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Ein entscheidender Aspekt des täglichen Lebens mit Diabetes ist die vorteilhafte Auswahl von Lebensmitteln. Dabei geht es besonders um das Erreichen normnaher Blutzuckerwerte. In diesem Beitrag erhalten Sie Hilfen und Tipps zum Orientieren für Ihren nächsten Einkauf von Lebensmitteln.
Dieser Beitrag ist Teil des Titelthemas der Zeitschrift Diabetes-Journal, Ausgabe 9/2024. Folgende Beiträge sind ebenfalls in der Reihe zum Thema „So halten Essen und Trinken fit“ erschienen:
In Supermärkten und Discountern steht auf jeder Verpackung und jedem Etikett eine Fülle von Informationen. Was verbirgt sich dahinter?
Dr. Brigitte Bäuerlein ist Diplom-Ökotrophologin (Ernährungswissenschaftlerin) und selbstständige Ernährungstherapeutin mit eigener Praxis sowie Dozentin an der IST – Hochschule für Management am Fachbereich Ernährungslehre und -Therapie. Sie verfügt über langjährige Erfahrung als Autorin und Journalistin zum Thema Ernährung. Mehr auf ihrer Website unter www.ernaehrungswegen.de.
Der Nutri-Score ist ein Nährwert-Kennzeichen, dass sich seit November 2020 auf der Vorderseite von verarbeiteten Lebensmitteln findet. Mit dem System aus Farben und Buchstaben lassen sich verarbeitete Lebensmittel in Qualität und Zusammensetzung vergleichen, allerdings nur innerhalb einer Produkt-Gruppe: Joghurt also mit anderen Joghurts und Pizza mit anderen Pizzas. Entscheiden Sie sich für den Kauf eines Erdbeerjoghurts, hätten Sie zum Beispiel die Möglichkeit, ein Produkt mit einem grünen B oder einem roten D auszuwählen.
Was unterscheidet diese beiden Erdbeerjoghurt-Varianten? Günstige Nährstoffe wie Ballaststoffe, Proteine, Obst- und/oder Gemüse-Anteile, Nüsse, Hülsenfrüchte oder der Gehalt an gesunden Pflanzenölen geben eine positive Bewertung. Dagegengerechnet werden ungünstige Nährstoffe wie gesättigte Fettsäuren, Salz, Zucker und der jeweilige Kaloriengehalt. Positive Nährstoffe werden gegen negative Nährstoffe mit einem Punktesystem verrechnet: je niedriger das Gesamtergebnis, desto besser. Dies bestimmt, welcher Buchstabe beim Nutri-Score hervorgehoben wird. Am Beispiel des Erdbeerjoghurts könnte der Joghurt mit einem grünen B also recht viel Obst, Proteine und wenig Zucker enthalten.
Der Nutri-Score kann Menschen mit Diabetes eine erste hilfreiche Orientierung bieten. Demnach lassen sich Lebensmittel mit einer günstigeren Nährstoff-Zusammensetzung schneller identifizieren.
Der Nutri-Score ist leicht verständlich. Er kann auch dazu beitragen, dass Hersteller ihre Rezepturen verbessern, um einen besseren Nutri-Score zu erhalten. Der Nachteil ist jedoch, dass dieses Kennzeichen bislang freiwillig für die Hersteller ist. Praktisch bedeutet es, dass er nicht auf allen verpackten Lebensmitteln zur Standard-Deklaration gehört. Nachteilig ist auch, dass für Verbraucherinnen und Verbraucher nicht ohne Weiteres ersichtlich ist, wie der Score jeweils genau berechnet wurde.
Bio-Produkte werden nicht als höherwertig eingestuft und auch Zusatzstoffe sind nicht bewertet. Der Nutri-Score ist für den Bedarf der allgemeinen Bevölkerung konzipiert. Er berücksichtigt keine speziellen Anforderungen bei bestimmten Erkrankungen wie einer Gluten- oder Laktose-Intoleranz. Für einige Lebensmittel wird der Nutri-Score deshalb nicht empfohlen. Dazu gehören Säuglingsnahrung, Lebensmittel für medizinische Zwecke, Ersatz-Produkte für Mahlzeiten und Sportler-Nahrung.
Einige Lebensmittel benötigen keine Nährwert-Kennzeichnung und damit auch keinen Nutri-Score. Dazu zählen unverarbeitete Produkte, die nur aus einer Zutat bestehen, etwa frisches Obst und Gemüse oder Fleisch-Teilstücke, Kräuter, Gewürze und Salz. Auch Kaffeebohnen und Tees, Aromen und Zusatz- oder Hilfsstoffe zum Verarbeiten von Lebensmitteln gehören dazu. Dennoch gibt es auch Produkte aus nur einer Zutat wie Milch, Zucker und Mehl mit einer Nährwert-Tabelle und einem Nutri-Score. Dies ist erlaubt, aber ein Vergleich zwischen verschiedenen Zucker-Packungen ist nicht sinnvoll.
Auch Getränke mit mehr als 1,2 Volumen-Prozent Alkohol wie Bier oder Wein fallen nicht in den Anwendungsbereich des Nutri-Scores. Seit dem 31. Dezember 2023 gilt (mit teils zweijähriger Übergangsfrist), dass Getränke eine neue Bewertung erhalten. Alles, was getrunken wird, zählt demnach zur Gruppe der Getränke.
