Dosenerbsen in Moskau

2 Minuten

Community-Beitrag
Dosenerbsen in Moskau

Im Frühjahr machte ich einen Russischkurs und lebte bei einer Gastfamilie. Ich war dabei, mir den Weg einzuprägen, den ich zwei Wochen lang täglich von der Wohnung meiner Gastfamilie bis zur Sprachschule zurücklegen musste. Meine Gastmutter Svetlana führte mich schnellen Schrittes durch Moskau. Ihre Warnung kam unvermittelt: „Hier solltest du besser nicht essen“, sagte sie mit Seitenblick auf die asiatischen Schnellimbissbuden in der Nähe der Metrostation Belorusskaja. Ich wolle mir doch keine Lebensmittelvergiftung einfangen, oder?

Vor allem wollte ich, Typ-1-Diabetikerin, während meines Bildungsurlaubs die russische Küche kennenlernen. Das Prädikat „pure Sowjetnostalgie“ meines Reiseführers lockte mich nach dem ersten Schultag in die Kantine „Stolowaja“ im berühmten Kaufhaus GUM am Roten Platz. Mein Vegetarierherz schlug höher beim Anblick der Glasvitrine: Rote-Beete-Salat, Auberginen-Rouladen, Ei mit Mayonnaise, grüner Spargel auf georgische Art (mit gehackten Walnüssen und Knoblauch). Von allem landeten Schälchen auf meinem Tablett, dazu ein Teller dampfende Buchweizengrütze. Die russischen „Tapas“ schmeckten köstlich, und mein Blutzucker zeigte an diesem Abend Bestwerte. Freudig berichtete ich Svetlana von meinem kulinarischen Abenteuer.

Überraschung am nächsten Morgen, die Russen beginnen den Tag herzhaft: Auf dem Frühstückstisch erwarteten mich eine Schüssel Buchweizengrütze und ein großer Gemüseteller mit Salatgurke und Tomate in Scheiben sowie Erbsen aus der Dose. 14 Tage lang sollte ich das täglich frühstücken, mit abnehmender Begeisterung. Aber ich benötigte auch zusehends niedrigere Insulindosen. „Das ist sehr gesund bei Diabetes“, erklärte mir Svetlana.

Ihr Wissen hatte sie sich in einem Pflegeberuf und der Ehe mit einem Typ-2-Diabetiker angeeignet. „Seitdem ich mit ihm verheiratet bin, haben sich seine Blutzuckerwerte enorm verbessert“, lautete das schlagende Argument für ihre Diät. Den Ehemann konnte ich leider nicht selbst befragen, weil er im Ausland lebt. Svetlana pries vor allem die fahlen Büchsenerbsen als Geheimwaffe gegen hohen Blutzucker an.

Glücklicherweise hatte ich nur Bed & Breakfast gebucht, so dass ich die Gourmetmetropole Moskau mittags und abends erkunden konnte. Dort kommt jetzt alles auf den Tisch, vor allem was es in 70 Jahren Sowjetherrschaft nicht gab. Besonders japanische und italienische Restaurants liegen im Trend, viele Lokale bieten eine wilde Mischung dieser beiden Länderküchen an. Mein Geschmack ist das nicht, süchtig machte mich stattdessen die georgische Küche mit Auberginen, Granatapfelkernen, Käse, Knoblauch und Walnüssen. Auch georgischer Wein, der inzwischen wieder auf dem traditionellen Hauptabnehmermarkt Russland angeboten werden darf, schmeckt hervorragend.

Wenn ich spät, sehr spät in die Plattenbauwohnung am Stadtrand zurückkehrte, steckte ich mir vorher schnell ein Kaugummi in den Mund. Svetlana durfte keinen Wein riechen. Denn Alkohol, egal ob hochprozentiger Wodka oder Wein, sei nichts für Diabetiker, hatte sie mir bei einem unserer vielen Gesundheitsgespräche versucht einzubläuen. Reines Gift sei auch Cola, egal ob zuckerfrei oder nicht. Eindringlich erzählten mir Svetlana und ihre Tochter eines Nachts im engen Flur, wie sie ein verstopftes Abflussrohr mit der braunen Brause gereinigt hätten. Seitdem kontrollierte ich meine Handtasche jedes Mal vor dem Betreten der Wohnung, damit mich keine leere Cola-Light-Flasche verriet.

Nie erfahren wird meine Gastfamilie auch, wie sehr ich frischen Espresso liebe. Svetlana hatte extra für mich Getreidekaffee zum Frühstück gekauft, dass sei die reinste Medizin für Diabetiker. Höflichkeitshalber nippte ich am ersten Morgen daran, danach trank ich wie die restliche Familie grünen Tee, immerhin auch nicht schädlich. Zu meinem Glück gab es in der Sprachschule einen riesigen Kaffeeautomaten mit vielen Tasten. Eine Klassenkameradin fragte mich am Ende meines Russischkurses: „Trinkst du eigentlich auch was anderes als Kaffee?“

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Ähnliche Beiträge

Diabetes und Auge: Retinopathie und Makulopathie vorbeugen

Diabetes und Auge: Retinopathie und Makulopathie vorbeugen | Foto: puhhha – stock.adobe.com

6 Minuten

Wintersport für Kinder mit Diabetes: Schnee, Sport und Insulintherapie – das geht!

Der Winter steht kurz bevor und die Vorfreude auf Aktivitäten im Schnee steigt. Wintersport bringt viel Spaß, aber auch Herausforderungen im Diabetes-Management für Kinder mit Diabetes. Bezüglich der Insulintherapie gibt ein paar Dinge zu beachten.
Wintersport für Kinder mit Diabetes: Schnee, Sport und Insulintherapie – das geht! | Foto: MP Studio – stock.adobe.com

3 Minuten

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Community-Frage

Mit wem redest du
über deinen Diabetes?

Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Community-Feed

  • Hey, brauche Eure Hilfe. Habe den G7 genutzt. Als der über mehrere Monate (Frühjahr/Sommer 2025) massive Probleme (teils Abweichungen von 150 mg/dL, Messfaden schaute oben heraus) machte bin ich zum G6 zurückgegangen. Dessen Produktion wird nun eingestellt. Ich habe solche Panik, wieder den G7 zu nutzen. Habe absolut kein Vertrauen mehr in diesen Sensor. Aber mit meiner TSlim ist nur Dexcom kompatibel. Ich weiß nicht was ich machen soll, ich habe solche Angst.

    • Mit “meinem” Omnipod 5 wird der Dexcom G7 Ende 2026 voraussichtlich der einzige verfügbare Sensor sein.

      So richtig begeistert über die Einstellung des G6 bin ich auch nicht, auch wenn es absehbar war.
      Ich habe einfach die Hoffnung, dass die Qualitätsprobleme beim G7 bis dahin ausgestanden sind.

      Ich warte das Thema noch einige Monate ab.
      Wenn ich Ende 2026 feststelle, dass die Kombination aus meiner Pumpe und dem CGM für mich nicht funktioniert, bin mir sicher, dass meine Diabetes-Ärztin und ich eine gute Lösung für mich finden.

      Hier habe ich aufgeschnappt, dass für die t:slim wohl eine Anbindung des Libre 3 in der Mache ist:
      https://insulinclub.de/index.php?thread/36852-t-slim-mit-libre-3-wann/
      Leider steht keine überprüfbare Quelle dabei. 🤷‍♂️

      Ein weiterer mir wichtiger Gedanke:
      Angst und Panik sind in diesem Zusammenhang vermutlich keine hilfreichen Ratgeber. Hoffentlich schaffst Du es, dem Thema etwas gelassener zu begegnen.
      (Das sagt der Richtige: Ich habe in meinem letzten DiaDoc-Termin auch die Hausaufgabe bekommen, mal zu schauen, was mir gut tut.)

    • @ole-t1: Hey Ole, ganz lieben Dank für Deine Nachricht. Die Produktion des G6 endet laut einem Artikel auf dieser Seite ja zum 1. Juli 2026. Wann der Libre3 mit der TSlim kompatibel sein wird weiß man ja noch nicht. An sich gefällt mir Dexcom auch besser als Libre und die erste Zeit lief der G7 ja auch super bei mir. Ich kann mir schwer vorstellen, dass der G7 von heute auf Morgen nicht mehr bei mir funktioniert? Es gab ja auch das Gerücht das Dexcom eine zeitlang Produktionsprobleme hatte, dass wäre ja eine Erklärung, aber da geht Dexcom natürlich auch nicht mit hausieren.

    • @bloodychaos: Moin, ich benutze den G 7 seit Dezember 2022 (vorher G 6). Seit Dezember 2024 in Kombination mit der t:slim X 2 Ja, es hat immer mal wieder einen Sensor gegeben, der nicht richtig funktioniert hat . Dann wurde ein neuer gesetzt, der Vorfall an Dexcom gemeldet und es gab dann wenige Tage später einen neuen Sensor.
      Wie ole-t1 schon geschrieben hat, erst einmal die Ruhe bewahren und nicht in Panik verfallen. Alle auf dem Markt erhältlichen Sensoren haben Schwankungen in der Genauigkeit ihrer Angaben. Wichtig ist daher zu beurteilen, ob das, was der Sensor anzeigt, überhaupt sein kann.
      Zum Beispiel durch blutiges Nachmessen (dabei bitte dran denken, dass der Gewebezucker, den die Sensoren messen, rd. 20-30 Minuten hinter dem Blutzucker hinterher hinkt).

  • loredana postete ein Update vor 4 Tagen, 12 Stunden

    Die Registrierung mit dem Geburtsjahr war echt sportlich. Wollte es schon fast wieder abbrechen.

  • ambrosia postete ein Update vor 5 Tagen, 10 Stunden

    Ich wünsche allen einen schönen Mittwoch.

Verbände