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Rund um den Globus wird die Optimierung des Lebensstils als erste Therapieoption bei Typ-2-Diabetes empfohlen. Warum? Weil neben der genetischen Veranlagung insbesondere der Umgang mit dem eigenen Körper entscheidet, ob und wie früh die Erkrankung ausbricht – oder wie sie verlaufen wird. Weder wird man mit Typ-2-Diabetes geboren noch damit angesteckt. Und da sich Gene nun mal nicht ändern lassen, spielt das eigene Verhalten die entscheidende Rolle, wenn es um gute Blutzuckerwerte geht.
Die Änderung des Lebensstils ist der Schlüssel der Behandlung des Typ-2-Diabetes – ein langwieriger Prozess. Zudem gibt es Lebenssituationen, in denen allein schon die Bewältigung des regulären Tagesablaufs eine echte Herausforderung darstellt.
Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) empfiehlt folgende Maßnahmen zur Verbesserung des Lebensstils:
Eine ganze Menge, werden Sie sich nun denken. Wo soll ich da nur anfangen? Es ist sinnvoll, sich vorerst nur einen Punkt herauszugreifen. Lassen Sie sich dazu am besten individuell zum Thema Essen und Trinken beraten. Dazu gibt es viele neue Erkenntnisse, die sich als besonders effektiv erweisen, wenn es um die Ursachenbekämpfung hoher Blutzuckerwerte geht.
Aus heutiger Sicht kann die nicht alkoholische Fettleber (NAFLD) als eine Wurzel des insulinresistenten Typ-2-Diabetes betrachtet werden – der mit großem Abstand häufigsten Diabetesform. Dennoch kommt sie in der Diabetesschulung viel zu kurz. Bei Typ-2-Diabetes ist zwar noch reichlich Insulin vorhanden, allerdings ist dessen Wirkung auf Dauer durch die Insulinresistenz vermindert – mit der Folge, dass der Blutzucker immer weiter ansteigt.
Wird nun der Blutglukoseüberschuss bei Bewegungsmangel auch nicht verbrannt, wandelt die Leber diesen Zucker in Fett um. Die gute Nachricht: Die Fettleber ist umkehrbar, zumindest solange daraus keine Leberfibrose oder -zirrhose geworden ist.
Wird bei einer Ultraschalluntersuchung der Leber deren Verfettung ersichtlich, ist davon auszugehen, dass bereits mehr als 250 g Leberfett vorhanden sind. Bildlich gesehen entspricht das der Menge einer ganzen Packung Butter. Etwa ab einem Gehalt von 90 g Leberfett ist bereits mit gesundheitlichen Nachteilen zu rechnen. Jedoch ist die Leber regenerationsfreudig. Wird ihr eine Entlastung zugestanden, so lässt sich das Fett auch wieder abbauen.
Eine deutliche Verbesserung bewirken Gemüse-Fastentage, Hafer-Tage, Intervallfasten oder spezielle Hafer-Leber-Fastenkuren, Formula-Diäten mittels hochwertiger Eiweißshakes sowie eine Reduktion der täglichen Kalorienmenge auf unter 1.000 Kilokalorien für mehrere Tage. Ähnlich sieht es aus mit regelmäßigem Sport. Zunehmend ist bei Menschen mit Typ-1-Diabetes und Übergewicht oder Adipositas derselbe Effekt zu beobachten, es wird vom „Doppel-Diabetes“ gesprochen. Eine Gewichtsreduktion steht dann auch bei dieser Diabetesform auf dem Behandlungsplan.
Eine Remission des Typ-1-Diabetes ist leider nicht möglich, der Insulinbedarf reduziert sich jedoch deutlich. Andererseits kann auch bei Diabetes Typ 2 eine Insulintherapie von Nöten sein. Gründe hierfür sind z. B. eine lange Krankheitsdauer und ein höheres Lebensalter. Dann steht nicht mehr die Insulinresistenz im Vordergrund, sondern ein Verlust der insulinproduzierenden Zellen. Regelmäßige, kleine Mengen Insulin können hier rasch helfen.
Früher waren Kohlenhydrate kein Problem und die Empfehlung, mehr als die Hälfte der Nahrungskalorien daraus zu decken, war notwendig, um das tägliche Aktivitätspensum leisten zu können. Kohlenhydrate werden bei körperlicher Arbeit und beim Sport als Muskelbenzin benötigt und verbrannt. Was aber passiert mit hohen Blutzuckerwerten bei Inaktivität?
Der Zucker landet wie eben beschrieben als Fetteinlagerung nicht nur in der Leber, sondern auch in Nieren, Herz und Bauchspeicheldrüse. Der gesamte Stoffwechsel wird auf den Kopf gestellt, und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt. Eine bereits bestehende Insulinresistenz verstärkt sich, und die insulinproduzierenden Zellen können, trotz Akkordarbeit, den Blutzuckeranstieg nicht mehr verhindern.
„Spritze ich nur genügend Insulin, ist der Blutzucker ganz schnell wieder im Normalbereich“ – so die Theorie. Aber wohin habe ich den Zucker gespritzt, wenn dieser zwei Stunden nach dem Essen wieder auf dem Ausgangswert liegt? Die Tatsache, dass Insulin den Blutzucker senkt, bedeutet nicht, dass sich dieser in Luft auflöst oder von den Muskelzellen verbrannt wird. Menschen mit Typ-2-Diabetes sollten daher dringend einen Kohlenhydrat-Zufuhr-Stopp einlegen („Tankstopp“) und körperlich aktiv werden – und das am besten, wenn sie bemerken, dass etwa zwei Stunden nach dem Essen der Blutzucker deutlich über 140 mg/dl (7,8 mmol/l) ansteigt.
Da die morgendlichen Zuckerwerte nicht direkt mit der Mahlzeit am Vorabend in Zusammenhang stehen, sondern auch mit dem Grad einer Leberverfettung einhergehen, sind diese häufig ebenso durch eine Gewichtsreduktion, mit gleichzeitiger Entfettung der Leber, in den Griff zu bekommen.
Eiweiß – pflanzlich und tierisch in Kombination
Fett – besonders naturbelassene Pflanzenfette
Was sind die gängigsten Auslöser für Zuckerwerte jenseits der empfohlenen Grenzen? Es sind jene Lebensmittel, die meist besonders einfach und leicht zu konsumieren sind – und die vielen gut schmecken. Meistens handelt es sich hierbei um Produkte mit reichlich Kohlenhydraten (Zucker, Weißmehlprodukte) und minderwertigen Fetten.
Unterwegs schnell eine Brezel, das Leberkäsebrötchen am Arbeitsplatz und am Imbiss locken Pizzaecke, Döner oder Asia-Nudeln aus der Pappschachtel. Alles „to go“ und, wenn es besonders schnell gehen muss, möglicherweise auch „to run“. Hier kommt der Faktor Stress ins Spiel, und es wird schnell klar, dass eine Ernährungsumstellung in anstrengenden Lebenssituationen weniger erfolgreich gelingen wird. In Diabetesratgebern ist häufig zu lesen: „Essen Sie eine ausgewogene Kost unter Berücksichtigung der bisherigen Ernährungsgewohnheiten, und erhalten Sie sich dabei die Freude am Essen.“
Bedeutet das, dass alles gut ist und ich meine bisherigen Essgewohnheiten einfach beibehalten soll? Bei Typ-2-Diabetes geht es um viel mehr als die Lust auf Nahrungsaufnahme. Essen ist Medizin und entscheidet maßgeblich über Ihren Krankheitsverlauf. Natürlich soll es Spaß machen, und gewiss muss sich am Essverhalten etwas ändern, wenn die Ursache hoher Zuckerwerte bekämpft werden soll. Das eine schließt das andere aber nicht aus.
Es lohnt sich, diese Lebensmittel mit reichlich Gemüse und Salat der Saison zu ergänzen. Wasser zum Beispiel mit frischer Minze, Zitrone oder Ingwer, ungesüßter Tee und Kaffee werden als Durstlöscher besonders empfohlen. Alkohol sollte generell selten, und wenn, nur in kleinen Mengen konsumiert werden. Nicht zu empfehlen sind süße Cocktails und Hochprozentiges. Wenig sinnvoll sind zudem Frucht-Smoothies und Fruchtsäfte, da sie in der Regel sehr zuckerreich sind. Erythrit und Stevia schneiden gegenwärtig in den Studien besser ab als andere künstliche Süßstoffe.
Entscheidend ist also, dass die Ernährungstherapie als erste Option in der Beratung dient und so auf individuelle Bedürfnisse eingegangen wird. Eine gute Therapie-Strategie bei Typ-2-Diabetes sollte nie lediglich aus einer medikamentösen Blutzuckersenkung bestehen.
Zur Änderung des Essverhaltens braucht es immer einen bestimmten Weg, der gemeinsam von Ihnen und Ihrem Diabetes-Team zusammen erarbeitet wird. Dieser Weg wird nie direkt verlaufen, er wird über Umwege und unwegsames Gelände führen. Einbahnstraßen, Irrwege müssen womöglich einkalkuliert und in Kauf genommen werden. Diese bieten aber auch Möglichkeiten zu lernen, sich neu zu orientieren, und es lohnt sich, falls nötig, auch mal die Richtung zu ändern.
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2021; 70 (5) Seite 22-25
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