5 Minuten
Maike Völkering aus Lünen hat seit 2005 Typ-1-Diabetes. Ihren Kinderwunsch konnte sie trotzdem erfolgreich und problemlos umsetzen. Das sollte auch anderen Frauen mit Diabetes Mut machen, findet die zweifache Mutter.
Diabetes-Journal:Trotz moderner Technik und neuer Insuline gelten Schwangerschaften bei Typ-1-Diabetes noch immer als Risiko. Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?
Maike Völkering: Die Ärzte hatten mir gesagt, dass ich nicht ungeplant schwanger werden sollte, damit im Vorfeld der Blutzucker schon gut eingestellt ist. Ich habe deshalb bereits darauf geachtet, dass der HbA1c-Wert gut ist und dass ich nicht so große Schwankungen habe. Das war für mich glücklicherweise aber nicht so schwierig, da ich schon vorher recht gut eingestellt war.
Ich hatte damals vor der ersten Schwangerschaft noch keinen Sensor und habe dann zur Vorbereitung häufiger blutig gemessen. Als ich schwanger war, habe ich zum ersten Mal Sensoren von Dexcom genutzt, aber trotzdem weiterhin noch regelmäßig blutig gemessen – vor allem nach dem Essen, da der Sensor etwas verzögert reagiert. Ich sollte darauf achten, dass der Wert auch nach dem Essen möglichst unter 180 mg/dl (10,0 mmol/l; Anm. d. Red.)bleibt. Das klappte zwar nicht immer, aber doch die meiste Zeit.
DJ: Sie haben seit 18 Jahren Diabetes und haben sicher im Laufe der Zeit gewisse Routinen entwickelt. Was mussten Sie in der Schwangerschaft umstellen?
Völkering: Ich habe zum Beispiel Säfte in der Schwangerschaft weggelassen, da nach dem Trinken der Blutzucker sehr schnell und stark ansteigt. Süßigkeiten wie etwa Gummibärchen habe ich auch kaum gegessen. Zudem habe ich darauf geachtet, dass ich langsam esse. Bei Mahlzeiten mit vielen Broteinheiten wie zum Beispiel Nudeln habe ich zeitverzögert zwei kleine Portionen gegessen statt eine große. Das ging dann ganz gut, und es ist mir nicht besonders schwergefallen.
DJ: Kann eine Unterzuckerung der Mutter auch für ein ungeborenes Kind gefährlich werden?
Völkering: Das kann in seltenen Fällen gefährlich werden, wenn es eine schwere Hypoglykämie ist.Aber man achtet in der Schwangerschaft ja ohnehin stärker auf die Werte, und wenn man schon länger Diabetes hat, erkennt man die Anzeichen einer Unterzuckerung normalerweise recht früh. Auch der Sensor warnt natürlich frühzeitig. Im Laufe einer Schwangerschaft steigt der Insulinbedarf zudem eher an. Insofern habe ich mir keine Sorgen gemacht, dass ich in eine Hypoglykämie rutschen könnte.
Fotos: Maike Völkering
DJ: Wie läuft die medizinische Betreuung bei einer Schwangerschaft mit Diabetes ab? Unterscheidet sich diese von einer Schwangerschaft ohne Diabetes?
Völkering: Ich bin in der ersten Schwangerschaft alle vier Wochen bei der Frauenärztin gewesen. In der zweiten Schwangerschaft dann sogar alle zwei Wochen, da auch noch der Risikofaktor Alter hinzukam. Aufgrund der Erfahrungen aus der ersten Schwangerschaft war die zweite aber tatsächlich sogar noch ein bisschen unkomplizierter. In der diabetologischen Praxis war ich in der ersten Schwangerschaft alle zwei Wochen, immer im Wechsel bei der Beraterin und beim Arzt. Die zweite Schwangerschaft war in der Corona-Zeit, deshalb war ich zu Beginn gar nicht beim Diabetologen. Aber da ich gut eingestellt war und die Abläufe schon kannte, war das in Ordnung. Die Daten meines Sensors wurden automatisch an die Praxis übermittelt, und wir haben telefonisch darüber gesprochen. Zum Ende hin bin ich wieder regelmäßiger zum Diabetologen. Dann sind wir die Werte zusammen durchgegangen und haben nochmal genauer geguckt, wann sie zu hoch sind. Ich habe aber schon zu Hause alles akribisch dokumentiert und selbst die Basalrate und die Insulindosis zum Essen angepasst, wenn es nötig war. Meine Faktoren haben sich zum Ende der Schwangerschaften mindestens verdoppelt. Bei der Basalrate war es nicht ganz so extrem.
DJ: Muss der Geburtstermin im Vorfeld geplant werden?
Völkering: Wenn die Kindesentwicklung ganz normal ist und keine zusätzlichen Risikofaktoren hinzukommen, können die Kinder auch bei Diabetes ganz normal auf die Welt gebracht werden. Das war in meinem Fall bei beiden Kindern so. Wenn ein Baby durch höhere Zuckerwerte sehr groß und sehr schwer ist, wird wohl zu einem Kaiserschnitt geraten. Meine Kinder waren aber beide eher klein und leicht. Sie kamen auch beide sehr schnell innerhalb von zwei bis drei Stunden auf die Welt, deshalb musste mein Blutzucker während der Geburt überhaupt nicht kontrolliert werden. Einer Frau mit Wehen ist es ohnehin relativ egal, ob die Werte gerade etwas zu hoch sind.
DJ: Und die Kinder sind beide gesund?
Völkering: Ja, meine Tochter Emilia hat nach der Geburt eine Zuckerlösung bekommen. Der Arzt meinte, dass wahrscheinlich viele Kinder nach der Geburt einen relativ niedrigen Blutzuckerwert haben, aber normalerweise wird dieser nicht gemessen und es fällt deshalb nicht auf. Bei beiden Kindern wurde in den ersten Tagen nach der Geburt dreimal täglich der Blutzuckerwert kontrolliert. Die Werte waren aber nicht auffällig.
Fotos: Maike Völkering
DJ: Eltern mit Diabetes machen sich manchmal Sorgen, dass sie ihre Erkrankung an die Kinder weitergeben könnten. Haben Sie sich mit diesem Gedanken befasst?
Völkering: Ja, ich habe mich natürlich vorher darüber informiert, aber die Wahrscheinlichkeit, Typ-1-Diabetes zu vererben, ist zum Glück sehr gering. Es ist sogar wahrscheinlicher, dass meine Kinder später einmal Typ-2-Diabetes bekommen. Da haben wir auch mehrere Fälle in der Familie, und das wird wesentlich häufiger vererbt. Ich weiß nicht, ob ich mich bei einem sehr hohen Vererbungsrisiko anders entschieden hätte, aber bei diesem statistischen Risiko war meine Erkrankung für mich kein Grund, keine Kinder zu bekommen. Generell lässt sich Diabetes ja heutzutage gut behandeln und einstellen. Deshalb hatte ich auch keine Angst davor, es eventuell zu vererben.
DJ: Haben Sie abschließend einen Rat für Frauen mit Diabetes, die sich nicht sicher sind, ob sie die Risiken einer Schwangerschaft eingehen wollen?
Völkering: Man sollte sich vorher auf jeden Fall gut informieren. Ich fand es wichtig, dass sich auch meine Frauenärztin recht gut mit Diabetes auskennt. Man muss sich einfach gut aufgehoben fühlen. Ich glaube übrigens, dass Schwangerschaftsdiabetes für die betroffenen Frauen sogar schwieriger zu managen ist, weil sie sich komplett neu in das Thema einfinden müssen. Das ist sicherlich eine größere Umstellung. Wenn man vorher schon Diabetes hat, kennt man die Abläufe hingegen alle schon. Tatsächlich ist es deutlich schwieriger, die Zuckerwerte im Blick zu behalten, wenn die Kinder erstmal auf der Welt sind. Wenn es mit zwei kleinen Kindern turbulent zugeht, vergisst man schon einmal zu spritzen und muss das dann nachholen. Deshalb verwende ich inzwischen ein noch schnelleres Insulin. In der Schwangerschaft habe ich das Spritzen nie vergessen.
DJ: Wir bedanken uns für das Gespräch!
Interview: Thorsten Ferdinand
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2023; 72 (4) Seite 36-38
5 Minuten
Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Beliebte Themen
Ernährung
Aus der Community
Push-Benachrichtigungen