IdeenExpo in Hannover: Berufswahl mit Diabetes

6 Minuten

© Kirchheim-Verlag
IdeenExpo in Hannover: Berufswahl mit Diabetes

Die Berufswahl ist für Teenager eine bedeutende Entscheidung, die ihren zukünftigen Lebensweg maßgeblich beeinflusst. Für Jugendliche mit Typ-1-Diabetes kommen zusätzliche Herausforderungen hinzu, da sie ihre gesundheitlichen Bedürfnisse in das Planen ihres Berufswegs einbeziehen müssen. Ein frühzeitiges Ausloten der Interessen und die daraus resultierende Orientierung machen es leichter, eine erfüllende und erfolgreiche Karriere zu verfolgen, die sowohl den persönlichen Interessen als auch den gesundheitlichen Anforderungen gerecht wird.

Berufsziel Polizei: Mit Diabetes Typ 1 bisher noch ein wortwörtlicher Traumberuf.

Zunächst wurden die Jugendlichen von einem ­Guide geführt, später erkundeten sie die Messe selbstständig und durch ihre Interessen geleitet.

Erkenntnisse und Enttäuschungen

Die IdeenExpo in Hannover – Europas größte Messe, um den passenden Beruf zu finden – bot hier eine willkommene Hilfe zur Orientierung, die im Verein Diabetiker Niedersachsen organisierte Jugendliche mit Typ-1-Diabetes zu nutzen wussten. In Kooperation mit dem Projekt "Diabetiker Kids" des Rotary Clubs Bad Orb konnte ein zweitägiger Messebesuch organisiert werden, der es in sich hatte. Neben vielen positiven Erkenntnissen hielt er aber auch kleine Enttäuschungen parat.

Viele der angereisten Jugendlichen hatten ernsthaftes Interesse am Dienst bei der Polizei, sowohl Victoria (12 Jahre), Lina (14), Marie (14) als auch Angelina (16) hatten mehr als den Wunsch nach reinem Entertainment am Info-Stand der Polizei Niedersachsen. Doch nach Vorschrift ist der Dienst als Polizeibeamte für Menschen mit Typ-1-Diabetes ausgeschlossen. Nach Aussage von Katrin Schulz von der Polizei Niedersachsen sei das Risiko von Stoffwechsel-Entgleisungen im Einsatz beim Erstellen der Vorschriften wohl entscheidend gewesen.

Jule, 13 Jahre

Jule ist ein Paradebeispiel für einen Diabetes vom Typ F. Ihre große Schwester Angelina hat seit ihrem neunten Lebensjahr einen Diabetes Typ 1. Zu Beginn der Erkrankung fühlte sich die fast drei Jahre jüngere Jule deshalb durchaus ein bisschen vernachlässigt. Doch frohen Mutes hat ihre Familie – auch durch das Einbringen in die Selbsthilfe – die Situation gemeistert und inzwischen ist Jule stolz, eine “Diabetes-Expertin” zu sein.Beruflich kann sie sich etwas im feinmechanischen Bereich vorstellen. Besonders faszinierend fand sie auf der Messe den Themenkreis Robotik. Im Gegensatz zu ihrer Schwester interessieren sie aber mehr die Gelenke und Getriebe der Roboter als deren Platinen und die Programmierung.

Was ist eigentlich Typ F?

Angelina, 16 Jahre

Angelinas Diabetes ist inzwischen sieben Jahre alt und die Schülerin der neunten Klasse hat sich inzwischen gut mit ihm arrangiert. Stolz berichtet sie, dass für sie inzwischen ein Leben ohne Follower-App auf dem elterlichen Handy angefangen hat, aber dass man dabei auch mal “auf die Klappe fliegt”, wie ihr eine Unterzuckerung im Schwimmbad kürzlich zeigte. Dies bestärkte sie aber nur in dem Entschluss, künftig ihr Diabetes-Management allein zu betreiben. Denn es sei auch ein gutes Gefühl, selbst die notwendigen Gegenmaßnahmen rechtzeitig eingeleitet zu haben und durch Erfahrungen zu lernen.Angelina hätte sich auch einen Job bei der Polizei oder Bundeswehr vorstellen können, hat aber Verständnis dafür, dass der Typ-1-Diabetes dafür immer noch ein Ausschlusskriterium ist. Sie hat großes Interesse an Robotern und ihrer Programmierung und besuchte auf der IdeenExpo stolz einen Stand ihrer Schule, die dort ihre Robotik-Projekte vorstellte.

