Bauchgefühle – intuitives Essen: ein Versuch

5 Minuten

Community-Beitrag
Bauchgefühle – intuitives Essen: ein Versuch

Ich bin Köchin. UND ich bin Diabetikerin. Lässt sich das beides unter einen Hut bringen? Manchmal. Wie oft wurde mir schon gesagt: „Mach doch was anderes. Kochen und dann auch noch eine Krankheit wie Diabetes, das geht nicht.“, „Tut dir das gut? Ständige Zuckerschwankungen, das ständige Essen um dich herum?“ – Nein. Ich weiß. Es tut mir oft gar nicht gut.

Ich bin eine Stress-Esserin.

Eine leidenschaftliche Genießerin.

Undiszipliniert.

Vergesslich.

Ich folge zu oft meinem Bauch – nicht meinem Verstand.

So viel zu mir.

Quelle: Annika Nowotny

Das alles hat zur Folge, dass ich schon des Öfteren eine Pause einlegen musste. Immer wieder habe ich meinen Job gekündigt, habe an mir gezweifelt, wollte aufgeben, habe Hilfe gesucht. Mein Gewicht. Mal zu hoch, dann viel zu niedrig, jetzt wieder mal an der oberen Grenze. Das alles schwankt und schwankt. „Ich will mich nicht ernähren. Ich will was essen.“ (ein treffendes Zitat der Schriftstellerin Ildikó von Kürthy)

Ich komme aus einem Zuhause, in dem Essstörungen schon früh Thema meines Lebens wurden. Dann kam meine Diagnose. Mein Halt und meine Art, mit meiner Krankheit umzugehen, war meine Liebe zum Essen. Ich habe begonnen, mehr und mehr Kochsendungen anzusehen. Nach den verschiedensten Diäten und Ernährungsregeln zu forschen. Auszuprobieren, zu lernen. Ich bin süchtig nach neuen Rezeptideen geworden.

Ich habe eine Lehre begonnen. Und so begann mein ewiger Kampf. Ich habe selbst eine Essstörung entwickelt, war sehr dünn, habe nur noch gekämpft. Was ist wichtiger?! Mein Diabetes, mein Aussehen oder meine Leidenschaft zum Kochen? (Eigentlich sollte das keine Frage sein – doch sagt das mal eurem Herzen, wenn ihr ein Herzensmensch und kein Kopfmensch seid.)

Inzwischen habe ich mich entschieden, meinen Herzensweg weiterzugehen. Und zu lernen, einen gesunden Umgang in meiner Arbeit und im Alltag für mich zu finden. Nicht leicht, wenn man liest, welche Schwachstellen ich habe.

Im letzten Jahr habe ich mich mit dem Thema „intuitives Essen“ beschäftigt. Dazu bewegt hat mich eine sehr schwache „Ich-mag-mich-grad-gar-nicht“-Phase und ein Online-Meeting. Ich war ein wenig skeptisch, denn mir fällt es auch noch schwer, mich an Regeln zu halten. Noch schlimmer: gar keine Richtlinien außer, dem Hungergefühl zu lauschen!

Drei Monate intuitiv essen lernen

Ich sage gleich vorweg: Drei Monate durchhalten ist mir nicht leichtgefallen. Und es gab immer wieder Phasen, in denen ich mich und auch mein Projekt habe schleifen lassen. Und das ist okay. Ich habe es gemacht und es war eine spannende Erfahrung.

In diesem Programm habe ich mich viel mit meinen Gedanken, Gefühlen und Gewohnheiten auseinandergesetzt.

  • Warum esse ich, wenn ich doch eigentlich gar keinen Hunger habe?
  • Was esse ich, und was würde ich eigentlich gerne essen?
  • Finde ich mich gut, so wie ich bin?
  • Und wenn nein – kann ich nicht meine Einstellung zu meinen Gedanken ändern, anstatt ständig nur mich selbst ändern zu wollen?

