- Ernährung
Obst und Gemüse statt Pülverchen …
4 Minuten
Nahrungsergänzungspräparate sind für viele Menschen in Deutschland tägliche Praxis. Frauen greifen dabei häufiger zu Pillen und Pülverchen als Männer. 28 Prozent der Bundesbürger konsumieren regelmäßig solche Präparate. Ist das wirklich sinnvoll?
Vitamine und Co lassen sich die Deutschen einiges kosten: Laut Marktforschung des Unternehmens IMS Health wurden im Jahr 2010 rund 907 Mio. Euro ausgegeben. Laut Angaben der Nationalen Verzehrsstudie (NVS II) schluckt jeder Zehnte magnesiumhaltige Präparate, 6,8 Mio. Deutsche nehmen Vitamin C und 5,8 Mio. Vitamin E. Für 5 Mio. gehören Vitamin B6 oder Folsäure dazu. Doch bei Vitamin D sind es nur 2,5 Mio., die das fettlösliche Vitamin ergänzen. Weitere 2,3 Mio. Deutsche nehmen regelmäßig Vitamin-A-haltige Präparate.
Nahrungsergänzungsmittel gelten rechtlich als Lebensmittel
Das Bundesministerium für Risikobewertung (BfR) definiert Nahrungsergänzungsmittel als Produkte, die aus Nährstoffen wie Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, Ballaststoffen oder Aminosäuren in konzentrierter Form bestehen. Obwohl diese als Tabletten, Dragees oder Pulver verkauft werden, zählen Nahrungsergänzungsmittel nicht zu Arzneimitteln, sondern zu Lebensmitteln.
Dies hat rechtliche Konsequenzen: Für Nahrungsmittel braucht es keine Studien wie für Medikamente. Aus Gründen des Verbraucherschutzes können sie lediglich mit einer Empfehlung zur Tagesdosis angeboten werden – ein Warnhinweis, diese Dosis nicht zu überschreiten, steht meist im Kleingedruckten.
Deutschland ist kein Vitaminmangelland!
Die Tradition, dass wir auf das Heil der Nahrungsergänzungspräparate schwören, hat eine lange Geschichte: So galt es im zweiten Weltkrieg als gesund, wenn Soldaten Vitamin C in Form von Bonbons nahmen. Auch in der modernen Zeit wird häufig damit geworben, dass durch zunehmenden Stress in der Umwelt mehr Schutz nötig sei.
Gleichzeitig trug eine Veröffentlichung des Pharmakonzerns Geigy aus dem Jahr 1985 dazu bei, dass man annahm, im Boden wären nicht mehr ausreichend Nährstoffe vorhanden; demnach würden Lebensmittel im Hinblick auf ihre Vitalstoffdichte verarmen und man müsse entsprechend ergänzen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat vor kurzem die aktuelle Datenlage zur Vitaminversorgung der Bevölkerung geprüft und festgestellt, dass Deutschland kein Vitaminmangelland ist.
Nur bei Vitamin D und Folsäure ist die Versorgungslage hierzulande kritisch
Im Ernährungsbericht der DGE wird regelmäßig veröffentlicht, wie es um die Versorgung mit Nährstoffen steht. Aus diesen Berichten geht hervor, dass die Lage hierzulande gut ist. Kritisch sieht es allerdings bei Folsäure und Vitamin D aus. Und ausgerechnet diese beiden werden laut Nationaler Verzehrsstudie am wenigsten ergänzt.
Daher hat das Max-Rubner-Institutfolgende Risikogruppen definiert: Kinder und Jugendliche, Schwangere und Stillende, Frauen im gebärfähigen Alter, Menschen, die eine Diät halten, ältere Menschen, chronisch Kranke, Menschen, die bestimmte Medikamente einnehmen, Raucher und Extremsportler (wobei Sportverbände in ihren Veröffentlichungen eine Nahrungsergänzung für Sportler eher als Ausnahme sehen). Die genannten Risikogruppen sollten Ergänzungspräparate einnehmen.
Obst, Gemüse und Seefisch werden nicht ausreichend verzehrt
Schwangere und Stillende gehören zum Beispiel zur Personengruppe mit einem erhöhten Nährstoffbedarf; für sie gilt die Empfehlung, Eisen und Jod täglich in Tablettenform zu ergänzen. Frauen, die schwanger werden möchten, sollten täglich 400 Mikrogramm Folsäure ergänzen. Für Säuglinge wird eine Vitamin-K-Gabe nach der Geburt empfohlen sowie im ersten Lebensjahr ein Präparat mit 10 Mikrogramm Vitamin D und 0,25 Milligramm Fluorid.
Ein Vitamin-D-Präparat ist für Menschen sinnvoll, die sich bei Sonnenschein nicht oder kaum im Freien aufhalten oder aber ihre Haut nicht unbedeckt der Sonne aussetzen. Außerdem rät die Deutsche Gesellschaft für Ernährung der Gesamtbevölkerung, jodiertes und fluoridiertes Speisesalz im Haushalt zu nutzen, ferner mit Jodsalz hergestellte Lebensmittel. Des Weiteren definiert das Max-Rubner-Institut Obst und Gemüse wie auch Seefisch als sehr wertvolle Lebensmittel, die allerdings in der Bevölkerung nicht ausreichend den Empfehlungen entsprechend verzehrt werden.
Schutz fürs Herz? Datenlage reicht noch nicht aus
In einer großen Studie wurde veröffentlicht, dass Vitaminpräparate und Nahrungsergänzung mit Radikalfängern Herz-Kreislauf-Erkrankungen beeinflussen können. Hierbei zeigten sich positive Effekte, allerdings konnte das Risiko auf Herzinfarkt und Schlaganfall selbst nicht verringert werden.
In Bezug auf die Vitamin-D-Einnahme zeigte sich in einer großen Zusammenfassung von Studien eine Risikoreduktion für Typ-1-Diabetes, wenn bei Kindern im frühen Lebensalter Vitamin D ergänzt wurde – jedoch nicht, wenn dies bereits während der Schwangerschaft eingenommen wurde. Mit Empfehlungen sind Experten aber derzeit noch zurückhaltend, da die Datenlage noch nicht ausreicht.
Bei Überdosierung: eher Schaden als Nutzen?
Der Glaube an die Wirksamkeit von Nahrungsergänzungsmitteln wurde im Jahr 2012 schwer erschüttert: Studien zeigten, dass eine hohe Dosierung an bestimmten Nährstoffen zu einem erhöhten Krankheitsrisiko geführt hatte. Bei einer Studie (SELECT) erkrankten mehr Männer unter Vitamin-E-Gabe an Prostatakrebs als in der Vergleichsgruppe ohne Zusatz. In der CARET-Studie erkrankten Raucher mit Vitamin-A-Ergänzung eher an Lungenkrebs als eine entsprechende Vergleichsgruppe.
Außerdem haben Wissenschaftler herausgefunden, dass hohe Dosen an Radikalfängern (Antioxidantien) körpereigene Schutzmechanismen außer Kraft setzen. Bewegung und Sport dagegen fördern diese positiven Eigenschaften der eigenen Heilkraft.
Das arznei-telegramm veröffentlichte 2014 folgendes Statement:
“Die Datenlage ist eindeutig: In allen randomisierten Studien mit klinischen Endpunkten bleibt ein klarer Nutzen der Einnahme der Vitamine A, C und E sowie von Betakarotin hinsichtlich der Behandlung oder Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs aus. Zuviel Betakarotin kann der Gesundheit schaden: In zwei großen Untersuchungen und nach einer aktuellen Metaanalyse erhöht es die Lungenkrebsrate und die Gesamtsterblichkeit deutlich.”
Vitamin- und abwechslungsreich essen!
