- Eltern und Kind
Ein Auslandsschuljahr in Amerika
4 Minuten
Als ich mit eineinhalb Jahren Typ-1-Diabetes bekam, sorgten sich meine Eltern, dass ich in meinem Leben eingeschränkt sein würde. Jetzt bin ich 16 und habe ein ganzes Jahr im Ausland verbracht, und das trotz Diabetes. Ich komme ursprünglich aus Österreich und war 2021/22 in Amerika in Shaker Heights, einem kleinen Vorort von Cleveland, Ohio. Ich habe bei einer Gastfamilie gewohnt und eine amerikanische High School besucht.
Immer mehr Jugendliche machen ein sogenanntes Auslandsjahr, und als ich 13 Jahre alt war, wurde auch in mir der Wunsch wach, in einem anderen Land zu leben. Anfangs dachte ich, dass es für mich mit Typ-1-Diabetes unmöglich wäre, ein Auslandsjahr zu machen. Wie sollte ich regelmäßige Arztbesuche durchführen und Medikamente bekommen? Es schien vor allem auch wegen der ganz anderen Krankenversicherung in Amerika völlig unmöglich. Meine Mutter hatte vor allem die Sorge, dass ich noch nicht dazu bereit wäre, mich allein um meine Erkrankung zu kümmern und bei einem Notfall keine Unterstützung hätte. Doch ich wollte nicht so schnell aufgeben, denn ich fand es ungerecht, dass mein Traum an einer Krankheit wie Diabetes scheitern sollte. Ich begann nachzuforschen, ob andere mit Diabetes in derselben Situation waren und was für Möglichkeiten es gäbe, die Hürde Diabetes zu überwinden. Das habe ich geschafft!
Relativ früh wussten wir, dass es keine Option war, die Medikamente in den USA zu kaufen. Meine Auslandskrankenversicherung übernahm nämlich keine Kosten für schon bestehende Krankheiten, deswegen hätten wir über 500€ jeden Monat nur für Insulin ausgeben müssen. Darum musste ich all meine benötigten Utensilien im Koffer mit dem Flugzeug von Österreich in die USA bringen. Die erste Schwierigkeit war das Besorgen des Jahresvorrats. Es war relativ einfach, die Menge an Insulin, Bolus und Basal, zu bekommen, da wir zum Hausarzt gehen konnten, jeweils ein Rezept bekamen und das Insulin von der Apotheke abholen konnten. Für die Sensoren und die Pen-Nadeln war es etwas schwieriger, da die Krankenkasse das Zubehör normalerweise nur für ein Quartal, also für 3 Monate zustellt. Da mein Auslandsjahr aber 10 Monate lang war, mussten wir uns mit meiner Krankenkasse in Verbindung setzen. Glücklicherweise waren sie sehr zuvorkommend und haben uns innerhalb kurzer Zeit eine Bewilligung erstellt, um den Bedarf für 1 Jahr abzudecken. Ein paar Wochen vor meiner Abreise haben wir alles problemlos zugeschickt bekommen. Für den Flug selbst brauchten wir noch einige Dokumente für die Einfuhr von Medikamenten. Ich hatte eine Bestätigung von meinen Ärzten, was mein Jahresbedarf sei, sowie eine Bestätigung der Organisation, mit der ich ins Ausland gegangen bin (AFS), für meinen Aufenthalt in den USA. Zusätzlich brauchte ich noch eine Erlaubnis von meinen Ärzten, um Flüssigkeiten (Insulin) und spitze Gegenstände (Nadeln) überhaupt im Handgepäck transportieren zu dürfen. So ein Schreiben mitzuführen, würde ich jedem empfehlen. Beim Hinflug waren meine Koffer hauptsächlich mit Diabetes-Zubehör gefüllt. Temperaturen im Lagerraum des Flugzeugs sind gut aushaltbar für Sensoren (Nadeln und Messstreifen sowieso) und das Insulin habe ich mit Coolpacks und in Styropor verpackt im Handgepäck transportiert. Der Flug ist gut verlaufen, und alle Medikamente haben ihn sicher überstanden.