Gerade wir Diabetiker haben es nicht leicht. Wir nehmen schneller zu und schwerer ab. Wir müssen uns STÄNDIG mit dem Thema „richtige Ernährung“ auseinandersetzen und zusätzlich nicht vergessen, „trotzdem richtig zu genießen“. Ich sage: „Hut ab – für all die Diabetiker, die ein normales Gewicht haben und denen es egal ist, wie viel, wann und was sie essen.“

Intuitiv essen – was bedeutet das konkret?

Als Kinder leben wir nach diesem Prinzip. Wir schreien, wenn wir hungrig sind, und machen den Mund nicht mehr auf, wenn es genug ist. Im Laufe der Zeit werden wir mit den verschiedensten Dogmen, Situationen, Empfehlungen und Regeln konfrontiert. „Der Teller wird aufgegessen, andere Menschen hungern.“, „Iss gesund! Iss genügend Obst und Gemüse.“, „Jetzt gibt’s nichts zu essen – wir essen erst abends.“ … Der Kopf ist voll mit Regeln und Eindrücken. Das Bauchgefühl wird leiser und leiser und wir verlieren den Bezug dazu. Beim intuitiven Essen lernt man, wieder seinem Bedürfnis und seinem Hungergefühl zu folgen. Frei von allen Regeln und Empfehlungen! Man bestimmt, was, wann und wie viel man essen mag!

Du isst, wenn du körperlich hungrig bist!

In diesem Satz, der für mich entscheidend ist, steckt alles drin. Das intuitive Essensprogramm, dem ich folge und das mir guttut, hat lediglich 4 Regeln, die ich verinnerlichen musste.

  1. Iss, wenn du körperlich hungrig bist

Wie fühlt sich mein körperlicher Hunger an? Habe ich Durst und nur zu wenig getrunken? Esse ich aus Stress oder aus Gewohnheit, weil ich immer um diese Zeit Lust auf etwas zu essen habe?

  1. Wähle das, was dir schmeckt und guttut

Worauf habe ich Lust? Ist mir lieber nach etwas Warmem oder Leichtem? Mag ich etwas Süßes, obwohl ich zum Salat greife? Ich darf alles essen und sage mir: Wenn ich meinem Körper das gebe, was er möchte, dann esse ich weniger und bin zufriedener danach. Der Körper holt sich, was er braucht.

  1. Iss langsam und mit Bedacht

Ich gebe meinem Körper und mir die Zeit. Es reichen 15-30 min. Ich lenke mich nicht mit dem Handy ab, sondern achte bewusst darauf, was ich esse. Ich esse nicht unter Druck, im Stehen oder, während ich etwas anderes tue. (Als Diabetiker ist das sowieso nicht gut, denn ich habe dadurch schon oft Spritz-/Berechnungsfehler gemacht oder sogar schlichtweg beim Lesen das Essen vergessen…)

  1. Höre auf, wenn du angenehm gesättigt bist

Das schien für mich schlicht UNMÖGLICH! Wenn ich mir doch schon das Essen gespritzt hatte, muss ich es doch auch aufessen. Ja, stimmt – ABER: Ich kann vor dem Essen kurz einmal durchatmen und in mich hineinhören, wie viel ich möchte. Zur Not spritze ich lieber für 1-2 BE weniger und dann nochmal während des Essens für die restlichen BE. Ich tue mir ganz bewusst – obwohl ich hungrig bin – die richtige Ladung auf den Teller (WENN ich mir Zeit nehme und nicht in meinen gierigen „Ess-Modus“ verfalle). Ich habe gelernt, mir nicht noch einmal nachzuladen, sondern diesen einen Teller zu genießen und mir Reste in eine Dose zu packen und an einem anderen Tag zu essen.

