Schwanger mit Typ-1-Diabetes

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Schwanger mit Typ-1-Diabetes

Es ist ja kein Geheimnis, dass die Diabetesversorgung sich in den letzten Jahrzehnten stark verbessert hat. Mobile Blutzuckermessgeräte, Pens mit kürzeren Kanülen, Insulinpumpen für mehr Flexibilität und eine feinere Insulineinstellung, Messsysteme für eine kontinuierliche Überwachung des Gewebezuckers (CGM-Systeme), die ggf. sogar Alarme abgeben, und mittlerweile sogar eine Pumpe, die mit einem CGM kommuniziert und sich bei einer Hypoglykämie selber abschaltet.

Das alles sorgt womöglich nicht nur für einen besser eingestellten Zuckerspiegel, sondern auch für ein entspannteres Leben. Immer öfter hört man: „Mit Diabetes kann ich alles tun, was ein Gesunder auch tut.“ Bei manchen Personen ist dieser Satz zwar noch etwas umstritten – bei den einen mehr, bei den anderen weniger –, bei dem Thema Schwangerschaft trifft es aber doch zu.

Aber was ist, wenn mein Kind auch Diabetes bekommt?

Grundsätzlich ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering. Denn den Diabetes zu vererben, liegt lediglich bei 3-5%, wenn einer der Elternteile Typ-1-Diabetes hat, und erst, wenn beide betroffen sind, bei 10-25% (Quelle: https://www.diabetes-deutschland.de/typ1diabetes.html; 21.05.2019). Nun ja, in meiner Familie hat jedoch jeder Zweitgeborene Typ-1-Diabetes, sprich: mein Opa, mein Onkel (jüngerer Bruder meines Vaters) und meine Großcousine. Und eben ich. Aber auch, wenn eines meiner Kinder einmal Diabetes bekommen sollte: Sie wachsen in einer Zeit damit auf, in der die Technik das Diabetesmanagement sehr erleichtert hat – wenn bis dahin die Krankheit nicht sogar heilbar ist. Und mit mir haben sie jemanden an ihrer Seite, der Ahnung davon hat. Auch davon, wie sie sich damit fühlen.

Die Vorbereitung

Immer wieder hört man, dass man sich als Typ-1-Diabetiker gut auf die Schwangerschaft vorbereiten sollte. Ein gutes HbA1c sei wichtig und viele andere Dinge – was aber noch, konnte ich nie so recht herausfinden.

Ich selbst habe schon früh mit meinem Partner das Thema „Kinderplanung“ besprochen, so haben wir also auch weit im Voraus den für uns perfekten Zeitpunkt festgelegt. Das hat mir also auf jeden Fall die Möglichkeit gegeben, alles Situationsgerecht vorzubereiten – eigentlich.

Quelle: Sharon Kuhn

Also habe ich schon ein dreiviertel Jahr vor geplantem Beginn mit meinem damaligen Diabetologen darüber gesprochen. Mein HbA1c lag bei circa 8,2% und ich sagte ihm, dass wir planen, in circa einem Jahr schwanger zu werden. Zwischenzeitlich musste ich zweimal den Diabetologen wechseln – und keiner gab mir eine Empfehlung, wie mein HbA1c vor der Schwangerschaft sein sollte.

Jetzt wird es ernst

Dann wurde es ernst. Ich setzte die Pille ab, als es für uns der richtige Zeitpunkt war. An meinem Blutzucker hat es nicht viel geändert, dafür habe ich den kompletten Hormonumschwung gemerkt. Und nach einem Monat hatte ich auch schon alle Anzeichen einer Schwangerschaft – die aber anscheinend nur eine Folge der Hormonumstellung waren.

Inzwischen hatte ich ein CGM-System erhalten und habe dadurch ein HbA1c von 7,2% erreicht. Aber dadurch, dass ich so viel unterwegs war, habe ich an das Schwangerwerden gar nicht mehr gedacht.

Aus ernst wird ernster

Unser Spanien-Urlaub war rundum gelungen, nur die letzten zwei Tage konnte ich leider nicht so genießen: Mir wurde unglaublich schlecht. Ich schob das auf die Wärme. Trotzdem hatte ich die Schwangerschaft im Hinterkopf. Zuhause angekommen, holte ich mir gleich einen Schwangerschaftstest aus dem Karton. Für mich war das Ergebnis aber eigentlich eh schon klar: schwanger!

Mom to be!

Wenige Tage darauf hatte ich passenderweise einen Termin bei meinem Diabetologen. Dem habe ich also direkt von meiner Schwangerschaft erzählt und bin trotz meines HbA1c von 7,5-8,2% (ich bin mir nicht mehr ganz sicher) auf Freude gestoßen. Er gab mir auf den Weg, dass ich nüchtern bei circa 90 mg/dl (5,0 mmol/l) liegen sollte, nach dem Essen nicht über 140 (7,8) kommen und nach 2h wieder bei circa 90 (5,0) liegen sollte. Klingt dank CGM machbar. Außerdem sollte ich nun alle vier Wochen zur Blutentnahme und zum Gespräch mit meiner Diabetesberaterin vorbeikommen. Schließlich bekam ich noch die Information, dass der Insulinbedarf zum Beginn der Schwangerschaft in der Regel sinkt, zur zweiten Hälfte steigt und kurz vor der Geburt noch einmal sinkt. Jedoch wusste ich schon zu diesem Zeitpunkt, dass das sehr individuell ist.

Quelle: Sharon Kuhn

Von meiner Hebamme wusste ich, dass ich mit Typ-1-Diabetes als Risikoschwangerschaft gelte – meine Frauenärztin hingegen hat mich wenig über Risiken oder Besonderheiten in Bezug auf den Diabetes aufgeklärt. Durch Facebook-Gruppen und die Hebamme wusste ich außerdem, dass bei einem schlecht eingestellten Diabetes die Gefahr besteht, dass das Baby besonders groß wird und/oder der Kopf- und Bauchumfang unverhältnismäßig groß werden. Ebenso habe ich von vielen Schwangeren gelesen, dass ihre Geburt aus diesem Grund spätestens zum errechneten Geburtstermin (ET) eingeleitet wurde, was leider oftmals im Kaiserschnitt endete. Mein Ziel jedoch war es, meinem Kind möglichst so viel Zeit zu geben, wie es benötigt. Sofern alle Daten im Rahmen sind, sprach dafür für meine Frauenärztin nichts dagegen.

Schwierig wurde es beruflich. Ich bin sozialpädagogische Assistentin und unterzuckerte bei meiner Arbeit mit den Kindern wiederholt – ich ließ mich deshalb krankschreiben, weil mir das einfach zu gefährlich für mein Baby war. Meiner Vorgesetzten sagte ich, dass ich da nicht mehr weiterarbeiten würde. Daraufhin hat sie ein Beschäftigungsverbot veranlasst.

Der Verlauf der Schwangerschaft

Natürlich wurde auch ich von typischen Schwangerschaftssymptomen nicht verschont. So war ich inkontinent und konnte Weichspüler und das Deo meines Freundes nicht mehr riechen, ohne dass mir schlecht wurde. Aber vor allem: Mir wurde von Essen schlecht. Ebenso hatte ich täglich höllische Kopfschmerzen. Das Problem: Ich trug den Dexcom G5 und bei diesem werden die Werte durch Paracetamol verfälscht. Ibuprofen durfte ich aber durch die Schwangerschaft nicht. Nach langem Hin und Her hat mir die Krankenkasse also den neuen Dexcom G6 bewilligt.

Im dritten Trimester nahmen dann die Besuche beim Diabetologen ab, denn meine Zuckerwerte habe ich selbst gehändelt bekommen, was auch mein konstantes HbA1c von 5,2% mit TiR von 97% gezeigt hat. Nur die Resistenz hat mich gestört, aber mein Diabetologe war mit mir total zufrieden.

Ende November 2018 war ich zur Feindiagnostik, wie sie schwangeren Diabetikerinnen von den Experten empfohlen wird. Dort wurden mit Ultraschall die Organe unseres Knirpses genau angesehen sowie Kopf- und Bauchumfang gemessen.

Quelle: Sharon Kuhn

Wie jede Schwangere musste ich dann alle zwei Wochen zum CTG. Und dann kam ein Termin, der hat kurz meine Welt stehen lassen. Ich hatte 1, 2 Mal Werte über 200 mg/dl (11,1 mmol/l). Aber mein Doc war wie gesagt zufrieden. Nun hat aber meine Frauenärztin das Gewicht geschätzt. Und irgendwie war mein Kind auf einmal verdammt riesig und schwer. Ich habe mich direkt verrückt und mir Vorwürfe gemacht. Ich bin also direkt zum Diabetologen, aber der hat nur versucht, mich zu beruhigen. Bei der Feindiagnostik zwei Wochen später hieß es, alle Werte waren in der Norm. Ok. Messfehler. Völlig umsonst verrückt gemacht.

Es neigt sich dem Ende zu

Aber naja, auf einmal sinkt der Insulinbedarf?! Ich habe in der Facebook-Gruppe schon des Öfteren gehört, dass das ein Hinweis darauf sein kann, dass es bald losgeht. Im Krankenhaus hat die Frauenärztin aber festgestellt, dass mein Kind noch ziemlich weit oben liegt. Da ich ihm aber ja gerne die Zeit geben wollte, die es braucht, haben wir uns gegen das Einleiten entschieden.

Quelle: Sharon Kuhn

Zwei Tage später aber war es dann wirklich so weit: Die Fruchtblase platzte. Aber das Kind machte keine Anstalten herauszukommen. Wir mussten also nach 24h einleiten und brachten einen gesunden Jungen mit 52cm Körpergröße und 3820g Geburtsgewicht zur Welt.


Mehr über das Elternwerden mit Typ-1-Diabetes erzählt euch Kathi in diesem Video.

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