Ernährung nach der Diagnose Typ-2-Diabetes

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© Kirchheim/Bernhard Kölsch
Ernährung nach der Diagnose Typ-2-Diabetes

Jeden Tag bekommen 1 600 Menschen in Deutschland die Diagnose Dia­betes mellitus. In etwa 95 % der Fälle handelt es sich dabei um Typ-2-Diabetes, der auch Lebensstil- oder Lifestyle-Diabetes genannt
wird. Hört jetzt das normale Leben auf? Darf überhaupt noch etwas Süßes gegessen werden? Und was hat es mit Kohlenhydraten, Kalorien und Ballaststoffen auf sich? Wir erklären Ihnen, was beim Essen und Trinken nach dieser Diagnose wichtig ist.

Rund 8 Mio. Menschen in Deutschland haben Diabetes. Bis zum Jahr 2040 gehen Experten von einer regelrechten Diabetes-Explosion aus und rechnen damit, dass dann bereits 12 Mio. Menschen erkrankt sein werden. Bei 95 Prozent von ihnen handelt es sich um Typ-2-Diabetes. Laut Studien vergehen durchschnittlich 8 Jahre, bis die Diagnose endlich gestellt wird: Betroffene haben in der Zeit Beschwerden, die jedoch nicht auf einen Diabetes zurückgeführt werden.

Dann kommt plötzlich die Diagnose – und der Schock, gefolgt von Unsicherheit und Angst. Je besser Sie sich aufklären lassen durch Schulungen, in Selbsthilfegruppen, Patientenveranstaltungen, digitalen Praxisseminaren, Fachmagazinen wie dem Diabetes-Journal, Büchern oder Podcasts, desto besser werden Sie künftig mit dem Diabetes leben können.

Schritt für Schritt in ein neues Leben

Mit der Diagnose Typ-2-Diabetes hört das normale Leben natürlich nicht auf. Was Essen und Trinken betrifft, können Sie aktiv etwas für Ihren Blutzucker und Wohlbefinden tun: Für die meisten Menschen ist es zunächst einmal wichtig und empfehlenswert, über die Ernährung und Bewegung aktiv etwas für bessere Blutzuckerwerte zu tun. Das Spritzen von Insulin ist in der Regel jetzt noch nicht nötig, denn die Bauchspeicheldrüse produziert noch eine gewisse Menge Insulin.

Das Hormon wird gebraucht, damit Glukose (Zucker) aus dem Blut in die Zellen aufgenommen werden kann. Erst dann kann der Körper aus der Glukose Energie gewinnen, außerdem sinkt dadurch der Blutzuckerspiegel. Übergewicht und andere Faktoren führen dazu, dass der Körper nicht mehr so empfindlich auf Insulin reagieren kann und es deshalb nicht mehr optimal wirkt. Deshalb ist es sehr wichtig, gesund und langfristig Gewicht abzubauen und täglich mehr Bewegung in den Alltag zu integrieren: Beide Faktoren tragen entscheidend dazu bei, dass vorhandenes Insulin wieder besser im Körper wirken kann.

Gehen Sie das Projekt des neuen Lebensstils schrittweise an – versuchen Sie, Essen, Trinken und Bewegungspensum langsam zu ändern. Etwas grundlegend anders zu machen, ist zunächst einmal Arbeit. Es erfordert, aus der persönlichen Komfortzone auszubrechen, um neue unbekannte Wege zu gehen. Das kann beunruhigend sein …

Der Weg zu Veränderungen

Doch keine Sorge, je öfter Sie neue Ess- und Bewegungsmuster wiederholen, desto leichter werden sie zum Alltag. Im Schnitt dauert es 6 bis 8 Wochen, bis sich Routinen entwickeln. Mehr noch: Wenn Sie aktiver werden, bewusster essen und vielleicht schon etwas abgenommen haben, fühlen Sie sich besser, werden zufriedener, und viele unklare Beschwerden, die Sie noch vor der Diagnose hatten, sind verschwunden oder zumindest viel erträglicher. Allein diese Aussicht hilft Ihnen dabei, am Ball zu bleiben. Geduld, Disziplin und Durchhalten sind wichtig in dieser Zeit des Lebenswandels.

Was das Essen angeht, kann jeder im Familien- und Freundeskreis mitessen. Gesundes Essen bei Typ-2-Diabetes ist lecker und abwechslungsreich. Es gibt viel frisches Gemüse, Salat, Rohkost und frisches Obst, dazu gern Hülsenfrüchte, Vollkorngetreide, fettreduzierte Milch und Milchprodukte oder ungesüßte vegane Alternativen (mit Kalziumzusatz) und ein paar Nüsse täglich.

Essen Sie eher weißes Fleisch vom Geflügel, Seefisch und auch geräucherte Makrele oder Lachs, denn sie liefern lebenswichtige, gesunde Fette. Kurzum: Eine mediterrane oder nordische Kost bieten sich an. Dabei ist es sehr wichtig, dass Ihre Vorlieben eine Rolle spielen. Auch Ihr Lieblingsessen sollte bewusst eingeplant und ab und an dabei sein. Wer sich alles verbietet, hält nicht lange durch. Und Ihre neuen Essgewohnheiten sollen am besten auf Dauer Teil Ihres Lebens werden.