Wie eine zweite Familie
Auch wenn beide meiner Gasteltern keine Erfahrung mit Diabetes hatten, haben sie mich großartig unterstützt. Sie hatten schon vor meiner Ankunft viel über die Krankheit recherchiert und hatten ein gutes Bild von der Behandlung. Natürlich hatten wir zusätzlich noch ein ausführliches Gespräch über die wichtigsten Informationen zum Diabetes und meine persönliche Therapie. Ich erklärte ihnen vor allem den Umgang mit einer starken Unterzuckerung oder Überzuckerung, sowie die Anwendung der Notfallspritze und des Notfallsprays. Außerdem machte ich sie auf meine jeweiligen Symptome aufmerksam, damit sie mich ans rechtzeitige Blutzuckermessen erinnern können. Sie waren wirklich eine tolle Unterstützung, da ich sonst hauptsächlich auf mich allein gestellt war.
Virtuelle Arztgespräche
Ich entschied mich nämlich dafür, keine Diabetologen in Amerika aufzusuchen. Diese Entscheidung fiel relativ schnell, da die Kosten wieder viel zu hoch waren. Außerdem wären neue Ärzte nicht mit meiner Therapie und österreichischen Medikamenten vertraut. Deswegen haben ich mit meinen österreichischen Ärzten die regelmäßigen Kontrollen über Zoom durchgeführt. Vor jeder Kontrolle fuhr ich in ein medizinisches Zentrum, wo mein HbA1c gemessen wurde, und mit diesem Wert und der Dokumentation von den letzten Wochen über die LibreLink App konnten wir eine gut funktionierende Therapie festlegen. Glücklicherweise verlief das Jahr problemlos ohne irgendwelche schweren Notfälle. Tatsächlich war mein durchschnittlicher HbA1c besser als in Österreich, was an einer dazugewonnenen Selbstständigkeit und Selbstverantwortung liegen könnte. Früher habe ich mich immer auf die Hilfe meiner Eltern verlassen können, aber durch eben diese Änderung, verbesserte sich mein Umgang mit Diabetes. Obwohl das Jahr gut verlief, gab es natürlich ein paar spannende Momente…
Wir hatten einen lang andauernden Stromausfall in unserer Nachbarschaft in den ersten 24 Stunden nach meiner Ankunft. Das Insulin konnte nicht mehr im Kühlschrank gekühlt werden. Glücklicherweise konnten wir es aber rechtzeitig zu Nachbarn bringen. Nur wenige Tage danach gab es das nächste Problem: Libre Sensoren sind in Kombination mit der LibreLink App auf Länder spezifiziert. In Österreich konnte ich meine Sensoren mit der App auf meinem Smartphone scannen, doch mein amerikanisches Handy konnte nur die amerikanische LibreLink App downloaden, und sich deswegen nicht mit den mitgebrachten österreichischen Sensoren verbinden. Deswegen musste ich immer zwei Smartphones zur Hand haben, da die LibreLink App als Hauptübertragung der Daten zu meinen österreichischen Ärzten funktionierte.
Gegen Ende des Jahres ging unerwartet das Insulin zur Neige, und das trotz unserer genauen Planung und obwohl wir schon einen großen Puffer eingerechnet hatten. Der Spielraum war nicht groß genug für das extrem zuckerhaltige Essen in den USA. Meine Eltern schickten ein kleines Paket von Österreich in die USA mit Expressversand, der etwa 50€ kostete. Das Inulin wurde wieder sicher in Coolpacks und Styropor verpackt und kam unbeschadet bei mir an.
Die Welt steht uns offen!
Ich habe unglaublich viel aus meiner Auslandserfahrung mitgenommen: vor allem, dass ich mich niemals durch Diabetes aufhalten lassen werde. Es gibt immer einen Weg, auch mit der Krankheit Neues auszuprobieren und Abenteuer zu wagen. Und auch wenn mal Probleme auftauchen, gibt es meistens eine Lösung. Ich bin sehr dankbar für all die Erfahrungen, die ich machen konnte, wie ich ein zweites Zuhause und eine zweite Familie gefunden habe, wie ich mich in einem fremden Land allein zurechtgefunden habe, und wie viel von den USA ich sehen konnte (New York City, Los Angeles, Chicago und natürlich Cleveland). Mein Auslandsjahr hat mich auf jeden Fall positiv verändert, meine Persönlichkeit und meinen selbstständigen Umgang mit Diabetes. Ich bin sehr stolz auf mich dafür, dass ich diese Reise gewagt und geschafft habe, und hoffe, dass ich andere junge Menschen mit Diabetes dazu inspirieren kann, sich auch in die große weite Welt zu begeben.
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2022; 13 (4) Seite 20-22
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 2 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 1 Woche, 6 Tagen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 1 Woche, 2 Tagen
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 5 Tagen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 1 Woche
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig