- Eltern und Kind
Diabetes-Spürhunde: Nachweise fehlen
4 Minuten
Es gibt zahlreiche Zeitungsberichte über Hunde, die Unterzuckerungen erspüren und so Menschen mit Diabetes helfen können. Sollten diese Diabetes-Spürhunde rechtlich als Hilfsmittel wie ein Blindenführhund gelten? Sind sie von der Hundesteuer zu befreien? Der Vorstand der Deutschen Diabetes-Hilfe sagt nein. Warum?
Eine Zeitung berichtet: “Der Diabetes-Spürhund soll zu Lauras ständigem Begleiter werden. Er soll in der Schule an ihrer Seite sein und auch nachts in ihrem Zimmer schlafen, um wirklich jede Unterzuckerung sofort zu bemerken. Unter Umständen kann der Hund Lauras Leben retten.”
Aufwendiges Training
Mit Berichten wie diesem werden an vielen Orten für betroffene Kinder Gelder gesammelt, weil sich die Menschen davon einen Schutz vor Unterzuckerungen versprechen. Ganz einfach zusammengefasst kann man sagen: Der Hund wird in der Ausbildung zum Diabetes-Spürhund auf einen Geruch konditioniert, dem er eine Anzeige folgen lässt, die wiederum für den Hund ein Feuerwerk an Belohnung mit sich bringt.
Das Training ist bislang nicht standardisiert. Allein das Abnehmen zahlloser Geruchsproben für das Training ist sehr aufwendig. Die Trainer brauchen für die Ausbildung viele Informationen, um bestimmte Blutzuckerwerte einem bestimmten Gesundheitszustand zuordnen zu können.
Als Kosten für eine solche Ausbildung sind im Internet Preise von 6.000 – 20.000 Euro zu finden. Aber manche Hundebesitzer werden sich wohl zunächst dafür entscheiden, an einer “Gruppenstunde im Assistenzhundezentrum für 35 Euro” teilzunehmen. Eine Qualitätsüberprüfung oder Vergleichbarkeit der Angebote ist schwierig.
Was sagt die Wissenschaft?
Die renommierte Fachzeitschrift Diabetes Care hat hierzu eine Studie aus Portland (Oregon, USA) veröffentlicht. Dabei wurden in einer verblindeten Untersuchung drei Diabetes-Spürhunde von drei Patienten zwischen 25 und 57 Jahren mit 24 Geruchsproben getestet. Verblindet bedeutet, dass der Untersucher und das Tier nicht wussten, um welche Probe es sich handelte. Alle drei Hunde waren nach Einschätzung ihrer Besitzer fähig, bei ihnen zu Hause zuverlässig Unterzuckerungen zu erspüren.
Das wissenschaftliche Ergebnis war niederschmetternd: In dieser ersten kontrollierten Studie waren die Hunde nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent (also dem Zufall gleich) in der Lage, allein am Geruch die Unterzuckerung zu erspüren. Offenbar spielen beim Erkennen der Unterzuckerung Verhaltensaspekte und die direkte Interaktion zwischen Hund und Patient eine größere Rolle als Gerüche der Haut, die durch die Unterzuckerung ausgelöst werden.
Fehlende Studien
Betrachtet man den Hund als Hilfsmittel, wie ein Glukosemessgerät, und diskutiert womöglich eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen, so fehlen fraglos noch weitere wissenschaftlich gut durchgeführte Untersuchungen. Auch muss der Diabetes-Spürhund sich dem Vergleich mit der bereits erhältlichen Technologie stellen: der kontinuierlichen subkutanen Glukosemessung (CGM).
Vergleich mit der kontinuierlichen Glukosemessung
Für die CGM liegen mehrere wissenschaftliche Studien vor, die eine zuverlässige Alarmierung bei drohenden Unterzuckerungen durch die Technik belegen. Und sie zeigen eine statistisch relevante (signifikante) Reduktion von Unterzuckerungen bei regelmäßiger Anwendung. Natürlich gibt es auch Berichte, wonach die Patienten auf die Unterzuckerungs-Alarme nicht reagiert haben – aus welchem Grund auch immer. Diese fehlende Reaktion auf Alarme ist aber sicher auch bei einem Diabetes-Warnhund nicht ausgeschlossen.
Anders als beim Hund besteht bei der Kombination von subkutaner Glukosemessung und Insulinpumpe die Möglichkeit der Hypo-Abschaltung: Die Pumpe unterbricht die Insulinzufuhr bei einem niedrigem Glukosespiegel und sorgt so für mehr Sicherheit, auch im Schlaf. Letztendlich gehört zu einer solchen Gegenüberstellung auch der Vergleich der Anschaffungs-/Trainingskosten sowie der laufenden Aufwendungen.
Auch hier schneidet der technische Ansatz wahrscheinlich nicht schlechter ab. Nur bei der Lebensqualität fällt das Ergebnis positiv für die Spürhunde aus. Als Kinderdiabetologe und im täglichen Austausch mit unserer Australian-Shephard-Hundedame Lilly ist mir sofort klar: Sich mit einem Haustier zu beschäftigen, ist um vieles angenehmer und befriedigender als die Konfrontation mit den Kapriolen des auf der Haut klebenden Glukosesensors.
Realistische Einschätzung: Nutzen und Schaden
Seriöse Hundezüchter geben sofort an, dass der Hund keine übliche Glukosemessung ersetzen kann und jemals ersetzen wird. Die Selbstwahrnehmung und deren Schulung sowie das regelmäßige Blutzuckermessen werden und dürfen auf gar keinen Fall durch den Hund vernachlässigt werden.
Der Hund dient also nach Angaben einer erfahrenen Hundetrainerin lediglich als ein zusätzliches, kombinierbares Hilfsmittel, das Hinweise auf Zuckerwerte geben kann, aber keinen Schutz darstellt und schon gar nicht Verantwortung übernimmt: der Spürhund quasi als Hilfsmittel für Menschen mit Diabetes in besonderen Situationen. Dazu zählen nach ihren Angaben vor allem alleinlebende Diabetiker und Kleinkinder mit Diabetes, Jugendliche mit extremen Schwankungen während der Pubertät sowie Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen und zusätzlichem Diabetes.
Sie berichtet, dass sich die von ihr befragten Spürhund-Besitzer durch die einjährige Ausbildung des Hundes sehr intensiv mit ihrer Erkrankung und auch ihrer Unterzuckerungs-Wahrnehmung auseinandergesetzt haben. Sie hätten durch das Training ihren Körper und die Symptome besser verstehen gelernt. Demnach wäre der Hund also nicht nur ein Blutzucker-Optimierer, sondern würde auch als Motivator wirken. Allerdings hat ihr auch niemand geschildert, dass sein Hund ihn vor einer lebensbedrohlichen Situation gerettet hat.
Kein etabliertes Diabetes-Hilfsmittel
Unser Ziel muss es sein, dass jeder Mensch mit Diabetes seine Hypos sicher spürt und sofort reagiert. Wichtig ist auch, dass Kinder mit Diabetes nicht durch überzogene Ängste der Eltern unselbständiger gemacht werden, als sie sein könnten. Dazu trägt auch die Werbung für solche Hunde bei.
Gerade Kindern mit Diabetes muss vermittelt werden, dass sie selbst sehr kompetent sind, sich selbst gut helfen können und genauso leistungsfähig sind wie alle anderen Kinder. Der Hund könnte die Kinder ins Abseits drängen und sie zu “hilfsbedürftigen Kranken” macht. Ob das eine gute Zukunftsperspektive ist?
Weil der wissenschaftliche Wirksamkeitsnachweis fehlt und effektivere Verfahren zur Unterzuckerungserkennung und -behandlung zur Verfügung stehen, fehlt gegenwärtig die Grundlage, um Diabetes-Spürhunde als etabliertes Hilfsmittel einzustufen.
von Prof. Dr. Thomas Danne
Kinderdiabetologe, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin „Auf der Bult“, Hannover, Vorstandsvorsitzender diabetesDE
Kontakt:
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz, Tel.: (06131) 9 60 70 0,
Fax: (06131) 9 60 70 90, E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2014; 7 (1) Seite 6-7
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 2 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 1 Woche, 5 Tagen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 1 Woche, 1 Tag
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 5 Tagen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 6 Tagen, 22 Stunden
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig