- Eltern und Kind
Kinder mit Diabetes in der Schweiz
4 Minuten
In Ausgabe 2/2013 haben wir die Selbsthilfegruppe Swiss Diabetes Kids vorgestellt. Das hat uns neugierig gemacht: Wie werden Kinder und Jugendliche mit Diabetes in der Schweiz behandelt? Nachgefragt haben wir bei Dr. Ursina Probst-Scheidegger.
Diabetes-Eltern-Journal (DEJ): Frau Dr. Probst-Scheidegger, wie viele Kinder mit Diabetes gibt es in der Schweiz?
Dr. Ursina Probst-Scheidegger: Ich denke, es sind so um die 5000. Kinderdiabetologen gibt es rund 30.
DEJ: Wie unterscheidet sich die Ausbildung des Kinder- von dem des Erwachsenendiabetologen?
Probst-Scheidegger: Wir sind alle primär Pädiater und haben den Schwerpunkt Endokrinologie/Diabetologie. Die Erwachsenendiabetologen hingegen sind nicht zwangsläufig Internisten, sondern können direkt den Facharzttitel für Diabetologie erwerben.
DEJ: Werden Kinder mit Diabetes als erstes in der Klinik eingestellt?
Probst-Scheidegger: Ja, die allermeisten Eltern machen das stationär. Tendenziell geht der Trend des stationären Aufenthalts aber nach unten. Ich denke, es kommt ein bisschen aufs Zentrum an. Vereinzelt werden Kinder, die nicht in Ketoazidose sind, ambulant eingestellt.
DEJ: Halten Sie es für eine gute Alternative, ambulant einzustellen?
Probst-Scheidegger: Ich denke, für Familien, die kooperativ und einigermaßen intakt sind, ist es wahrscheinlich nicht schlecht, es ambulant zu versuchen. Dann hat man gleich die Erprobung im Alltag. Außerdem ist ein Spitalaufenthalt ein einschneidendes Erlebnis. Wenn es medizinisch vertretbar ist, könnte man versuchen, mehr Kinder ambulant einzustellen.
DEJ: Also haben Sie in der Schweiz die Wahlmöglichkeit?
Probst-Scheidegger: Ja, da ist jeder frei.
DEJ: Wie geht die Behandlung weiter, wenn das Kind eingestellt ist?
Probst-Scheidegger: Ich denke, grundsätzlich machen das alle etwa gleich: Wenn nichts Spezielles ist, kommt das Kind etwa viermal im Jahr zur Verlaufskontrolle.
DEJ: Können alle bei einem Kinderdiabetologen behandelt werden?
Probst-Scheidegger: Es gibt auch Kinder, die bei Erwachsenendiabetologen betreut werden. Die Gründe sind oft lokale Gegebenheiten und teilweise auch persönliche Wünsche, wenn Leute mit dem lokalen Kinderdiabetologen nicht glücklich sind.
DEJ: Wie viele Kinder tragen in der Schweiz eine Pumpe? Und wer übernimmt die Kosten?
Probst-Scheidegger: Das ist von Zentrum zu Zentrum sehr verschieden. In der Westschweiz sind es relativ viele, in der Deutschschweiz auch. Es hängt sehr davon ab, wie pumpenaffin die Betreuer sind. Bezahlt wird das fast voll umfänglich von der Kasse. Kinder, die sehr viele Katheterwechsel haben, müssen zum Teil noch ein bisschen draufzahlen. Probleme habe ich wirklich noch keine erlebt. Das ist relativ klar geregelt.
DEJ: Und wie sieht es z. B. mit der CGM aus?
Probst-Scheidegger: Das wird auch immer einfacher. Wenn die Kriterien erfüllt sind, etwa schwere Hypoglykämien oder schlecht einstellbarer Diabetes, werden die Kosten eigentlich relativ problemlos für sechs Monate übernommen. Danach muss man dann die Wirksamkeit beweisen. Entweder wird die CGM dann weiter bewilligt oder nicht.
DEJ: Wird das Kind z. B. beim Schulstart begleitet?
Probst-Scheidegger: Das ist nicht strukturiert geregelt, aber diese Möglichkeiten haben wir. Meist machen das die Eltern selbst, aber wir bieten immer Unterstützung an, und es dürfen auch die Lehrer zu uns kommen. Das ist individuell und nach Wunsch und Bedarf der Familie und der Lehrpersonen.
Nächste Seite: die Betreuung in Schule und Kindergarten, die Rolle der Selbsthilfe und der Übergang von der Kinder- zur Erwachsenendiabetologie.
DEJ: Wie ist die Betreuung in Schule und Kindergarten geregelt?
Probst-Scheidegger: Auch das ist sehr individuell: Was braucht das Kind, was möchte die Familie zulassen, und was ist die Betreuungsperson bereit, zu übernehmen. Da gibt es das ganze Spektrum. Sicher ist es nicht wie in den USA, dass wir eine “School Nurse” haben, die z. B. den Blutzucker misst. Es gibt Kinder, die machen das völlig alleine und die Lehrperson kümmert sich um fast nichts, bei anderen helfen die Betreuer schon. Es gibt aber kein strukturiertes Modell.
DEJ: Aber Kinder mit Diabetes gehen in die Regelschulen?
Probst-Scheidegger: Ja, unbedingt. Das ist uns sehr, sehr wichtig. Da schauen wir alle drauf, dass Kinder wegen ihres Diabetes nicht benachteiligt sind. Dass ein Kind von der Schule abgelehnt wird, ist bei uns eigentlich gar nicht möglich. Die Schulen können Kinder nicht einfach abweisen, wenn es nicht aus intellektuellen Gründen ist. Es sind ja alles staatliche Schulen. Kinder, die intellektuell dazu fähig sind, in die Schule zu gehen, gehen auch hin.
Manchmal, im Skilager oder so, ist es ein bisschen schwieriger. Aber ansonsten habe ich selten irgendwelche Probleme erlebt. Bei den Kleineren vielleicht noch mehr – in einem Hort gibt es mehr Situationen, in denen die Betreuer unsicher sind. Aber dann sagen meistens die Eltern, sie wollen das Kind nicht mehr schicken.
DEJ: Erleben Sie auch, dass Mütter wegen des Diabetes ihres Kindes den Beruf aufgeben?
Probst-Scheidegger: Sehr selten. Die meisten leben ihren Alltag wie zuvor. Und viele Mütter von Kleinkindern sind, unabhängig von der Diagnose Diabetes, in Teilzeit oder vorübergehend nicht beruflich engagiert.
DEJ: Sind Sie zufrieden mit der Versorgung – oder gibt es auch Dinge, die man verbessern könnte?
Probst-Scheidegger: Ich denke, generell ist die Versorgung nicht schlecht. Und wir haben inzwischen regional genug Einzelpraxen und Zentren, so dass die Kinder nicht zu weit reisen müssen, außer vielleicht Kinder aus den Bergregionen.
DEJ: Welche Rolle spielt die Selbsthilfe?
Probst-Scheidegger: Frau Maurer von “Swiss Diabetes Kids” versucht, Aktivitäten zu bündeln; das ist im Moment am Wachsen. Aber ich denke, das wird eine deutschschweizer Gruppe bleiben. Die Welschen [französischsprachige Schweizer] haben ihre eigenen Gruppen.
DEJ: Haben Sie Kontakt zu anderssprachigen Kinderdiabetologen?
Probst-Scheidegger: Wir sind so eine kleine Gruppe in der Schweiz, wir kennen uns alle.
DEJ: Wie wird der Übergang von der Kinder- zur Erwachsenendiabetologie gestaltet?
Probst-Scheidegger: Das ist, soweit ich weiß, an den meisten Zentren so, dass man es zusammen bespricht, zu wem der Jugendliche gehen soll. Entscheidend sind regionale und persönliche Vorlieben. Der Jugendliche bekommt dann eine individuelle Überweisung. Zum größten Teil arbeiten die Erwachsenendiabetologen in Praxen, aber es ist auch zunehmend so, dass es an den Kliniken Ambulanzen gibt, die Sprechstunden anbieten. Die Praxen sind natürlich regional weiter verteilt. Und oft wird eine Praxis auch als persönlicher empfunden.
DEJ: Und wenn eine Familie sehr abgeschieden wohnt?
Probst-Scheidegger: Wir haben inzwischen recht viele Zentren. Und z. B. im Wallis gibt es jemanden, der Sprechstunden anbietet und dafür einmal im Monat ins Wallis fährt. Dieses System hat sich in den letzten 10, 15 Jahren entwickelt, und es gibt inzwischen nicht mehr so viele Regionen, von wo aus man mehr als eine oder anderthalb Stunden fahren muss zu einem Diabeteszentrum.
Das Interview führte Nicole Finkenauer-Ganz
Kontakt:
Kirchheim-Verlag, Kaiserstra0e 41, 55116 Mainz, Tel.: (06131) 9 60 70 0,
Fax: (06131) 9 60 70 90, E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2014; 7 (1) Seite 8-9
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 2 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 1 Woche, 5 Tagen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 1 Woche, 1 Tag
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 5 Tagen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 6 Tagen, 21 Stunden
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig