Hoffnung für Betazellen?

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Hoffnung für Betazellen?

Seit kurzem sorgt ein neu entdeckter Botenstoff für Diskussionen: Betatrophin hat sich bei Mäusen als Wachstumshormon für insulinproduzierende Betazellen erwiesen. Ob das auch bei Menschen so funktioniert, und was das für Menschen mit Diabetes bedeuten könnte, wird gerade erforscht.

Betazellen vermehren sich auch noch bei Erwachsenen

Zentrales Problem sowohl bei Typ-1- wie auch Typ-2-Diabetes ist der Verlust von insulinproduzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse. Es ist seit einiger Zeit bekannt, dass auch bei lange bestehendem Typ-1-Diabetes immer noch vereinzelte Betazellen nachzuweisen sind.

Daher konzentrieren sich viele Forschungsansätze darauf, diese Insulinproduzenten anzuregen, sich wieder zu vermehren. Während man früher davon ausging, dass Betazellen nicht nachwachsen können, weiß man inzwischen, dass sie sich auch im Erwachsenenalter noch vermehren können.

Betazellen können neu gebildet werden

Während einer Schwangerschaft, vielleicht aber auch beim beginnenden Typ-2-Diabetes kann der Körper die Zahl der Betazellen im Pankreas steigern, um den vermehrten Insulinbedarf zu decken. In der Schwangerschaft ist der Bedarf erhöht, weil der Fetus das Hormon benötigt, beim Typ-2-Diabetes muss die Insulinresistenz kompensiert werden.

Ursprünglich gingen die Forscher davon aus, dass in diesen Fällen nur die vorhandenen Betazellen ihre Insulinproduktion steigern. Tatsächlich werden aber auch neue Betazellen gebildet.

Neues Hormon bei Mäusen entdeckt

Anfang des Jahres wurde in der naturwissenschaftlichen Fachzeitschrift Cell ein aufsehenerregender Artikel zu den möglichen Steuerungsmechanismen der Betazellvermehrung veröffentlicht. Professor Douglas Melton und Mitarbeiter vom Harvard Stem Cell Institute in Cambridge/Massachusetts beschrieben bei Mäusen einen bisher unbekannten Botenstoff, den sie Betatrophin nannten. Das Hormon wird vor allem in der Leber, aber auch im Fettgewebe gebildet und ans Blut abgegeben.

Nach der Injektion des Betatrophin-Gens in die Leber wurde bei Mäusen die Zahl der Betazellen bis um den Faktor 30 gesteigert, berichteten die Forscher. Die Wirkung setzte innerhalb einer Woche ein. Die Insulinproduktion wurde erhöht und der Blutzucker diabetischer Mäuse normalisiert. Trotz der relativ starken Vermehrung blieben die vorhandenen Betazellen aber unverändert funktionsfähig.

Betatrophin …
  • ist ein neu entdeckter Botenstoff bzw. ein Hormon,
  • konnte bei Mäusen die Zahl der Betazellen steigern,
  • könnte im Idealfall zukünftig eine Insulingabe ergänzen oder sogar ersetzen.

Betatrophin-Gen auch bei Menschen

Inzwischen weiss man, dass das Betatrophin-Gen auch bei Menschen vorkommt. Es liegt bei Mäusen auf Chromosom 9 und bei Menschen auf Chromosom 19. Es ist bei allen Säugetieren zu finden, was für seine Bedeutung spricht. Allerdings ist bis heute unklar, mit welchem Rezeptor Betatrophin reagiert; ebenso unklar ist der zelluläre Wirkmechanismus.

Wenn also Betatrophin bei Menschen eine ähnliche Wirkung hätte wie bei Mäusen, so die Spekulation der US-Forscher, dann könnte man bei Typ-1-Diabetes (und natürlich auch bei Typ-2-Diabetes) durch (tägliches, wöchentliches, monatliches?) Spritzen von Betatrophin eine Wirkung erzielen. Dies wäre theoretisch möglich, solange die Autoimmunerkrankung nicht alle Betazellen zerstört hat und eine Reserve zur Regeneration vorhanden ist.

Behandlung mit Betatrophin-Spritzen?

Grundsätzlich ist es also denkbar, dass man Betatrophin gentechnologisch herstellen und Menschen dann zum Beispiel spritzen könnte. Die Entdeckung des neuen Hormons hat auch die Industrie auf den Plan gerufen. Die Hamburger Firma Evotec hat sich bereits im März 2011 die Lizenz zur Entwicklung eines Wirkstoffs gesichert. Im letzten Jahr wurde mit dem Pharmariesen Janssen eine CureBeta-Initiative gegründet.

Noch viele Fragen

Aber natürlich gibt es noch viele Fragen zu klären, bevor eine Gabe von Betatrophin eine Insulingabe ersetzen könnte. Nicht nur der Wirkmechanismus ist ungeklärt; es ist auch noch nicht sicher, ob Betatrophin nur auf die Bauchspeicheldrüse wirkt oder auch das Wachstum anderer Zellen (unerwünscht!) anregt. Nach der langen Phase der Grundlagenforschung scheinen aber die Voraussetzungen gut zu sein, diese Ergebnisse rasch in klinische Versuche umzusetzen.

Einen Dämpfer erhielten die Hoffnungen zu Betatrophin im September, als es Forschern aus Schweden gelang, die Betatrophin-Spiegel bei Erwachsenen mit und ohne Typ-1-Diabetes zu bestimmen. In einer Veröffentlichung der europäischen Fachzeitschrift Diabetologia waren die Werte bei 33 Patienten mit Typ-1-Diabetes ungefähr doppelt so hoch wie bei den Kontrollen.

Insofern scheint die Situation bei Menschen mal wieder anders zu sein als bei Mäusen: Offenbar schützen also bei Menschen erhöhte Betatrophin-Spiegel nicht vor einem Verlust der insulinproduzierenden Zellen.

Hoffnung für die Betazellen

Trotzdem bleibt dieses ein spannendes Forschungsgebiet. Denn schließlich ist nicht ausgeschlossen, dass es durch die Gabe hochdosierten Betatrophins oder die Kombination des neuen Hormons mit immunmodulierenden Substanzen auch bei Menschen zu einer Vermehrung der insulinproduzierenden Zellen kommen könnte. In jedem Fall wird die weitere Forschung unser Verständnis fördern, wie das Wachstum der Betazellen reguliert wird.

Die gute Nachricht bleibt: Auch wenn zum Zeitpunkt der Diabetesmanifestation nicht mehr genug insulinproduzierende Zellen da sind, um den Blutzucker in normalen Bahnen zu halten, heißt das nach den neusten Forschungsergebnissen nicht, dass für die verbliebenen Betazellen in Zukunft keine Hoffnung mehr besteht.


von Prof. Dr. Thomas Danne
Kinderdiabetologe, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin „Auf der Bult“, Hannover, Vorstandsvorsitzender diabetesDE

Kontakt:
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz, Tel.: (06131) 9 60 70 0,
Fax: (06131) 9 60 70 90, E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de

Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2013; 6 (4) Seite 6-7

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