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Jugendliche mit Diabetes
5 Minuten

Am Wochenende habe ich einen Diabetesfachkongress in Münster besucht und durfte dort mit einer Diabetesberaterin einen Vortrag halten. Das Thema: „Eine besondere Herausforderung: Jugendliche mit Diabetes“. Als ich die Themenwahl hörte, sah ich eine Chance, einmal meine Gedanken dazu aus der Sicht einer Betroffenen vorstellen zu können – schließlich war das Publikum Fachpersonal.
Der Vortrag stieß auf viel positive Resonanz, und da das Thema mir persönlich sehr am Herzen liegt, habe ich mich dazu entschlossen, diesen Vortrag zu veröffentlichen – um zum Nachdenken anzuregen, um Erfahrungen zu hören, und vielleicht auch, um Jugendlichen Mut zu machen – ihr seid nicht alleine!
Vorweg möchte ich nur noch eins sagen: Es geht nicht um Schuldzuweisungen.
Weshalb sind Jugendliche phasenweise schwer „einstellbar“?
Zuerst sollte uns bewusst sein, dass man weder Erwachsene noch junge Menschen wirklich einstellen kann. Denn wir sind alle nur Menschen – keine Uhr, an der man nach Belieben drehen und schrauben kann, um sie perfekt zum Laufen zu bringen.
Es ist eine schwierige Aufgabe, die Balance zwischen Insulin und Glukose, Hyper- und Hypoglykämie, Überversorgung und Unterversorgung zu finden und zu halten. Diabetes hält einfach jeden Patienten 24 h am Tag, 7 Tage die Woche auf Trab.
Das einfach akzeptieren? Jedem Entschluss und jeder Entscheidung des Umfelds folgen und vertrauen? Die Krankheit ohne Experimente und Ausprobieren hinnehmen, um herauszufinden, ob es vielleicht sogar einen Ausweg gibt? In einer Zeit, in der man jung ist und die Welt ruft, gibt es sicher oft andere Prioritäten!
Was bringt die Jugendzeit mit sich?
Die Jugendzeit ist etwas ganz Besonderes: Es wird Neues ausprobiert und kennengelernt, man versucht, sich ein eigenes Bild von der Welt zu machen, und ganz wichtig: Es werden unsere und natürlich die Grenzen unserer Eltern getestet. Diese Zeit ist eine Zeit des Umbruchs zwischen „Kind sein“ und „Erwachsen werden“. Die Erwartungen sind hoch: Die Schule soll gut laufen, der Schulabschluss steht kurz bevor und dann sollte natürlich langsam an die Zukunft gedacht werden.
Jetzt kommt der Diabetes ins Spiel. Egal, ob jemand frisch manifestiert ist oder schon seit seiner Kindheit Diabetiker ist – die Erwartungen sind gleich: Der Jugendliche MUSS funktionieren. Schließlich spielt man mit seiner Gesundheit nicht. Eltern und Ärzte machen sich Sorgen und erhöhen damit den Druck – können aber nicht sagen, wie genau man es meistern soll.
Sätze wie „Wieso ist der Wert so hoch?“, „Du musst dich mehr kümmern!“ oder „Du darfst das nicht so schleifen lassen!“ hat vermutlich so ziemlich jeder Diabetiker einmal in seiner Diabeteskarriere gehört. Nur, wieso ist man in der Kritik so schnell und in der Therapieentwicklung so langsam? Denn eigentlich können nur Therapieempfehlungen ausgesprochen werden – eine Garantie fürs Gelingen kann niemand geben.
Letztendlich ist Diabetes aber eine Krankheit, die viel Selbstmanagement verlangt. Hier liegt die Betonung auf „selbst“, da man wirklich Tag für Tag auf sich gestellt ist.
Meine Geschichte
Ich selbst wurde mit 15 Jahren diagnostiziert und mein größtes Verlangen war die Selbstständigkeit. Es war MEINE Krankheit und MEIN Leben. Selbst auf die kleinsten Fragen nach dem Grund für einen schlechten Wert oder ob ich ans Spritzen gedacht habe, brachten mich auf die Palme.
Natürlich war mir bewusst, dass meine Eltern sich nur Sorgen machten, doch in einer Zeit, in der man auf keinen Fall wie ein Kind behandelt werden möchte und das Wissen hat, um seine Krankheit selbst zu managen, bewirken solche Fragen eher das Gegenteil von dem, was sie bezwecken. Viele ziehen sich dann nämlich zurück. Sie messen und spritzen nicht mehr in der Gegenwart ihrer Eltern oder ihrer Freunde, um solche Fragen zu vermeiden, und fühlen sich am Ende des Tages deshalb dann selbst schlecht. Es ist ein Teufelskreis.
Versteht uns jemand?
Vor allem in den sozialen Netzwerken suchen dann viele nach Verständnis – und finden es auch. Dort gibt es Tipps und Infos, aufmunternde Worte und Zustimmung.