Praxistipps für leckeres Essen

Vielleicht fragen Sie sich, was es denn künftig am besten zum Essen gibt? Mit dem Diabetes-Journal bekommen Sie jeden Monat viele Vorschläge, Tipps und Rezepte, die gut zum Diabetes passen und schmecken. Wie wäre es zum Frühstück wochentags mit einem Müsli oder einer Bowl aus Vollkorngetreideflocken: z. B. kernige Haferflocken oder Haferfleks, dazu fettarmer Naturjoghurt, Magerquark oder Skyr natur und dazu Pfirsiche, Nektarinen, Erdbeeren, Aprikosen, Äpfel oder Pflaumen in Stücken?

Am Wochenende können Sie dann z. B. Vollkornbrot oder Körnerbrötchen mit geräuchertem Lachs genießen – oder etwas zuckerreduzierter Konfitüre, fettarmer Wurst, Käse oder Veggie-Varianten, ein paar Kirschtomaten oder Radieschen. Wenn Sie Gemüse und Salat zubereiten, können Sie zum Würzen etwas gekörnte Gemüsebrühe und einen Schuss fettreduzierte Sahne (7 Prozent Fett) verwenden oder einen Teelöffel Pflanzenöl pro Portion. Hinsichtlich Fleisch empfiehlt es sich, öfter vegetarische Tage einzulegen und zweimal wöchentlich gedünsteten oder gegrillten Fisch zu essen.

Fahrplan – Essen bei Typ-2-Diabetes


Unser Fahrplan auf der nächsten Seite hilft Ihnen dabei, nach der Diagnose des Typ-2-Diabetes besser und bewusster zu essen:

Therapieziele

  • Veränderungen an individuellen Lebensstil anpassen
  • sich bewusst machen, dass diese Teil des Lebens werden
  • Normalgewicht anstreben durch gesundes Abnehmen
  • vereinbarte Blutzuckerzielwerte erreichen
  • vereinbarten Langzeitblutzuckerwert (HbA1c) erreichen
  • ggf. erhöhten Blutdruck senken
  • Blutfettwerte im Normbereich anstreben
  • regelmäßige Alltagsbewegung nutzen wie Treppensteigen, öfter zu Fuß gehen, Gymnastik beim Fernsehen, Wartezeiten im Alltag bewusst mit kleinen Übungen wie Kniebeugen, auf einem Bein stehen o. ä. füllen
  • mindestens 7.000, besser 10.000 Schritte täglich gehen
  • optimal: 3 sportliche Einheiten zu je 30 Minuten pro Woche

Essen bei Typ-2-Diabetes

  • nicht alles auf einmal verändern, sondern schrittweise
  • individuell angepasste Kalorienmenge verzehren
  • Übergewicht nicht durch Crash-Diäten verringern
  • drei große oder sechs kleine Mahlzeiten täglich, je nach Therapie und individuellen Wünschen
  • täglich mindestens 40 bis 50 Prozent der Kalorien in Form von ballaststoffreichen Kohlenhydraten wie Hülsenfrüchten, Vollkornbrot, Vollkornprodukten
  • Fettreiches wie Sahne, Speck, Wurst, Käse und Co gegen fettreduzierte Alternativen tauschen
  • Pflanzenfette wie Margarine und Öl bevorzugen
  • zum Knabbern oder Kochen: 30 g Nüsse (ohne Gewürze) täglich
  • ballaststoffreich essen: Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Gemüse, Rohkost, Salat
  • täglich 3 Portionen Gemüse und 2 Portionen Obst, ohne Zusätze
  • für den Genuss: max. 20 bis 30 g Zucker oder zuckerhaltige Lebensmittel täglich; es geht auch komplett ohne Zucker und Co
  • mindestens 1,5 bis 2 l kalorienfreie Flüssigkeit täglich
  • Alkoholgenuss in Maßen, nach Rücksprache mit dem diabetesbehandelnden Arzt

Mahlzeitentipps

  • Müsli, Porridge oder Bowl aus Getreideflocken wie Hafer, Dinkel, Amaranth, ohne Zuckerzusatz, mit 1 Stück Frischobst und Quark, Skyr oder Naturjoghurt
  • vegetarische Eintöpfe mit Hülsenfrüchten wie Bohnen, Erbsen, Linsen
  • statt Speck und Brühwurst vegetarische oder Geflügelvarianten
  • Tiefkühlgemüse ohne Zusätze, mit gekörnter Brühe gewürzt
  • große Mengen Gemüse oder Salat, dazu kleine Mengen Fisch oder Fleisch mit Reis, Kartoffeln, Nudeln und Co
  • Vollkornbrot mit fettarmem Belag und Gemüse oder Salat
  • Milchprodukte bis 1,5 Prozent Fett, dazu frisches Obst oder ein Teelöffel kalorienreduzierte Konfitüre, Zimt, Zitronensaft, Vanille

Möchten Sie gesund Gewicht verlieren, kalkulieren Sie zu den Hauptmahlzeiten bei Nudeln und Reis jeweils 75 g trocken oder 150 g gekocht bzw. 2 mittelgroße Kartoffeln. Lecker und sehr ballaststoffreich sind Linsen. Rote, gelbe und schwarze Linsen sind blitzschnell weichgekocht.