Zucker und leicht verdauliche Kohlenhydrate sind bekanntermaßen eine ungünstige Lebensmittel-Gruppe bei Diabetes. Zucker steckt in etwa 75 Prozent aller fertigen Lebensmittel und hat bis zu 70 verschiedene Bezeichnungen. Faustregel und gut zu merken: Alles, was auf -ose oder -sirup endet, ist ein Zucker. Der Nutri-Score gibt keine genaue Information darüber, welche und wie viele Zucker im Lebensmittel stecken. Nur die Nährwert-Tabellen und das Zutaten-Verzeichnis geben detaillierte Auskünfte dazu. Die Nährwert-Kennzeichnung auf Lebensmitteln bietet eine schnelle und einfache Möglichkeit, den Gehalt an Kohlenhydraten, einschließlich Zucker, zu überprüfen. Das wiederum ist immens wichtig für Menschen mit Diabetes. Interessant ist, dass künstliche Süßstoffe Negativ-Punkte erhalten.
Die Verbraucherzentralen bewerten die Neuregelungen wie folgt:
„Schlechte Werte in manchen Bereichen lassen sich durch gute Werte in anderen ausgleichen. Ein Produkt mit gutem Nutri-Score muss nicht bei jedem einzelnen Inhaltsstoff gut abschneiden. Hersteller können ihre Produkte durch Rezepturveränderungen ‚schön rechnen‘. Besonders wenn sie an der Grenze zwischen zwei Stufen stehen, können bereits geringe Veränderungen zu einer besseren Bewertung führen. Es liegt in der Verantwortung der Hersteller, den Nutri-Score im Sinne der Sache zu nutzen.“
Die EU-weite Nährwert-Kennzeichnung umfasst verschiedene Angaben, darunter fallen Portionsgrößen. Dies gibt Auskunft, wie viel vom jeweiligen Lebensmittel als eine Portion betrachtet wird. Es ist wichtig, die Portionsgröße zu berücksichtigen, um genau zu verstehen, wie viel Zucker und andere Nährstoffe konsumiert werden.
Ferner der Kaloriengehalt: Er gibt die Energiemenge pro Portion an. Dies hilft dabei, die Kalorienmenge des Lebensmittels zu verstehen. Mit dabei ist auch der Kohlenhydratgehalt. Dieser liefert Informationen über die Gesamtmenge an Kohlenhydraten pro Portion, einschließlich Zucker, Ballaststoffen und Stärke. Bei der Angabe zu Zucker handelt es sich um den spezifischen Zuckergehalt pro Portion. Dies umfasst sowohl natürlichen als auch zugesetzten Zucker.
Lesen Sie die Etiketten sorgfältig. Überprüfen Sie die Nährwert-Angaben auf Lebensmittel-Verpackungen, um den Zuckergehalt pro Portion oder pro 100 Gramm zu ermitteln. Das ist am Anfang etwas mühsam, mit der Zeit jedoch werden Sie zum Zucker-Detektiv. Es wird Ihnen mit etwas Übung immer leichter fallen, die Zuckermengen zu erkennen.
Im nächsten Schritt können Sie verschiedene Produkte miteinander vergleichen. Nutzen Sie die Nährwert-Kennzeichnung, um ähnliche Produkte zu vergleichen und diejenigen mit weniger Zucker zu wählen. Beachten Sie die Portions-Größe. Wenn eine Packung mehrere Portionen enthält und Sie den Inhalt der gesamten Packung essen, müssen Sie die Nährwert-Angaben entsprechend umrechnen.
Die Nährwert-Tabelle gibt nur eine absolute Mengen-Angabe zum Zuckergehalt des Produkts. Möchten Sie ganz genau wissen, welche Zucker enthalten sind, dann schauen Sie auf das Zutaten-Verzeichnis: Das Verzeichnis gibt in absteigender Menge an, welche Zutaten, und damit auch Zucker, enthalten sind. Eine genaue Menge der verwendeten Zucker ist auch hier nicht immer genau ersichtlich. Jedoch sind die Zuckerarten aufgeführt.
In der Nutri-Score-App zum Scannen von Produkt-Barcodes erfahren Sie auch den Verarbeitungsgrad von Lebensmitteln sowie Nährwert-Angaben.
Die App ist erhältlich im Google Play Store und im App Store.
Für den nächsten Einkauf stehen also ein paar Aufgaben an. Jedoch lohnt sich die Mühe, damit Sie eine clevere Auswahl für Ihr gesünderes Essen treffen. Achten Sie regelmäßig auf die Nährwert-Kennzeichnungen. Also: Augen auf beim Lebensmittel-Kauf! Nutzen Sie die kostenfreie Nutri-Score-App zum Scannen von Produkt-Barcodes.
Neben dem Nutri-Score erfahren Sie über die App auch den Verarbeitungsgrad (1 bis 4) von Lebensmitteln sowie Nährwert-Angaben. Lebensmittel mit dem Verarbeitungsgrad der Stufe 3 sollten Sie in begrenzten Mengen essen, Lebensmittel der Stufe 4 hingegen, als stark verarbeitete Lebensmittel, eher meiden.
Dieser Beitrag ist Teil des Titelthemas der Zeitschrift Diabetes-Journal, Ausgabe 9/2024. Folgende Beiträge sind ebenfalls in der Reihe zum Thema „So halten Essen und Trinken fit“ erschienen:
von Dr. Brigitte Bäuerlein
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2024; 72 (9) Seite 21-23
5 Minuten
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