Ein kleiner Kick für das Selbstbewusstsein kann Wunder bewirken – denn man merkt, man ist nicht allein, und vielleicht auch: So viele kommen gut damit klar, das kann ich auch!
„Pubertät“ oder Selbstständigkeit?
Fallen vom Jugendlichen dann Sätze wie „Ich kann das alleine!“ oder „Lasst mich damit in Ruhe!“, wirkt das sicher oft wie pubertäres Gerede – dabei ist es ein Schrei nach Selbstständigkeit und Verständnis. Funktioniert das „Alleinlassen“ dann anscheinend nicht so, wie gewollt, weil doch hohe Werte das Resultat sind, folgen zwangsläufig Vorwürfe und der eigentlich lieb gemeinte Druck.
Wir sind normale Menschen und keine trotzigen Dummköpfe!
Letztendlich sollten wir uns alle eins im Gedächtnis behalten: Wir sind alle nur Menschen. An manchen von uns hängen zwar Geräte, aber niemand kann die richtig bedienen. Es gibt kein Fertigrezept, keine Einstellung, keinen Therapieplan, der Tag für Tag ein perfektes Ergebnis hervorbringt – nicht mal, wenn es vom Arzt kommt.
Deshalb ist es auch im Umgang mit jugendlichen Diabetikern unerlässlich, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Diabetiker sind Profis des Alltags – und das kann auch dem medizinischen Fachpersonal von großem Nutzen sein! Sie sind in keinem Fall trotzige, nicht kooperierende Dummköpfe, die aus Faulheit nicht den Blutzucker messen oder ein anderes Mal kein Insulin spritzen.
Dieses Verhalten hat oft einen tief greifenden Grund: Als Kind musste man sehr oft die Fehlentscheidung der Erwachsenen ausbaden. Jede Hypoglykämie, die im Körper eine Todesangst auslöste, jede Hyperglykämie, die zu Schmerzen im ganzen Körper oder Erbrechen führte, jeder ungestillte Hunger und Essensverbot bei hohen Werten – all diese misslungenen Entscheidungen der Eltern, Betreuer oder des medizinischen Personals hinterlassen tiefe Spuren.
Was ist eine leichte Hypo? Weiß die Mutter, wie es sich anfühlt, wenn der Blutzucker nach unten rast? Weiß der Vater, wie schwer es ist, beim Ausflug mit ihm Schritt zu halten, wenn der Körper keinen „Sprit“ mehr hat? Weiß der Lehrer, wie beschämend es ist, sich bei einer Klausur zu blamieren, obwohl man so fleißig gelernt hat und der Kopf ohne Glukose die Arbeit verweigert?
Was würdet ihr denken, wenn fast jede Insulinspritze eine neue, unangenehme oder Ängste auslösende Erfahrung mit sich bringt? Würdet ihr nicht träumen, euch davon zu befreien? Wundert es da noch, dass viele probieren, aus dem Kreis auszubrechen?
Zusammen können wir stark werden!
Zusammen die Ursache für eventuelle Schwierigkeiten mit dem Diabetes und seiner Therapie zu finden, anstatt (auch unbewusst) Vorwürfe zu machen, kann da schon viel bringen. Hat der Patient weitere unentdeckte Krankheiten? Wirkt zu viel Druck auf ihn ein? Ist er vielleicht schlecht geschult? Wird er gemobbt?
Es gibt tausende Gründe für schlechte Werte – und manchmal muss man sie auch einfach vorübergehend akzeptieren. Die vielen verschiedenen Einflüsse, die auf den Blutzucker einwirken, behaften die Therapie mit einer Fehlquote von 50%:
Entweder liegt der Wert nach einiger Zeit im Zielbereich oder außerhalb. Und wenn er mal im Ziel liegt, dort dauerhaft bleiben wird er nicht. Verständnis, die Betrachtung des Patienten als Ganzes anstelle des „Festbeißens“ an Zahlen und Normen und vor allem das Ernstnehmen der Wünsche des Jugendlichen sollten an erster Stelle stehen. Ein gutes Verhältnis zwischen medizinischem Fachpersonal und Patient wird häufig unterschätzt.
Denn schließlich lernen wir voneinander. Die Theorie braucht die Praxis. Das Fachpersonal managt die Zahlen, wir versorgen unseren Körper dank des Insulins mit dem Lebenselixier Glukose. Alle müssen wir diese lebenswichtige Prozedur lernen, optimieren, perfektionieren und letztendlich nachahmen, was der gesunde Körper tut. Dafür brauchen wir Methoden, Technik und Mut, um neue Wege zu bestreiten – also hören Sie auf die Jugend.
Carolin
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 2 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 1 Woche, 5 Tagen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 1 Woche, 1 Tag
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 5 Tagen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 6 Tagen, 21 Stunden
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig