Verbot von Kinderwerbung soll Kinder vor Übergewicht schützen

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Verbot von Kinderwerbung soll Kinder vor Übergewicht schützen

Die WHO Europa hat ein Modell entwickelt, das es den Regierungen erlaubt, Lebensmittel nach einheitlich festgelegten Kriterien in gesunde und ungesunde Lebensmittel zu unterscheiden.

Überall in der Welt und auch in Europa sind Kinder permanent den vielfältigen Marketingaktivitäten der Lebensmittelindustrie ausgesetzt. Beworben werden überwiegend ungesunde Produkte, die für die Zunahme von kindlichem Übergewicht und den Tsunami der chronischen Krankheiten mit verantwortlich sind. Jetzt hat die WHO Europa ein Modell entwickelt, das es den Regierungen erlaubt, die Lebensmittel nach einheitlich festgelegten Kriterien in gesunde und ungesunde Lebensmittel zu unterscheiden und daran Werbeverbote zu knüpfen.

„Auf eine solche europaweit einsetzbare Methode der Klassifikation von Lebensmitteln und Getränken anhand von definierten Nährwertprofilen haben wir lange gewartet, denn sie ist für die Politik ein wichtiges Handwerkszeug. Die Nährwertprofile können jetzt als Entscheidungsgrundlage dienen für die Frage, ob ein Produkt an Kinder vermarktet werden darf oder nicht“, so Prof. Dr. Thomas Danne, Vorstandsvorsitzender von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe. „Damit ist der Weg frei, ungesunde Produkte mit einem Verbot für Kinderwerbung zu versehen. Nur so können wir unsere Kinder vor der Gefahr der süßen und fettigen Verführungen schützen.“, so der Pädiater aus Hannover.

Keine Rechtfertigung für Vermarktung – Produkte ohne Nährwerte

„Übergewicht bei Kindern ist in Europa weit verbreitet. Wir stimmen mit der WHO Europa überein, dass es deshalb keinerlei Rechtfertigung für die Vermarktung von Produkten an Kinder gibt, die außer Kalorien wenig oder keinen Nährwert enthalten, zu einer ungesunden Ernährungsweise beitragen und die Entstehung und Aufrechterhaltung von Übergewicht und Adipositas fördern“, erläutert Prof. Dr. Martin Wabitsch, Präsident der Deutschen Adipositas-Gesellschaft.

„Das Nährwert-Profiling als Grundlage für eine nationale Regelung kann Kinder vor dem schädlichen Einfluss des Marketings für Produkte mit hohen Gehalten an Kalorien, gesättigte Fetten, Trans-Fettsäuren, Zucker und Salz schützen. Jetzt ist die Politik am Zug, denn die Selbstverpflichtungen der Lebensmittelwirtschaft haben uns in der Vergangenheit nicht effektiv weitergebracht! (6)“, fordert der Ulmer Kinder-und Jugendarzt.

Jetzt ist der Gesetzgeber gefragt

„Die bisherigen Appelle an die Vernunft des Einzelnen sind gescheitert. Jetzt ist der Gesetzgeber gefragt: In einer übergewicht-fördernden Umwelt muss es dem Einzelnen erleichtert werden, gesund zu essen und zu trinken – ohne diese Verhältnisprävention wird die Adipositaswelle weiter rollen.“, darauf weist Dr. Dietrich Garlichs, Geschäftsführer der Deutschen Diabetes Gesellschaft und Sprecher der Deutschen Allianz gegen Nichtübertragbare Krankheiten hin.

Zur Eindämmung des Tsunamis der chronischen Krankheiten muss die Politik endlich wirksame Maßnahmen der Verhältnisprävention ergreifen, wie ein Verbot für an Kinder gerichtetes Marketing für ungesunde Lebensmittel und Getränke,“ so Garlichs.

Im Sommer 2014 hat der Bundesrat der Bundesregierung ans Herz gelegt, den Zuckergehalt in Lebensmitteln, speziell solchen für Kinder, zu reduzieren. Auch für eine solche „Reformulierung“ von Produktrezepturen bietet das WHO-Nährstoff-Profiling eine wertvolle Orientierungshilfe für die Lebensmittelindustrie

.

Hintergrund:

Das Mandat zur Erstellung von Nährwertprofilen leitet sich ab aus der Politischen Deklara-tion des 1. UN-Gipfels gegen die nichtübertragbaren Krankheiten 2011 (1) und in der Folge aus der Wiener Deklaration zur Ernährung und den nichtübertragbaren Erkrankungen im Kontext von „Health 2020“(2).

Hier einigten sich die europäischen Gesundheitsminister darauf, den Marketingdruck auf Kinder zu reduzieren im Hinblick auf Lebensmittel und Getränke mit hohen Gehalten an Nahrungsenergie, gesättigten Fetten, Trans-Fettsäuren, freien Zuckern und Salz. Die WHO wurde beauftragt, Methoden zu entwickeln, die die Reformulierung von Produktrezepturen, eine verbraucherfreundliche Nährwertkennzeich-nung und ein Nährstoff-Profiling ermöglichen, um den Verbrauchern eine gesündere Lebensmittelauswahl zu erleichtern.

Nährstoff-Profiling

Unter „Nährstoff-Profiling“ versteht man „die Wissenschaft, Nahrungsmittel und Getränke anhand ihrer Nährstoffzusammensetzung zum Zweck der Krankheitsverhütung und der Gesundheitsförderung zu klassifizieren und zu bewerten.“ (zit. nach 3.) Das Nährstoff-Profiling kategorisiert Lebensmittel und Getränke, die eher zu einer gesunden Ernährungs¬weise gehören und grenzt sie ab von solchen, die eher zu einem Überkonsum von Kalorien, gesättigten Fetten, Transfetten, Zucker oder Salz führen. Das Nährstoff-Profiling dient der Politik dazu, die Qualität der Ernährungsweisen in der Bevölkerung zu verbessern und wurde speziell zum Zweck der Einschränkung des Marketings an Kinder entwickelt.

Lebensmittel werden in 17 Produktgruppen eingeteilt

Das Nährstoff-Profiling-Modell der WHO Europa ist eine Weiterentwicklung bereits bewährter Modelle aus Norwegen, Dänemark und Finnland und teilt die Lebensmittel in 17 Produktgruppen ein. Eine weitergehende Identifizierung von Produktgruppen und Produkten basiert auf dem Harmonized Commodity Description and Coding System, dem „Harmonisierten System“ (HS), einer aus ca. 5.000 6-8stelligen Codenummern bestehenden Klassifikation der Vereinten Nationen zur Einteilung von Waren, die auch die Basis des Zolltarifs der Europäischen Union (EU) darstellt und daher in der EU-Lebensmittelindustrie gelernt ist.

Beworben werden dürfen Früchte, Gemüse, Fleisch etc.

Grundsätzlich nicht beworben werden dürfen Produkte mit > 1 g Trans-Fettsäuren/ 100 g und Produkte mit ≥ 0,5% der Gesamtenergie aus Alkohol sowie grundsätzlich Produkte der Lebensmittelkategorie 1 (Schokolade und Süßwaren, Energieriegel, süße Toppings und Desserts) und 2 (Kuchen, süße Backwaren, und Backwarenmischungen), 4 ( Fruchtsäfte, Energy Drinks) und 5 (Speiseeis).

Grundsätzlich immer beworben werden dürfen Produkte der Kategorie 13 (Frisches und gefrorenes Fleisch, Geflügel, Fisch, Eier) und 15 (Frische und gefrorene Früchte, Gemüse und Hülsenfrüchte).

Maximalmengen kritischer Nährstoffe darf nicht überschritten werden

Lebensmittel aus den übrigen Produktgruppen dürfen nur beworben werden, wenn spezifische Maximalmengen für kritische Nährstoffe bzw. Nahrungsenergie pro 100g Lebensmittel nicht überschritten werden, z.B.:

  • Milchgetränke mit zugesetzten Zuckern und/oder > 2,5 g Fett/ 100 g
  • Frühstückszerealien mit >10 g Fett und/oder > 15 g Zucker und/oder > 1,6 g Salz/ 100 g
  • Convenience-Lebensmittel (Teil- und Fertigprodukte) mit > 225 kcal/ 100 g oder > 10 g Fett und/oder > 4 g gesättigten Fetten und/ oder > 10 g Zucker und/oder > 1 g Salz/ 100 g

Das Nährstoffprofilierungs-Modell dient Regierungen:

  • zur Identifizierung von Lebensmitteln, die nicht an Kinder beworben werden dürfen
  • zum Monitoring des Ausmaßes und der Art der Werbung für Lebensmittel.
  • Als Anreiz für die Lebensmittelindustrie, ihre Produktrezepturen gesundheits-förderlich zu optimieren

Literatur:
1. Political Declaration High Level Meeting Noncommunicable Diseases (adopted 2011)
2. Vienna Declaration on Nutrition and Noncommunicable Diseases in the Context of Health 2020. Copenhagen: WHO Regional Office for Europe; 2013, accessed 03.03.15
3. WHO Regional Office for Europe nutrient profile model
4. Strategiepapier der Deutschen NCD-Allianz zur Primärprävention: Den Tsunami der Chronischen Krankheiten stoppen: Vier Maßnahmen für eine wirkungsvolle und bevölkerungsweite Prävention
5. WHO Regionalbüro für Europa:
Europäischer Aktionsplan Nahrung und Ernährung (2015-2020)
6. Moodie,R, Stuckler, S et al:
Profits and pandemics: Prevention of harmful effects of tobacco, alcohol and ultra-processed food and drink industries.

Quelle: Gemeinsame Pressemitteilung von diabetesDE, der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) sowie der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG)

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  • insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche

    Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 2 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

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    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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