Mein Fazit:

Als ich mich für dieses Programm entschieden hatte, wollte ich eigentlich 3 Kilo abnehmen. Nach den drei Monaten war ich genauso schwer, aber ich habe so viel in mir drin verändert. Und um ehrlich zu sein: Das war das Beste, was ich habe tun können. Aus meinen vielen Diät-Gedanken auszubrechen und endlich zu lernen, dass ich wertvoll bin. Egal mit wie vielen Kilos auf der Waage, egal was ich esse und wie viel. Dass ein inneres Strahlen gesund ist. Und nicht die Zahl auf der Waage.

Inzwischen sind noch 2 Kilo dazugekommen. Ich habe die Kilos zugenommen, die dringend notwendig waren für meinen Körper, um gesund zu werden. Nicht vom Diabetes. Aber von meinem jahrelangen Ausbleiben meiner Regel und den ständigen Essanfällen und inneren Zweifeln. Meine Werte sind in vielen Phasen nun ausgeglichener und ruhiger. Und langsam pendelt sich ein Rhythmus ein. Mir hat es geholfen, in mir drin zu arbeiten und nicht an meinem Körper draußen. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass es bei vielen keine Gewichtsveränderung gibt oder manche sogar abnehmen, anstatt wie ich zuzunehmen.

Quelle: Annika Nowotny

Ich habe gelernt, dass das Ziel von intuitiven Essen Folgendes ist:

Man lässt seinen Körper wieder entscheiden, was er braucht und wie er auszusehen hat. Nicht jede Frau oder Mann hat einen gleichen Körperbau und für die wenigsten gilt das Schema BMI. Der Körper weiß, was er braucht, damit es ihm gut geht. Wenn ich ihm zuhöre und ihm den Raum zum Selbstentscheiden gebe, kann ich mich entspannt meinen Herzensthemen widmen.

Ich wünsche euch eine schöne Winterzeit und ganz viele Herzens- und Bauchmomente, die euch zu glücklichen Menschen in dieser Zeit machen. Passt auf euch auf!


Auch Antje hat sich mit verschiedenen Ernährungsformen beschäftigt. Zum Beispiel mit Intervallfasten: Ernährungs-Trend ohne wissenschaftliche Basis?  

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Ähnliche Beiträge

Diabetes-Anker-Podcast: Wie funktionieren Hafer-Tage bei Typ-2-Diabetes und was bringen sie, Herr Dr. Keuthage?

Im Diabetes-Anker-Podcast erklärt Dr. Winfried Keuthage, wie das über 100 Jahre alte Konzept der Hafer-Tage bei Typ-2-Diabetes heute in angepasster Form funktioniert, wie sie auf den Blutzucker wirken, welche Vorteile Hafer darüber hinaus bietet und was hinter der von ihm entwickelten HAWEI-Methode steckt.
Diabetes-Anker-Podcast: Wie funktionieren Hafer-Tage bei Typ-2-Diabetes und was bringen sie, Herr Dr Keuthage | Foto: Dirk Michael Deckbar / MedTriX

2 Minuten

Hin und zurück – bis ans Ende der Dia-Welt: #52 | Glukosemessung – hier wird für Kontrolle gezahlt

Mit 27 Jahren wurde bei Caro ein Typ-2-Diabetes diagnostiziert. Erfahrt in dieser Kolumne alles über ihre außergewöhnliche Reise als junge Frau mit Diabetes.
Hin und zurück – bis ans Ende der Dia-Welt – Glukosemessung – hier wird für Kontrolle gezahlt – AdobeStock_Artbesou

4 Minuten

Community-Beitrag

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Community-Frage

Mit wem redest du
über deinen Diabetes?

Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Community-Feed

  • nina33 postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes Typ 3c vor 37 Minuten

    Hallo guten Abend ☺️

    Ich heiße Nina, bin 33j jung und Mama von drei zauberhaften Mädels.
    Und vor kurzem bekam ich die Diagnose Diabetes Typ 3c. Nach 5 Jahren – 11 Bauchspeicheldrüsen Entzündungen und schwangerschaftsdiabetes 2024, hat meine Drüse nun fast aufgegeben.. Ich bin irgendwie froh diese Schmerzen nicht mehr zu haben, aber merke wie schwer der Alltag wird. denn hinzukommt noch dass ich alleinerziehend bin.
    Aktuell komme ich überhaupt nicht klar mit der ganzen Situation, täglich habe ich hunderte Fragen die niemand beantworten kann. Dass ist mehr als verrückt.
    Wie habt ihr euch gefühlt in dem Moment als es diagnostiziert wurde?

    Ich freue mich sehr auf einen netten Austausch und eure Erfahrung.

    Liebe Grüße, schönen Abend
    Nina 🙂

  • swalt postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Dia-Newbies vor 1 Tag, 5 Stunden

    Hallo zusammen. Ich möchte mich erst einmal vorstellen. Ich bin “noch” 59 Jahre, und habe wahrscheinlich seit 2019 Diabetes. Ich würde mir wünschen, endlich angekommen zu sein. Wahrscheinlich seit 2019, weil ich in einem Arztbrief an meinen damaligen Hausarzt zufällig auf den Satz: “Diabetes bereits diagnostiziert” gestoßen bin. Ich habe meinen Hausarzt dann darauf angesprochen und wurde mit “ist nicht schlimm” beschwichtigt.
    Lange Rede. Ich habe einen neuen Hausarzt und einen sehr netten Diabetologen, bei dem ich jetzt seit 4 Jahren in Behandlung bin. Ich vertrage die orale Therapie nicht und spritze ICT. Dennoch bin ich in diesem Thema immer noch absoluter Neuling. Natürlich habe ich viermal im Jahr ein Gespräch mit meinem Diabetologen. Das hilft aber im täglichen Umgang nicht wirklich. Auch die anfangs verordnete Schulung war doch sehr oberflächlich und das war es. Ich kenne nicht die Möglichkeiten, die mir zustehen. Ich habe mir alles, was ich zu wissen glaube aus Büchern angelesen. Irgendwie fühle ich mich allein gelassen, irgendwie durchgerutscht. Ich kenne niemanden in meinem Bekanntenkreis, der Diabetes hat und die nächste Selbsthilfegruppe ist über 50 km entfernt.
    Und so bin ich jetzt hier gelandet. Ich möchte wissen, wie ihr das handhabt, damit ich verstehe, was ich richtig mache und was falsch. Damit ich weiß, dass ich nicht allein damit lebe.

  • shangwari postete ein Update vor 5 Tagen, 9 Stunden

    Ich habe mir ein neues Mobiltelefon von Samsung (A56) zugelegt. An manchen Tagen saugt die Freestyle Libre App den Akku in nicht mal 12 Stunden leer. In einigen Foren habe ich von dem gleichen Problem gelesen. Da ich auf dem Telefon nachlesen kann, wer denn den ganzen Strom verbraucht hat, konnte ich die App genau identifizieren. Gehe ich in den Einstellungen auf Gerätewartung und lasse diese dann optimieren, ist das Problem für einige Zeit behoben. Heute habe ich bei Abbott angerufen und mein Problem geschildert. Ich habe erfahren, dass einige Telefone noch nicht mit Freestyle getestet wurden. (So auch meins) Der Ratschlag ist, die App zu deinstallieren und neu aus dem Store herunterladen. Bei der automatischen Übernahme der Telefone (beim einrichten eines neuen Mobil) kann sein das die App nicht aus dem Store geladen wurde – sondern vom “alten” Telefon. Ich werden noch warten bis mein Sensor eh erneuert werden muss und dann wage ich mich daran. Bis es soweit ist werde ich mich mit der “Optimieren – Taste” behelfen.

    • Hallo,
      Ich hatte das Problem auch mit meinem iPhone SE20 und dachte, es liegt daran, dass mein Handy zu alt war und hab mir so eine Powerbank-Hülle gekauft. Viel erfolg!

Verbände