Kinder mit Diabetes und deren Familien: Wünsche der Betroffenen

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Kinder mit Diabetes und deren Familien: Wünsche der Betroffenen

Dank intensiver Forschung gibt es viele wertvolle Erkenntnisse und Entwicklungen, die das Leben mit Diabetes erleichtern. Die beiden Autorinnen sagen, welche Forschungsthemen aus Sicht betroffener Kinder und Familien auch noch wichtig wären.

Aktuelle Zahlen gehen davon aus, dass in Deutschland ca. 30.000 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 0 und 19 Jahren an Typ-1-Diabetes erkrankt sind. Während die Prävalenz für Typ-1-Diabetes (also die Häufigkeit der Erkrankung) zwischen 0 und 19 Jahren im Jahr 2006 noch ca. 0,13 Prozent betrug, gehen Hochrechnungen davon aus, dass diese sich bis zum Jahr 2026 verdoppelt.

Diese Zahlen werfen neue Fragen auf und bedeuten für die Gesellschaft, die Politik und die Forschung neue Herausforderungen, denen es sich zu stellen gilt.

Geschichte der Diabetesforschung

Bedenkt man, dass der Typ-1-Diabetes vor nicht ganz 100 Jahren noch nicht behandelt werden konnte, haben wir der Forschung einiges zu verdanken. Der bisher größte Meilenstein in der Diabetesforschung war die Isolierung von Insulin in unzerstörter Form aus dem Gewebe einer tierischen Bauchspeicheldrüse und die anschließende erfolgreiche Behandlung diabetischer Hunde. Das war im Jahr 1921 und ist den kanadischen Forschern Frederick Banting und Charles Best zu verdanken.

Nachdem das Insulin entdeckt war, ging es auch in der Entwicklung neuer Technologien für die Diabetestherapie rasch voran. Während man um 1900 noch ca. einen Viertelliter Blut benötigte, um den Blutzuckerwert mittels eines Kolorimeters zu bestimmen, benötigen die modernen Blutzuckermessgeräte hierfür nur noch einen kleinen Blutstropfen.

Trotz der vielen neuen Forschungsergebnisse zum Insulinstoffwechsel und der rasanten Entwicklung in der Medizintechnik müssen sich unsere Kinder mit Diabetes heute immer noch mehrmals täglich in die Fingerkuppe stechen, um den Blutzucker zu messen, – und sie müssen sich Insulin injizieren.

Wünsche der Betroffenen

Wenn man ein Kind mit Typ-1-Diabetes fragt, was es sich von der Diabetesforschung in Zukunft wünscht, dann ist “Heilung” häufig die erste und auch einzige Antwort. Wissenschaftler forschen weltweit nach den Ursachen für den autoimmunologischen Prozess gegen die insulinbildenden Zellen. Und auch in vielen anderen Bereichen wird geforscht, z. B. in der Entwicklung neuer Heilungsansätze, neuer Medikamente und Therapieformen.

Aus unserer Sicht sollte in Zukunft – neben diesen Aspekten – die familiäre Bewältigung, die Auswirkungen der Diagnose und der Therapie auf die Lebensqualität des Kindes und der Familie sowie die Möglichkeiten zur Förderung der Selbstständigkeit der Betroffenen intensiver erforscht werden.

Die Lebensqualität wird derzeit selten als Endpunkt in klinischen Studien erhoben und bewertet. Es stellt sich bei der Entwicklung neuer Medikamente und Therapieformen aber auch die Frage, wie sie sich auswirken – auf die individuelle Psyche und die Lebensqualität des Kindes sowie auf dessen Umgebung. Man sollte immer berücksichtigen, dass unsere Kinder weder in einem Diabeteszentrum, einer Diabetesambulanz noch in einem Studienzentrum leben: Sie leben zu 99 Prozent der Therapiezeit außerhalb solcher Zentren in ihrem gesellschaftlichen Umfeld.

Verantwortung der Medien

Dank neuer Medien verbreiten sich wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Diabetesforschung auch schnell in der “Allgemeinbevölkerung”. Dies ist aus unserer Sicht auch wünschenswert.

Bevor man jedoch neue Forschungsergebnisse für die Allgemeinbevölkerung veröffentlicht oder kommuniziert, sollte man sich die Frage nach der Auswirkung der jeweiligen Information auf die Kinder mit Diabetes, auf uns als Familie und auf die Gesellschaft stellen. Die übergreifende Frage ist, ob und wie unserer Kinder und wir als Familie sowie die Allgemeinbevölkerung diese neu gewonnenen Erkenntnisse realistisch einschätzen und bewerten können?

Schlagzeilen richtig einordnen – oft schwer

Schlagzeilen wie “Diabetes bald heilbar” oder “Insulin für Diabetiker als Pille” sind wichtig, um auf das Krankheitsbild und auf neue sowie innovative Forschungsergebnisse aufmerksam zu machen. Schaut man genauer hin, fällt auf, dass häufig nicht nach Diabetesform (Typ 1 oder Typ 2) unterschieden wird und auch nicht, ob die Ergebnisse aus Tier- oder aus Humanstudien gewonnen wurden.

Des Weiteren fällt es oft schwer, die Qualität einer Studie und die daraus gezogene Aussage bewerten zu können. Uns wurde schon mehrfach berichtet, dass Familien mit Aussagen konfrontiert wurden wie: “Ich habe gelesen, dass man das jetzt heilen kann”. Die Bedeutung neuer Forschungserkenntnisse einzuordnen, ist für die Allgemeinbevölkerung, für die Betroffenen und für uns als Familie oft schwer.

Neuerkrankte finden sich vielleicht schwerer mit der Diagnose ab und finden schwerer in einen Therapiealltag hinein, weil sie hoffen, sich in naher Zukunft wegen der Heilungschancen nicht mehr mit dem Diabetes auseinandersetzen zu müssen. Zudem müssen Hoffnungen der Kinder und Jugendlichen mit Diabetes, die über neue Therapiemöglichkeiten lesen, häufig enttäuscht werden, da Produkte noch gar nicht auf dem Markt sind oder zunächst noch nicht für Kinder und Jugendliche (unter 18 Jahre) zugelassen sind.

Aufgaben für einen Verein

Für uns als Vertreterinnen eines Vereins für Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes (www.diabeteskinder-ulm.de) bedeutet dies, weiterhin Angebote für die Kinder und Jugendlichen sowie für ihr Umfeld zu schaffen, um diese in einem selbstständigen Umgang mit ihrer Erkrankung zu fördern.

Zudem ist weiterhin eine intensive Öffentlichkeitsarbeit notwendig, um in der Bevölkerung ein Verständnis für die Erkrankung und Therapie zu erreichen. Hierzu sind nicht nur regelmäßig stattfindende Fortbildungen für Lehrer und Kindergärtner notwendig, sondern auch Pressemeldungen, die über den Alltag der betroffenen Kinder und Jugendlichen berichten. Eine gut informierte Allgemeinbevölkerung bietet unseren Kindern den Rahmen für eine gesunde Entwicklung – mit und trotz Diabetes.


von von Dr. jur. Anja Bratke und Dr. biol. hum. Stephanie Brandt

Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2015; 8 (1) Seite 16-17

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