Halt Stopp, Ernährungsexperten!

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Halt Stopp, Ernährungsexperten!

Die widersprüchlichen Ernährungsempfehlungen verwirren die Menschen. Hans Lauber hingegen kennt sieben klare Regeln für das kluge Essen.

Peinlicher kann der Offenbarungseid eines Ernährungsexperten nicht ausfallen: „Den Begriff ´gesunde Ernährung` können wir eigentlich fallen lassen. Niemand weiß, was wirklich gesund ist“. Das behauptet allen Ernstes Christoph Klotter, Professor für Gesundheitspsychologie an der Hochschule Fulda, am 13. Januar im „Kölner Stadtanzeiger“.

Heute wahr, morgen falsch: Experten-Einschätzungen

Wie kommt der Professor zu dieser verheerenden Feststellung? Er begründet es mit der Vielzahl von widersprüchlichen Empfehlungen der sogenannten Experten in der Vergangenheit. In der Tat ist es unfassbar, was allein ich in den letzten rund 15 Jahren an Kehrtwendungen erlebt habe: Jahrelang hieß es, Zucker habe nichts mit Diabetes zu tun – dabei ist die Durchsüßung unserer Nahrung eine wesentliche Ursache der Diabetes-Explosion. Jahrelang wurde statt Zucker Fruktose empfohlen – was inzwischen zu recht als noch viel gefährlicher gilt. Jahrelang wurden von vielen Experten die Eier wegen dem Cholesterin verteufelt, was inzwischen als überholt gilt (siehe „Welt am Sonntag“ vom 22.11.2015). Jahrelang wurde zwischen dem Fettkonsum und der Anfälligkeit für Herzinfarkte eine direkte Korrelation gezogen – was sich inzwischen ebenfalls als nicht wirklich signifikant herausgestellt hat.

Sieben Regeln für eine kluge Ernährung

Sicher, diese Konfusion der „Experten“ kann einen nur den Kopf schütteln lassen. Aber deshalb zu glauben, niemand wisse, was wirklich gesund ist, wie es der Fuldaer Seelendeuter behauptet, ist natürlich grober Unfug – und ein Schlag ins Gesicht aller, die sich bemühen, mit einer gesunden Ernährung ihren Diabetes im Griff zu behalten. Deshalb hier meine sieben Empfehlungen für eine kluge Ernährung:

Jeder Jeck ist anders

Das Motto des Kölner Karnevals lässt sich auch auf den Stoffwechsel übertragen: Jeder Körper reagiert ein wenig anders auf Lebensmittel. Sicher, bei den meisten Menschen steigt der Blutzuckerspiegel nach zu vielen Kohlenhydraten – bei manchen passiert das aber auch, wenn sie Tomaten essen. Deshalb ist es wichtig, dass vor allem Diabetiker an sich ausprobieren, was bei ihnen wie wirkt. Das lässt sich inzwischen prima mit Hilfe der kontinuierlichen Blutzuckerbestimmung machen, etwa über das „Freestyle Libre“ von Abbott, wo sofort zu sehen ist, wie die Nahrung „anschlägt“. Auch wäre es wichtig, wenn es neben dem glykämischen Index auch so etwas wie einen „Insulin-Index“ für wichtige Lebensmittel gäbe, der neben den Kohlenhydraten auch weitere Komponenten berücksichtigt.

Süßes ist süße Verführung

Als unser Stoffwechsel vor über 10 000 Jahren programmiert wurde, gab es nichts Süßes. Vielmehr funktionieren wir am besten bei einer Nahrung, die auch bittere und ballaststoffreiche Komponenten enthält. Sicher, ab und zu etwas Süßes schadet nicht. Wer aber regelmäßig schnelle Kohlenhydrate, vor allem durchgekocht als Kartoffeln, Nudeln, Reis und noch schlimmer als übersüßte Säfte konsumiert, bei dem schießt der Blutzucker in die Höhe, dick machendes Insulin wird ausgeschüttet – und daraus resultierendes Übergewicht ist eine wesentliche Ursache für die grassierende Explosion des durch den falschen Lebensstil ausgelösten Typ-2-Diabetes. Den nenne ich deshalb Lifestyle-Diabetes – auch wenn einige Diabetes-Professoren das nicht gerne hören. Weil sie sagen, damit schiebe ich die Verantwortung für den „Zucker“ dem Einzelnen zu. Ja, dazu stehe ich – und angesichts von jährlich über 300 000 neuen Diabetikern muss der Einzelne viel stärker in die Verantwortung genommen werden!

Selbst die Heimat kochen

Was esse ich heute? Unsere Vielfalt an Nahrung ist längst nicht nur Segen, sondern verwirrt die Menschen immer mehr: Indisch, japanisch, vegetarisch, gar vegan? Die Lösung ist einfach: Einfach das Kochen, was uns die Heimat in der jeweiligen Saison bietet. Das sind derzeit leicht bittere Salate wie Endivie, wie Chicorée. Das sind die ganzen Kohlsorten, etwa der ernährungsphysiologisch unschlagbare Grünkohl. Wer sich so im Rhythmus der Jahreszeiten ernährt, kann kaum etwas falsch machen: Die Gemüse sind dann immer optimal gereift (und überdies preiswert). Auch passen sie perfekt zu unseren Bedürfnissen: Die Bitterstoffe unterstützen die im Winter träge Verdauung. Die Kohlsorten sedieren – mahnen also, unsere Hektik ein wenig zu dämpfen. Und was ist mit Fleisch? Da empfehle ich jetzt Wild, es enthält die Aminosäure Taurin, welche die Fettverdauung ankurbelt. Gut sind auch fette Fische wie Makrele und Ölsardinen mit wertvollen Omega-3-Fettsäuren.