Insgesamt empfiehlt es sich, ballaststoffreich zu essen. Das hilft Ihnen, beim Abnehmen besser und leichter satt zu bleiben und wirkt sich positiv auf den Blutzuckerverlauf aus. Und wenn der Hunger doch mal groß ist, bieten sich Kohlrabi an und Möhren, Kirschtomaten oder ein paar Nüsse zum Knabbern. Wichtig ist auch, dass Sie täglich 1,5 bis 2 Liter kalorienfreie Flüssigkeit trinken wie Wasser, Kräuter- und Früchtetee und bis zu vier Tassen Kaffee, schwarzen oder grünen Tee.


Autorin:

Kirsten Metternich von Wolff
Diätassistentin DKL und DGE
Hildeboldstraße 5, 50226 Frechen-Königsdorf

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2021; 70 (8) Seite 74-76

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    Hallo zusammen. Ich möchte mich erst einmal vorstellen. Ich bin “noch” 59 Jahre, und habe wahrscheinlich seit 2019 Diabetes. Ich würde mir wünschen, endlich angekommen zu sein. Wahrscheinlich seit 2019, weil ich in einem Arztbrief an meinen damaligen Hausarzt zufällig auf den Satz: “Diabetes bereits diagnostiziert” gestoßen bin. Ich habe meinen Hausarzt dann darauf angesprochen und wurde mit “ist nicht schlimm” beschwichtigt.
    Lange Rede. Ich habe einen neuen Hausarzt und einen sehr netten Diabetologen, bei dem ich jetzt seit 4 Jahren in Behandlung bin. Ich vertrage die orale Therapie nicht und spritze ICT. Dennoch bin ich in diesem Thema immer noch absoluter Neuling. Natürlich habe ich viermal im Jahr ein Gespräch mit meinem Diabetologen. Das hilft aber im täglichen Umgang nicht wirklich. Auch die anfangs verordnete Schulung war doch sehr oberflächlich und das war es. Ich kenne nicht die Möglichkeiten, die mir zustehen. Ich habe mir alles, was ich zu wissen glaube aus Büchern angelesen. Irgendwie fühle ich mich allein gelassen, irgendwie durchgerutscht. Ich kenne niemanden in meinem Bekanntenkreis, der Diabetes hat und die nächste Selbsthilfegruppe ist über 50 km entfernt.
    Und so bin ich jetzt hier gelandet. Ich möchte wissen, wie ihr das handhabt, damit ich verstehe, was ich richtig mache und was falsch. Damit ich weiß, dass ich nicht allein damit lebe.

  • shangwari postete ein Update vor 5 Tagen, 6 Stunden

    Ich habe mir ein neues Mobiltelefon von Samsung (A56) zugelegt. An manchen Tagen saugt die Freestyle Libre App den Akku in nicht mal 12 Stunden leer. In einigen Foren habe ich von dem gleichen Problem gelesen. Da ich auf dem Telefon nachlesen kann, wer denn den ganzen Strom verbraucht hat, konnte ich die App genau identifizieren. Gehe ich in den Einstellungen auf Gerätewartung und lasse diese dann optimieren, ist das Problem für einige Zeit behoben. Heute habe ich bei Abbott angerufen und mein Problem geschildert. Ich habe erfahren, dass einige Telefone noch nicht mit Freestyle getestet wurden. (So auch meins) Der Ratschlag ist, die App zu deinstallieren und neu aus dem Store herunterladen. Bei der automatischen Übernahme der Telefone (beim einrichten eines neuen Mobil) kann sein das die App nicht aus dem Store geladen wurde – sondern vom “alten” Telefon. Ich werden noch warten bis mein Sensor eh erneuert werden muss und dann wage ich mich daran. Bis es soweit ist werde ich mich mit der “Optimieren – Taste” behelfen.

    • Hallo,
      Ich hatte das Problem auch mit meinem iPhone SE20 und dachte, es liegt daran, dass mein Handy zu alt war und hab mir so eine Powerbank-Hülle gekauft. Viel erfolg!

  • nele_elsa postete ein Update vor 1 Woche

    Hallo,
    Ich habe eine Frage:
    Wir ziehen Ende Oktober von Österreich zurück nach Deutschland.
    Jetzt muss ich mich für eine Krankenkasse entscheiden und wollte fragen, ob es erfahrungsgemäß vorteilhafte Krankenkassen für Menschen mit Diabetes gibt? Im Internet wäre ich nach Recherchen auf die aok gekommen.
    Für tips und Erfahrungsberichte wäre ich sehr dankbar ☺️
    Liebe Grüße
    Nele

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