Ich bin eine Mutter und habe Diabetes

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Ich bin eine Mutter und habe Diabetes

Unter uns DiabetikerInnen gibt es auch einige Mütter. Viele dieser Mütter mit Diabetes haben einen Beruf, gehen arbeiten und sind nebenbei als Familienmanagerin tätig. Wenn eine Mutter zusätzlich einen Diabetes (meist Typ-1-Diabetes im gebärfähigen Alter) managt, leistet sie Hochleistungssport. Ich spreche aus Erfahrung. Denn ich selbst bin seit 32 Jahren Typ-1-Diabetikerin und seit 7 Jahren Mutter.

Quelle: Heike Marth

Diabetesroutine am Morgen

Früh um 6 Uhr klingelt bei mir der Wecker. Ich gehe als Erstes in die Küche und schalte die Kaffeemaschine an. Ohne Kaffee am Morgen geht nichts!

Als Zweites kommt sofort mein Diabetes an die Reihe. Ich schaue auf mein Handy. Wie hoch ist mein aktueller Morgen-Gewebezucker? Falls der Gewebezucker zu hoch ist, gebe ich mir sofort mein Korrekturinsulin und zugleich das Frühstücksinsulin mit meiner Insulinpumpe.

Als Drittes schaue ich erneut aufs Handy und muss meinen Sensor kalibrieren. Ich messe zunächst meinen Blutzucker blutig am Messgerät und gebe anschließend den aktuellen Blutzuckerwert in meine Eversense-Handy-App ein. Dies nimmt 15 Minuten in Anspruch.

Erst danach kommt meine Tochter in die Küche. Sie führt mit mir einen kurzen Morgenplausch, während ich das Frühstück für die Familie vorbereite. Dabei koche ich extra für mich einen Haferkleiebrei, während meine Tochter und mein Mann oft nur ein Butterbrot oder einen Joghurt essen. Ist das Frühstück beendet, lade ich meinen Eversense-Transmitter auf. Ich setze ihn jeden Morgen neu. Während der Transmitter lädt, mache ich meine Morgentoilette zusammen mit meiner Tochter. Ich kontrolliere dabei gleichzeitig den Insulinvorrat meiner Insulinpumpe. Ist noch genügend Insulin in der Pumpe? Muss ich meinen Katheter wechseln?

Das Diabetesmanagement am Morgen kostet viel wertvolle Zeit, in der ich lieber mit meiner Tochter einen Plausch halten oder ihr beim Anziehen helfen würde. Eine günstige Voraussetzung für einen stressfreien (Arbeits-)Morgen ist immer, dass meine Gewebezuckerwerte im grünen Bereich liegen (d.h. zwischen 70 (3,9) und 140 mg/dl (7,8 mmol/l)) und die Technik problemlos funktioniert. Das ist leider nicht immer der Fall.

Quelle: Heike Marth

Wie oft habt ihr zu hohe oder zu niedrige Werte? Wie oft macht bei euch eines der technischen Diabetes-Geräte ein Problem?

All das verlangt dann nach zusätzlicher Zeit. Und die ist – jedenfalls bei mir – am Morgen immer sehr knapp bemessen.

Denn meine Tochter muss pünktlich in die Schule gehen. Und ich muss nach dem Frühstück mit dem Rad zur Arbeit fahren, damit ich rechtzeitig ankomme. Ohne Unterzucker, denn das könnte auf dem Rad gefährlich werden, oder die Arbeitskollegen schauen mürrisch, weil ich zu spät komme.

Warum ist der Alltag von Muttersein mit Diabetes so herausfordernd?

Ich gebe euch wieder ein (zugegeben eher triviales) praktisches Beispiel: Ich liege mit meiner Tochter im Bett und lese eine Gute-Nacht-Geschichte vor. Ich merke bereits, dass mein Zuckerwert sinkt. Ich hole mir schnell eine Banane. Meine Tochter sieht die Banane und hat auch wieder Hunger. Die Zähne sind aber bereits geputzt. Darf ich sie nochmal von der Banane abbeißen lassen? Wir haben nun einen Deal beschlossen. Wenn ich während der Gute-Nacht-Geschichte noch eine Banane esse und sie auch etwas davon isst, putzen wir im Anschluss noch einmal (diesmal nur verkürzt) die Zähne. Denn mir sind die Zähne bei meiner Tochter sehr wichtig!

Diabetes und „Hypos“ verlangen häufiger Zwangspausen

Am meisten stören im Alltag die „ungeplanten Hypos“. In der heutigen Arbeits-, Frauen- und Mütterwelt existiert sehr viel Druck. Da sind „Hypos“, die den Rhythmus stören, fehl am Platz. Also verlangt es beständig extrem hohe Achtsamkeit, dass der Diabetes nicht aus der Balance gerät. Diese nötige Achtsamkeit fehlt dann aber oft in anderen Bereichen. Wenn meine Tochter einen Termin in der Musikschule hat, aber ich in diesem Moment eine „Hypo“ habe, dann esse ich schnell eine Banane. Es muss weitergehen! Leider auch ohne eine Pause.

Diabetes verlangt nach einem stabilen Umfeld!

Ohne eine gut funktionierende Partnerschaft und einen Beruf, in denen mein  Diabetes gut zu integrieren ist, würde mein Diabetes noch stärker schwanken. Ein großer Dank gilt meinem Mann, der sich als Typ-F-Diabetiker immer wieder sehr ausdauernd und rücksichtsvoll an das System „Diabetes“ anpasst. Ohne seine wertvolle Unterstützung im Muttersein und mit meinem Diabetes wäre vieles nicht durchführbar.

Diabetes bedeutet viel Zeit und Aufmerksamkeit

Ich vergleiche mein Leben mit dem Diabetes mit einem Marathonlauf. Wir Diabetiker laufen nicht nur EINEN Marathonlauf, sondern absolvieren  VIELE Marathonläufe während eines Diabetes-Lebens. Das Leben mit Diabetes und den heutigen zahlreichen technischen Hilfsmitteln funktioniert an sich sehr gut, nur dürfen sich die äußeren Umstände nicht verändern. Wenn das Kind krank wird, der Partner schlecht gelaunt ist, die weiblichen Hormone verrücktspielen, ich mir ein Bein breche oder es im Job Schwierigkeiten gibt … alle diese Dinge machen sich bei den Gewebezuckerwerten bemerkbar! Speziell bei uns Frauen gibt es da häufig durch Kinder oder Beruf viele wechselnde Gegebenheiten, die das Boot und damit den Diabetes zum Schwanken bringen können.

Quelle: Heike Marth

Ich habe in meinem Artikel nur wenige Szenen aus meinem Diabetesalltag als Mutter beschrieben. Vielleicht kennen die Frauen und Mütter unter unseren LeserInnen vergleichbare Augenblicke, in denen sie Diabetes, Beruf und das Mutter-Dasein schaukeln müssen.

Habt ihr manchmal auch ein schlechtes Gewissen, wenn zuerst euer Diabetes und erst dann euer Kind an der Reihe ist? Schreibt es an die Community, um das Frausein mit Diabetes in der Community noch sichtbarer zu machen.


Über das Leben als Mutter mit Typ-1-Diabetes hat auch Vivi schon öfter berichtet: Die Nach-Entbindungs-„Hypo“ und die Schwangerschaftsdemenz

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