Frühstück ist DIE Mahlzeit

Viele verzichten auf das Frühstück – und verzichten damit auf die Grundlage für einen fitten Tag. Denn Frühstückszeit ist Körnerzeit – und Körner sind nichts anderes als gespeichertes Leben. Damit sich dieses Leben noch besser entfaltet, empfehle ich, die Körner über Nacht in Quellwasser einzulegen. So werden die wichtigen Stoffe, etwa das antioxidative, auch bei Erkältungen helfende Zink, besser für den Körper verfügbar. Sinnvoll ist es auch, den Blutzucker balancierende Stoffe wie etwa Bockshornklee und frisch gemahlenen Zimt ins Müsli zu stecken. Selbstverständlich gehört auch frisches Obst, vor allem heimische Äpfel, gerne auch der Saft einer halben Zitrone ins Müsli. Nach dem Müsli würde ich mindestens eine Stunde warten, um dann eine, höchstens zwei Scheiben Vollkornbrot zu essen, am Besten mit selbst gemachtem Kräuterquark bestrichen. Wer so startet, beugt ziemlich zuverlässig dick machenden Hungerattacken vor.

Je später, je weniger

Morgens brauchen wir Energie, mittags brauchen wir Energie. Also empfiehlt es sich, neben dem schon genannten Frühstück mittags tüchtig zu essen, vor allem wenn es auch kohlenhydratreiche Mahlzeiten sind. Dann hat der Körper Zeit, alles in Ruhe zu verdauen, vor allem wenn ihm nach dem Essen ein mindestens einstündiger Spaziergang gegönnt wird. Gegen Abend wird dann immer weniger gegessen. Ich mache sehr gute Erfahrungen, gegen 17, spätestens 18 Uhr noch einen großen Salat (später kann er zur wenig verdaubaren Belastung werden) zu essen mit einer! Kartoffel, die ich mit der Schale in Scheiben gedünstet verzehre. Meldet sich dann noch einmal Hunger, empfehlen sich Äpfel, rohe Möhren – und gerne auch ein Stück Hartkäse, aber ohne Brot.

Genuss gehört genossen

Wer nur der Askese frönt, verpasst einen Teil des Lebens! Also gehört der Genuss dazu. Das kann, es muss ja nicht jeden Tag sein, ein schönes Stück Schwarzwälder Kirschtorte sein. Ja, die Schwarzwälder Sahnetorte, die sich auch etwas entschlackter Backen lässt, wie ich in meinem aktuellen Buch „Heimatküche für Diabetiker“ zeige. Wer mag, kann gerne auch ein oder zwei Gläser trockenen Wein trinken, der sich günstig auf den Blutzucker auswirkt und wohl auch positive Effekte für die Herzgesundheit hat. Wichtig ist aber: Den Genuss auch zu genießen, sich keine Gedanken machen, wie etwa „darf ich das?“. Ja, in dem Augenblick darf ich das!

Die Mitte bewahren

Täglich prasseln neue „Erkenntnisse“ auf die Menschen. Damit die wahrgenommen werden, sind sie bewusst überspitzt formuliert: „Schadet Knoblauch?“ oder „Lebenswichtig: Wunderheilmittel Quinoa!“. Wer sich davon täglich verrückt machen lässt, weiß irgendwann wirklich nicht mehr, was gut für ihn ist. Da empfehle ich, das alles mit einem gesunden Abstand zu betrachten und lieber seinem eigenen Kompass zu folgen – und der besagt: Nicht zu viel und nicht zu wenig zu essen, das meiste selbst schonend (also möglichst ungeschält, möglichst nicht zu stark erhitzt) zubereiten und alles langsam und bewusst zu kauen. Das klingt natürlich nicht spektakulär und oft sind die Leute enttäuscht, wenn ich ihnen das genau so sage, weil sie denken, es muss doch irgendein Wundermittel geben. Gibt es nicht! Aber es gibt den wunderbaren Satz des Schwäbischen Lyrikers, der zur ewigen Maxime des klugen Essens prädestiniert ist: „Doch in der Mitten liegt holdes Bescheiden“.

Meine sieben Regeln, die sich auf eine breite Erfahrung stützen, bieten Orientierung. Aber letztlich muss jeder seinen eigenen Weg finden. Und der lässt sich finden, allen Unkenrufen der Ernährungs-„Experten“ zum Trotz. Vor allem den marktschreierischen, profilsüchtigen Kassandras unter ihnen rufe ich deshalb zu: Halt Stopp, den Ball flach halten – und vielleicht einfach mal: Maul halten!


von Hans Lauber
E-Mail: aktiv@lauber-methode.de

Website: www.lauber-methode.de

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

  • gingergirl postete ein Update vor 1 Woche, 4 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 1 Woche, 5 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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