TEENS-Studie: Werte und Wechsel

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TEENS-Studie: Werte und Wechsel

Jugendliche im Übergang zum Erwachsenenalter erreichen die Zielwerte oft nicht. Wie kann es Eltern gelingen, ihre Kinder in dieser Phase vertrauensvoll zu begleiten?

Vor allem um das Studiendesign ging es im ersten Teil des Artikels zur TEENS-Studie (Diabetes-Eltern-Journal 3/2015): An der Studie waren über 200 Zentren auf vier Kontinenten beteiligt; insgesamt konnten die Daten von knapp 6.000 Teens (8 bis 25 Jahre) ausgewertet werden. Im Vordergrund der Untersuchung stand die Messung des HbA1c-Wertes, außerdem wurden die Strukturen der Behandlungsteams erfasst und die Eltern und Jugendlichen befragt. In Teil 2 wird nun näher auf die Ergebnisse eingegangen.

Weniger als ein Drittel erreicht die Zielwerte

Auf den ersten Blick war das Hauptergebnis der Studie ernüchternd. Natürlich gab es große Unterschiede in den Regionen und in den verschiedenen Altersgruppen, aber insgesamt erreichte nur weniger als ein Drittel (28 Prozent) der Jugendlichen und jungen Erwachsenen ihre HbA1c-Zielwerte (s. Abbildung).

Wie zu erwarten war, hatten Jugendliche, die den HbA1c-Zielwert erreichten, tendenziell ein intensiveres Krankheitsmanagement (häufigere Injektionen, mehr Insulinpumpen (insgesamt hatte knapp ein Viertel der Patienten eine Pumpe), mehr Blutzuckermessungen) als solche, die den Zielwert nicht erreichten.

Dabei zeigten sich statistisch nachweisbare positive Zusammenhänge mit regelmäßiger körperlicher Betätigung (mindestens 30 Minuten Bewegung pro Woche) und der Verwendung einer Methode zur Abschätzung des Kohlenhydratgehalts der Nahrung (wie z. B. die KE-Berechnung in Deutschland) bei der Berechnung der Insulindosis gegenüber von solchen Strategien, die in der Ernährung nur darauf zielten, auf bestimmte zuckerhaltige Nahrungsmittel zu verzichten.

Junge Erwachsene brauchen weiter Unterstützung

Die Belastung durch den Diabetes wurde von den Eltern durchgehend höher eingeschätzt als von den Jugendlichen selbst. Bemerkenswert war aber, dass gerade in der Gruppe zum Übergang ins Erwachsenenalter (Altersgruppe 19–25 Jahre) die Zielwerte am seltensten erreicht wurden (s. Abbildung) und auch die Rate der Ketoazidosen (Blutübersäuerung als Folge von Insulinmangel) höher war als in den anderen Altersgruppen.

So fällt Jugendlichen der Wechsel vom Kinder- zum Erwachsenendiabetologen oft schwer. Dazu kommen typische psychische Belastungen von Jugendlichen, die folgende Bereiche betreffen: Auseinandersetzung mit der lebenslangen Erkrankung und möglichen Folgeerkrankungen, Frustration durch unvorhersehbare Schwankungen der Stoffwechselwerte und wiederholte Misserfolge bei der eigenverantwortlichen Therapie, Autonomiekonflikte mit den Eltern, aber auch Angst vor Ausgrenzung und Ablehnung durch Gleichaltrige und Zukunftssorgen (Beruf, Partnerschaft, Familiengründung).

Daher sollten Jugendliche, selbst wenn sie schon seit Jahren mit Diabetes leben, noch einmal für sie verständlich mit Fachleuten besprechen können, wie hoch die zukünftigen Risiken für sie wirklich sind. Ziel sollte dabei eine realistische Einschätzung sein, die das Selbstvertrauen stärkt, Hoffnung vermittelt und Resignation entgegenwirkt. Um sie darin zu unterstützen, zu hohe oder schwankende Blutzuckerwerte anzusehen, ohne daran zu verzweifeln oder frustriert aufzugeben, sind Tipps hilfreich, wie der damit verbundene Stress reduziert werden kann.

Eltern als Coaches in der Übergangsphase

Jugendliche, die ihre körperliche Attraktivität infrage stellen, verbinden damit oft die Befürchtung, von Gleichaltrigen abgelehnt zu werden. Vor allem bei Mädchen ist der Schlankheitsdruck, der von Medien und Modeindustrie ausgeübt wird, so groß, dass sich auch viele normalgewichtige Jugendliche bemühen, ihr Körpergewicht zu reduzieren.

Für Mädchen mit Typ-1-Diabetes ist es besonders schwierig, eine normnahe Stoffwechseleinstellung mit dem übertriebenen Schlankheitsideal zu vereinbaren. Mangelt es ihnen zusätzlich an sozialer Kompetenz, um selbstsicher mit ihrem Diabetes umzugehen, können sozialer Rückzug, Unsicherheit, Identitätskrisen oder reaktiv-depressive Verstimmungen oder Essstörungen die Folge sein.

Trotz aller Bemühungen um Selbstständigkeit sind Jugendliche und sogar junge Erwachsene weiterhin auf die Unterstützung ihrer Eltern angewiesen. Geradezu typisch ist ihre Ambivalenz zwischen der Abwehr jeder Hilfe einerseits und der Suche nach Unterstützung andererseits, wenn die Blutglukosewerte unkontrollierbar schwanken.

Die Kunst der Eltern und des Diabetesteams besteht darin, die Eigenständigkeit der Jugendlichen angemessen zu fördern, ohne sie durch zu hohe Ansprüche zu überfordern. Ständige Misserfolge bei eigenen Anstrengungen können das Selbstbild der Jugendlichen ebenso beeinträchtigen wie das Gefühl von Abhängigkeit und Hilfsbedürftigkeit.

Ungünstig: zu früh zu viel Verantwortung

Ausgesprochen ungünstig ist es, wenn Eltern ihren Kindern zu früh zu viel Verantwortung einräumen und sie mit der schwierigen Lebensaufgabe Diabetes alleinlassen.

Wenn es Eltern in dieser Phase gelingt, mit ihrem heranwachsenden Teen vertrauensvoll im Gespräch zu bleiben und die Rolle eines Coaches bei der Therapie einzunehmen, dann ist die Chance einer erfolgreichen Verantwortungsübergabe besonders groß.

Bemühungen von Familien und Teams lohnen sich

Ein Ergebnis der TEENS-Studie ist auch, dass sich die Bemühungen der internationalen Kinderdiabetesteams und der Familien rund um den Globus lohnen. Gute Schulung und eine intensive und flexible Diabetesbehandlung führen bereits heute auch bei Vorliegen schwieriger Rahmenbedingungen zu einem besseren Stoffwechselergebnis und zu weniger Komplikationen bei den Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes.

Fazit

Die TEENS-Studie zeigt: Viele Teenager – weniger als ein Drittel – erreichen ihren HbA1c-Zielbereich nicht. Typisch ist dabei die Ambivalenz zwischen der Abwehr von Hilfe einerseits und der Suche nach Unterstützung andererseits. Eltern sollten versuchen, in der Übergangsphase als Coach einbezogen zu bleiben. Auch sollten Jugendliche die Möglichkeit haben, noch einmal für sie verständlich mit Fachleuten zu sprechen und so z. B. zu einer realistischen Einschätzung zu gelangen.


Professor Danne gehört dem Lenkungsausschuss der TEENS-Studie an.


von Prof. Dr. med. Thomas Danne
Kinderdiabetologe, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin “Auf der Bult”,
Janusz-Korczak-Allee 12, 30173 Hannover,
E-Mail: danne@hka.de

Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2015; 8 (4) Seite 18-19

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 3 Wochen, 1 Tag

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 3 Wochen, 2 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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