In den biologischen Berufen, hier bei der Veranschaulichung künstlicher Membranen, darf man auch mal mit Glibberkram hantieren.

Natürlich sterben auch die handfesten Berufe nicht aus.

Dienst an der Waffe – ein zweischneidiges Schwert

Beim angebotenen Zirkeltraining der Polizei Niedersachsen wurde das anschaulich. Enric (13) rutschte schneller in die Unterzuckerung, als er selbst erwartete. Noch mit einem Wert stabil bei 140 mg/dl (7,8 mmol/l) gestartet, gab es direkt nach dem Lauf einen Alarm: 44 mg/dl (2,4 mmol/l) – Tendenz stark sinkend. Enric steuerte natürlich sofort mit Traubenzucker und Cola gegen. Es zeigte sich aber deutlich, dass plötzliche körperliche Anstrengung auch für erfahrene Menschen mit Diabetes tückisch sein kann – handelte es sich doch nur um eine sehr kurze intensive Aktivitätsphase, zeigte die Stoppuhr des betreuenden Beamten doch gerade mal etwas über eine Minute an.

Die Thematik ist ein zweischneidiges Schwert. Katrin Schulz schloss aber nicht aus, dass diese Vorschriften sich aufgrund der sich verbessernden Lage bei den Hilfsmitteln irgendwann ändern werde. Während vor allem Angelina Verständnis für den Ausschluss zeigte, waren Lina, Marie und Victoria weniger damit zufrieden. Hatten alle drei doch erlebt, wie rasant die fortschreitende Technik doch bereits in ihrem kurzen Leben das Management des Diabetes enorm vereinfacht, verbessert und eben auch wesentlich sicherer gemacht hat.

Marie, Victoria, Lina, 14, 12 und 14 Jahre

Das auf der Expo stets zusammen auftretende Trio zeigte sich ziemlich betreten darüber, dass eine Sprecherin der Polizei Niedersachsen auf Nachfrage unmissverständlich klarstellte, dass die geltenden Dienstvorschriften in Niedersachsen eine Ausbildung zum Polizeibeamten von Menschen mit Diabetes Typ 1 derzeit leider unmöglich machen. Die Mädchen können sich aber auch Berufswege in der Medizin vorstellen. Vor allem Victoria zeigt Interesse an der Diabetologie und Endokrinologie. Insgesamt sind die lebhaften Jugendlichen aber noch etwas unentschlossen bei der Berufswahl.

Phil und Leander, beide 14 Jahre

Phil und Leander sind bei Typ-F-Angeboten der Diabetiker Niedersachsen ein unzertrennliches Duo und haben die IdeenExpo größtenteils gemeinsam erkundet. Neben der Faszination für schnelle Autos stieß auch das klassische Handwerk auf ihr Interesse. Dennoch gehen ihre Berufswünsche in ganz andere Richtungen.Phil träumt vom Grundschul-Lehramt und würde gern Sport und Englisch unterrichten und dabei ein Lehrer sein, der Verständnis für Kinder mit Diabetes hat. Dafür will er nun erstmal seinen erweiterten Realschul-Abschluss mit Bravour meistern, um dann die Oberstufe absolvieren zu können. Unverblümt berichtet Leander, dass er fest eine Karriere als Immobilienmakler plant, weil dies finanzielle Sicherheit und Abwechslung verspreche. Der Teenager wirkt beeindruckend souverän und informiert, wenn er über seine Zukunft spricht.

The Future is now: Viele Aussteller aus dem Industriebereich boten Informations-Angebote, die auf Virtual-­Reality-Technologien basierten.

Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) gab spannende Einblicke in seine Studiotechnik.

Über den Tellerrand schauen

Die Messe bot natürlich auch eine Menge an zivilen Alternativen zum Dienst in Uniform. Von Kunststoff-Herstellung über klassisches Handwerk, Medizin, Biotechnologie, Informatik bis Game-Design war gefühlt alles vertreten. "Gefühlt", weil die Angereisten trotz hoher Motivation gar nicht in der Lage waren, in zwei Tagen alles zu erkunden. Einigen wurde trotzdem bewusst, dass es lohnt, über den Tellerrand der bisherigen Vorstellungen hinauszugucken. Denn außer den sensiblen Bereichen steht auch Menschen mit Diabetes Typ 1 eine weite Welt an Berufsmöglichkeiten offen.

Uwe Hehl, Projekt "Diabetiker Kids" des Rotary Clubs Bad Orb

Das Projekt “Diabetiker Kids” riefen die Rotarier Bad Orb 2019 ins Leben. Schwerpunkt war ein Schulungsprogramm für Menschen, die in Schule, Kita und in anderen Bereichen mit Kindern mit Diabetes arbeiten. Daneben erarbeiten die Projektbetreiber auch praktische Angebote, die Kinder und Jugendliche mit Diabetes fördern, mit ihrer Krankheit selbstbewusst und kompetent umzugehen. Unter dieser Maßgabe organisierte Uwe Hehl in Kooperation mit den Diabetikern Niedersachsen den Besuch der IdeenExpo und sorgte auch für dessen Finanzierung.

Über das Projekt gibt es eine informative Website: www.diabetikerkids.org

Die Exponate aus dem Bereich der Robotik stießen auf großes Interesse und waren auch inspirierend für Berufswünsche.

Dass zum Leben aber nicht nur Arbeit, sondern auch das Vergnügen in der Freizeit gehört, wurde beim Konzertabend im exklusiven VIP-Bereich, organisiert von Uwe Hehl, deutlich. Neben verschiedenen Pop-Newcomern und Local Heroes aus Hannover präsentierte sich der Rapper Cro am Samstagabend einem vollen Messegelände mit einem mitreißenden Konzert. So mitreißend, dass es manche der jugendlichen Besucher nicht im abgetrennten Bereich hielt, sondern diese den Raum vor der Bühne stürmten. Denn gut eingestellt ist natürlich auch das mit einem Diabetes Typ 1 kein Problem. Vor allem dann nicht, wenn man in einer starken Gemeinschaft aufeinander achtet.

Ein Samstagabend, der die Hüften zum Wackeln brachte: Cro rockte die Bühne und die Jugendlichen mit.


André Owczarek

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Ähnliche Beiträge

Kolumne „Fernweh“: Auf hoher See

Forró, Segeln und Sonne: Für unsere Kolumnistin Susanne Löw klang ein Törn rund um Sizilien nach „Dolce Vita“ pur – bis ihre Glukosesensoren der Hitze und dem Bordleben reihenweise zum Opfer fielen.
Kolumne „Fernweh“: Auf hoher See | Foto: hassanmim2021 - stock.adobe.com

2 Minuten

Rezept für Bandnudeln mit Walnüssen, Erbsen und Kirschtomaten

Bandnudeln mit Biss treffen auf süße Erbsen, Kirschtomaten und knackige Walnüsse: Eine cremige Pfannensoße aus Pflanzendrink und leichter Sahne umhüllt die Pasta, Basilikum und Parmesan krönen das Rezept. In 25 Minuten fertig – blutzuckerfreundlicher Genuss.
Rezept für Bandnudeln mit Walnüssen, Erbsen und Kirschtomaten | Foto: MedTriX / Bernhard und Gabi Kölsch

2 Minuten

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Community-Frage

Mit wem redest du
über deinen Diabetes?

Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Community-Feed

  • gingergirl postete ein Update vor 1 Tag, 17 Stunden

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
  • hexle postete ein Update vor 2 Tagen, 21 Stunden

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

  • tako111 postete ein Update vor 6 Tagen, 7 Stunden

    Fussschmerzen lassen leider keine Aktivitäten zu!

Verbände