; das sollte persönlich besprochen werden.
- Jedes Elternteil und jeder Jugendliche sollte die Bedeutung der Trendpfeile des eigenen Systems genau kennen und einschätzen können. Dabei sollten alle auch verstehen, dass sich die Richtung der Trendpfeile relativ schnell ändern kann.
- Der altbekannt Satz: „In der Ruhe liegt die Kraft“ bewahrheitet sich im Umgang mit kontinuierlichen Glukosedaten immer wieder.
- Eltern und Kinder sollten sich darüber verständigen, ob und wie die Eltern den Glukoseverlauf ihrer Kinder über die Follower-Funktion beobachten, während das Kind im Kindergarten, in der Schule oder auf Klassenfahrt ist. Mit der Beobachtung aus der Ferne ist es aber nicht getan, es muss auch geklärt werden, wann die Follower wie eingreifen können und dürfen.
Wie viel Überwachung durch die Follower-Funktion ist hilfreich?
Diese Frage kann nur sehr individuell beantwortet werden. Dazu ein Beispiel: Eine Kollegin, die seit über 50 Jahren gut mit Typ-1-Diabetes lebt und nie eine schwere Hypo hatte, wurde von einer engagierten jungen Ärztin gefragt, wer die Follower ihrer CGM-Daten seien.
Die erfahrene Patientin, die die ersten zehn Jahre Diabetes in der Kindheit ohne Blutzuckerkontrollen erlebt hatte und heute noch jede Hypo frühzeitig spürt, hatte die Frage der Ärztin zunächst nicht verstanden. Sie fühlte sich ihr Leben lang sicher, hatte Respekt vor Hypos, aber keine Angst, und kam gar nicht auf die Idee, dass jemand anderes wegen ihres Diabetes nach ihr schauen müsste.
Heute bedeutet es für viele Eltern von Kleinkindern mit Typ-1-Diabetes eine enorme Entlastung und Sicherheit, wenn sie den Verlauf der Glukosewerte auf ihrem Smartphone verfolgen können. Wenn sie dabei gelassen bleiben, nur ab und zu kurz auf das Display schauen, nur handeln, wenn es wirklich nötig ist, und dem Kind sonst eine ganz normale Kindheit ermöglichen, dann trägt das CGM-System zu guter Lebensqualität der ganzen Familie bei.
Wichtig: Die Familie nicht von Glukosewerten beherrschen lassen!
Sehr besorgte Eltern schauen dagegen ständig auf die Glukosekurven, geben Insulin zur Korrektur, dann wieder zusätzliche Nahrung, um Hypos zu vermeiden und fühlen sich immer hilfloser. Das Kind gerät immer mehr in den Hintergrund, die Glukosewerte beherrschen die Familie. Durch die Follower-Funktion kommen die Eltern sogar dann nicht zur Ruhe, wenn das Kind im Kindergarten betreut wird.
Die Eltern rufen wiederholt im Kindergarten an, die anfangs engagierten Erzieherinnen reagieren zunehmend abweisend. Die ständige Angst der Eltern überträgt sich auf Kind und Betreuer. Die Eltern sind damit an einem Punkt, an dem der Wunsch nach noch mehr Sicherheit für das Kind in das Gegenteil umschlägt, die seelische Entwicklung und Gesundheit des Kindes wird ebenso beeinträchtigt wie die wichtige Integration in die Gruppe der Gleichaltrigen. Hier sollten Eltern umdenken.
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2019; 11 (3) Seite 14-16
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche, 1 Tag
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 3 Tagen, 10 Stunden
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 2 Wochen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 1 Woche, 3 Tagen
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 5 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 2 Wochen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 1 Woche, 1 Tag
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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