Erstmals hat die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) ihre Herbsttagung hybrid abgehalten: Etwa 2 800 Teilnehmende waren Anfang November in Wiesbaden (2G-Regel), ca. 1 400 waren online dabei. Ein wichtiges Thema der Pressekonferenz: Was sollte sich für Kinder mit Diabetes verbessern?
Professor Andreas Neu (Tübingen), derzeit Präsident der DDG, kam während der Pressekonferenz ausführlich zu Wort – und legte als Kinderdiabetologe das Hauptaugenmerk auf die Situation von Kindern mit Diabetes in Deutschland. „Ganz grundsätzlich kann man feststellen, dass die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes in Deutschland gut ist. Die Zahl der ganz schlecht eingestellten Kinder ist in den letzten 15 Jahren zurückgegangen, die Zahl der schweren Unterzuckerungen ist in den letzten 15 Jahren zurückgegangen.“
Die technischen Möglichkeiten seien fantastisch, aber: „Die Therapieziele, die in den nationalen Leitlinien, aber auch in den internationalen Leitlinien festgeschrieben sind, erreichen wir nur zu ca. 30 Prozent. Also trotz optimaler Möglichkeiten: schlechte Ergebnisse.“ Woran liegt das? „Es liegt weder an den Diabetologen noch an den Teams noch an den Patienten, es liegt an der Tatsache, dass das Leben mit Diabetes im Alltag schwierig ist.“ Neu nannte verschiedene Lebensalter mit ihren Schwierigkeiten: im Kindergarten, wenn eine Erzieherin eine ganze Gruppe Kinder betreuen muss, in der Ganztagsschule mit mehreren Mahlzeiten über den Tag, beim Sport, wenn der Glukosewert gerade ungünstig ist …
Barrieren und Forderungen
Neu nannte vier Barrieren, die einer guten Versorgung von Kindern mit Diabetes entgegenstehen, und vier Verbesserungsvorschläge/Forderungen:
- „Wir haben diese optimalen Hilfsmittel, hochdifferenziert, modern, bewährt, in Studien erprobt. Sie stehen zur Verfügung, das sind alles zugelassene, im Hilfsmittelkatalog aufgeführt Hilfsmittel (…).“ Oft bekomme das Kind eine Pumpe erst nach 4 bis 6 Monaten – „und das aufgrund bürokratischer Hürden.“ Forderung der DDG: Abbau dieser Hürden, damit Kinder die bestmögliche Therapie bekommen.
- Das Lebensumfeld von Kindern und Jugendlichen ist nicht eingestellt auf die Bedürfnisse chronisch kranker Kinder. „10 Prozent der Mütter geben ihre Berufstätigkeit nach Diagnose des Diabetes beim Kind auf, 39 Prozent der Mütter reduzieren diese Berufstätigkeit, 46 Prozent der Familien haben erhebliche finanzielle Einbußen.“ Forderung der DDG: flächendeckende und verpflichtende Einführung einer Schulgesundheitsfachkraft an allen Grundschulen
- Die Ausstattung der Diabetesteams insbesondere im psychosozialen Bereich ist unzureichend. Im Vergütungssystem muss berücksichtigt werden, dass manche Patientengruppen – wie Kinder mit Diabetes – einen erhöhten medizinischen Bedarf haben.
- Das Netz der psychosozialen Versorgung ist in der Breite nicht ausreichend. Neu: „Das betrifft nicht nur den Diabetes, aber bei chronischen Erkrankungen spielt die Akzeptanz, die Bewältigung von Anfang an eine große Rolle, und das braucht in vielen Fällen flankierende Maßnahmen. Und wenn Sie auf einen Therapieplatz 6 Monate warten müssen, dann brauchen Sie ihn auch nicht mehr.“ Forderung der DDG: der Ausbau der psychosozialen Versorgung.
Quelle: Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) | Redaktion
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2021; 12 (4) Seite 5