Zöliakie – was nun?

4 Minuten

Zöliakie – was nun?

Das Klebereiweiß Gluten bzw. seine Unterfraktion Gliadin findet sich in Weizen, Dinkel, Roggen, Gerste und Hafer. Eine Unverträglichkeit gegen diese Nahrungsbestandteile tritt im Rahmen einer Autoimmunkrankheit auf, die bei Kindern als Zöliakie und bei Erwachsenen als Sprue bekannt ist. Sie kommt bei Typ-1-Diabetikern häufiger vor.

Es gibt zwei Häufigkeitsgipfel

Ein Ausbruch der Erkrankung ist in jedem Lebensalter möglich. Allerdings haben sich zwei Häufigkeitsgipfel herauskristallisiert: erstens zwischen dem 1. und 8. Lebensjahr, dann noch im Alter zwischen 20 und 50 Jahren. Menschen mit Typ-1-Diabetes haben häufiger eine Zöliakie als Stoffwechselgesunde. Im Gegensatz zur übrigen Bevölkerung mit einer Zöliakie-Häufigkeit von geschätzten 0,5 bis 1 Prozent kommt sie bei bis zu 10 Prozent der Kinder und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes vor.

Warum genau, ist noch unklar, vermutlich durch gemeinsam auslösende Erbfaktoren. Diese begünstigen eine Fehlreaktion des Immunsystems, quasi eine Autoimmunität. Daher treten Autoimmunerkrankungen wie Typ-1-Diabetes und Zöliakie gern in Kombination auf.

Während sich beim Diabetes die Körperabwehr gegen noch unbekannte Bestandteile der Bauchspeicheldrüse richtet, führt bei Zöliakie die Aufnahme von Gluten zur autoimmunbedingten Entzündung der Darmschleimhaut. Da Typ-2-Diabetes nichtimmune Ursachen hat, besteht hier kein Zusammenhang mit einer Glutenunverträglichkeit.

Oft fehlen typische Symptome

Typische Symptome einer Zöliakie sind ein geblähter Bauch, Durchfall, zu geringes Wachstum oder fehlende Gewichtszunahme. Sie verläuft bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes aber häufig ohne solche Symptome, was die Diagnose erschwert.

Beim Gesunden wird Gegessenes im Dünndarm in seine Bestandteile zerlegt und gelangt über die Schleimhaut in den Körper. Der Darm ist mit vielen Falten, den Zotten, ausgekleidet, um eine möglichst große Oberfläche zur Nährstoffaufnahme zu haben; beim Entzündungsprozess der Zöliakie bilden sich die Zotten zurück. Somit verringert sich die Dünndarmoberfläche, es können nicht mehr ausreichend Nährstoffe aufgenommen werden – Symptome folgen. Sobald auf eine glutenfreie Lebensweise umgestellt wird, bauen sich Darmzotten wieder auf, sämtliche Symptome verschwinden.

Mehr als 95 Prozent der europäischen Zöliakie-Patienten haben einen bestimmten immunsystemregulierenden Erbfaktor: HLA-DQ2-Heterodimer oder seltener HLA-DQ8. Da diese HLA-Typen auch bei Menschen mit Typ-1-Diabetes häufig bestehen, erklärt dies wahrscheinlich, warum beide Krankheitsbilder gern zusammen vorkommen.

Erbfaktoren regeln Risiko

Ein entsprechender Gentest ist teuer und bisher recht aufwendig. Deshalb werden Patienten mit Typ-1-Diabetes stattdessen mit einem Bluttest auf zöliakietypische Antikörper untersucht. Manche Kinder haben selbst bei positiven HLA-Merkmalen und Zöliakie-Antikörpern eine gesunde Darmschleimhaut, wie eine Studie zeigen konnte.

Es gibt mindestens 21 Risikogene für Typ-1-Diabetes und 11 für Zöliakie; 7 davon sind mit beiden Erkrankungen zugleich assoziiert. Eines der gemeinsamen Risikogene kodiert für Zonulin, das an Kontaktstellen zwischen Zellen eine wichtige Rolle spielt. So finden sich bei Typ-1-Diabetikern wie auch Zöliakie-Patienten deutlich erhöhte Zonulinspiegel, teils schon Jahre vor Erkrankungsbeginn.

Positiver Bluttest bei 10 Prozent der Diabetes-Kinder

Eine Auswertung deutscher und österreichischer Daten von Prof. Reinhard Holl aus Ulm zeigte bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes eine Häufigkeit zöliakietypischer Antikörper von 11 Prozent. Aufgrund der beschriebenen Häufigkeit empfehlen die Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Diabetologie und die International Society for Pediatric and Adolescent Diabetes (ISPAD) eine regelmäßige Blutuntersuchung bei Diabetesmanifestation und verdächtigen Symptomen.

Empfehlungen der Fachgesellschaft europäischer Magendarmspezialisten sehen jedoch ein leicht modifiziertes Vorgehen vor zur Untersuchung symptomloser Patienten mit erhöhtem Zöliakie-Risiko: Dazu zählen auch Typ-1-Diabetiker, bei denen in erster Linie ein HLA-Gen-Test angeboten werden sollte. Die Abwesenheit der HLA-DQ2- und -DQ8-Gen-Typen minimiert das Zöliakierisiko, was weitere Blutuntersuchungen unnötig macht.

Eine Zöliakie-Diagnose sollte trotz Gen- oder Bluttest nur gestellt werden, wenn die feingewebliche Untersuchung der Dünndarmschleimhaut typische Veränderungen von Dünndarmzotten zeigt. Dazu ist eine kurze, schmerzlose Prozedur, vergleichbar einer Magen-Darm-Spiegelung, erforderlich.

Gibt es Schutzfaktoren?

Warum manche Patienten mit auffälligem Bluttest eine normale Schleimhaut haben und andere fehlende Darmzotten als Ausdruck der Zöliakie, ist nach wie vor unklar. Es liegt nahe, dass diese Kinder genetisch anders ausgestattet sind als andere, die das Vollbild der Zöliakie-Erkrankung entwickeln. Das könnte bei Kindern, die in der HLA-Bestimmung eine besondere Empfänglichkeit für Zöliakie zeigen, dazu führen, dass sie auf Gluten reagieren. Dennoch können sie durch andere genetische Schutzfaktoren insgesamt ein vermindertes Risiko haben, tatsächlich eine Zottenatrophie zu entwickeln. Eine weitere Hypothese ist, dass womöglich eine regulatorische Immunantwort, die eine beginnende Zöliakie auslöscht, trotz Vorliegen von Risikogenen zum Einsatz kommt.

Unbehandelte Zöliakie macht den Diabetes schwer einstellbar

Die im Dünndarm veränderte Darmschleimhaut kann zur fehlerhaften Aufnahme von Nährstoffen oder sogar zu Durchfällen führen. So entstehen im Laufe der Erkrankung Nährstoffdefizite, die eine Reihe von Beschwerden auslösen können. Manche der Krankheitszeichen entstehen vermutlich auch durch entzündliche Prozesse – unabhängig von Nährstoffdefiziten.

Da sich eine Zöliakie nicht nur auf den Darm beschränkt, wird sie als Erkrankung des gesamten Körpers, also als Systemerkrankung angesehen. Dies kann bei Diabetikern erhebliche und unerklärliche Blutzuckerschwankungen zur Folge haben, was eine erfolgreiche Diabetestherapie erschwert. Die Einführung einer glutenfreien Kost bei Betroffenen führte in Studien und in klinischen Einzelfällen zur Reduktion von Unterzuckerungen und Normalisierung von Blutzuckerschwankungen insgesamt.

Glutenfrei: ab wann es sich lohnt …

Langzeitstudien haben gezeigt, dass eine unbehandelte Zöliakie einhergeht mit erhöhten Risiken zur Entwicklung von Krebserkrankungen, Unfruchtbarkeit, mangelnder Knochenfestigkeit oder neurologischen Auffälligkeiten. Bei Patienten mit konsequenter Einhaltung einer glutenfreien Kost sind diese Gefahren im Vergleich zur Normalpopulation nicht erhöht. Hinweise, dass eine glutenfreie Kost bei Menschen ohne Zöliakie das Risiko für Krebs, mangelnde Knochenfestigkeit oder Blutzuckerschwankungen reduziert, gibt es nicht.

Es fehlt jegliche Erfahrung zur Einschätzung des Folgeerkrankungsrisikos bei Patienten mit einer Zöliakie-Form ohne Symptome, die lediglich durch einen Bluttest diagnostiziert wird – ohne Nachweis typischer Veränderungen in der Dünndarmbiopsie. Eine Behandlung asymptomatischer Patienten wird in der ISPAD-Leitlinie der internationalen Kinderdiabetesgesellschaft empfohlen – auch wenn eingeräumt wird, dass dafür keine eindeutigen wissenschaftlichen Belege existieren.

Eine dänische Arbeitsgruppe konnte nachweisen, dass es Patienten gibt, bei denen erst unter einer glutenfreien Lebensweise erkannt wird, dass sie vor der Ernährungstherapie Symptome hatten, die nach Behandlungsbeginn verschwanden. Für diese Patienten mit fehlender oder sehr geringer Symptomatik wird deshalb eine ausführliche Aufklärung empfohlen – unter Darlegung der Studienlage.

Die Beratung sollte gemeinsam vom Diabetologen, Gastroenterologen und einer qualifizierten Ernährungsfachkraft erfolgen. Ein genereller oder teilweiser Verzicht auf Gluten für Menschen mit und ohne Diabetes ist nach wie vor unbegründet – auch wenn dies von einer bestimmten Gruppe der Bevölkerung aktuell als sinnvoll erachtet wird.

Schwerpunkt

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Ähnliche Beiträge

t1day 2026 am 25. Januar: Ein Tag für Menschen mit Typ-1-Diabetes

"Time for us!": Am 25. Januar 2026 trifft sich die Typ-1-Diabetes-Community beim t1day in Berlin und online. Der Tag bietet Vorträge, Workshops und Austausch auf Augenhöhe rund um das Leben mit Typ-1-Diabetes.
t1day 2026 am 25. Januar: Ein Tag für Menschen mit Typ-1-Diabetes | Foto: Mike Fuchs

< 1 minute

Moderne Technik, Planung und Motivation: der TransAlpine Run mit Typ-1 Diabetes

Moderne Technik, Planung und Motivation: der TransAlpine Run mit Typ-1 Diabetes | Foto: mylife Diabetescare

4 Minuten

Anzeige

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Community-Frage

Mit wem redest du
über deinen Diabetes?

Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Community-Feed

  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • darktear antwortete vor 1 Woche

      Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 3 Wochen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • moira antwortete vor 2 Wochen

      Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 3 Wochen, 1 Tag

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

Verbände