Das Fazit:Menschen mit Diabetes eine vitamin- und abwechslungsreiche Kost zu empfehlen, ist unbestritten sinnvoll. Bekannt ist, dass in Obst und Gemüse Vitamine und Mineralien enthalten sind sowie sekundäre Pflanzenstoffe, die sehr wichtig für die Gesundheit sind. Studien weisen auf Schutzeffekte durch bestimmte Vitamine für Herz-Kreislauf-Erkrankungen hin. Deshalb ist es wichtig, täglich frisches Gemüse und Obst, am besten der Saison entsprechend, zu essen, oftmals im Austausch zu Vitaminpillen und ähnlichen Produkten.
- Obst und Gemüse statt Pülverchen …
- Gutes tun für Haut und Haar
- Vitamin D: nicht nur für die Knochen
- Vitamin D schützt vielfältig – oder?
Dr. Astrid Tombek
Diabetes- und Ernährungsberatung, Diabetes Zentrum Mergentheim,
Theodor-Klotzbücher-Straße 12, 97980 Bad Mergentheim,
Tel.: 0 79 31/5 94-1 61, E-Mail: tombek@diabetes-zentrum.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2016; 65 (6) Seite 18-19
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stephanie-haack postete ein Update vor 1 Tag, 3 Stunden
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bloodychaos postete ein Update vor 5 Tagen, 9 Stunden
Hey, brauche Eure Hilfe. Habe den G7 genutzt. Als der über mehrere Monate (Frühjahr/Sommer 2025) massive Probleme (teils Abweichungen von 150 mg/dL, Messfaden schaute oben heraus) machte bin ich zum G6 zurückgegangen. Dessen Produktion wird nun eingestellt. Ich habe solche Panik, wieder den G7 zu nutzen. Habe absolut kein Vertrauen mehr in diesen Sensor. Aber mit meiner TSlim ist nur Dexcom kompatibel. Ich weiß nicht was ich machen soll, ich habe solche Angst.
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ole-t1 antwortete vor 5 Tagen, 5 Stunden
Mit “meinem” Omnipod 5 wird der Dexcom G7 Ende 2026 voraussichtlich der einzige verfügbare Sensor sein.
So richtig begeistert über die Einstellung des G6 bin ich auch nicht, auch wenn es absehbar war.
Ich habe einfach die Hoffnung, dass die Qualitätsprobleme beim G7 bis dahin ausgestanden sind.Ich warte das Thema noch einige Monate ab.
Wenn ich Ende 2026 feststelle, dass die Kombination aus meiner Pumpe und dem CGM für mich nicht funktioniert, bin mir sicher, dass meine Diabetes-Ärztin und ich eine gute Lösung für mich finden.Hier habe ich aufgeschnappt, dass für die t:slim wohl eine Anbindung des Libre 3 in der Mache ist:
https://insulinclub.de/index.php?thread/36852-t-slim-mit-libre-3-wann/
Leider steht keine überprüfbare Quelle dabei. 🤷♂️Ein weiterer mir wichtiger Gedanke:
Angst und Panik sind in diesem Zusammenhang vermutlich keine hilfreichen Ratgeber. Hoffentlich schaffst Du es, dem Thema etwas gelassener zu begegnen.
(Das sagt der Richtige: Ich habe in meinem letzten DiaDoc-Termin auch die Hausaufgabe bekommen, mal zu schauen, was mir gut tut.) -
bloodychaos antwortete vor 4 Tagen, 23 Stunden
@ole-t1: Hey Ole, ganz lieben Dank für Deine Nachricht. Die Produktion des G6 endet laut einem Artikel auf dieser Seite ja zum 1. Juli 2026. Wann der Libre3 mit der TSlim kompatibel sein wird weiß man ja noch nicht. An sich gefällt mir Dexcom auch besser als Libre und die erste Zeit lief der G7 ja auch super bei mir. Ich kann mir schwer vorstellen, dass der G7 von heute auf Morgen nicht mehr bei mir funktioniert? Es gab ja auch das Gerücht das Dexcom eine zeitlang Produktionsprobleme hatte, dass wäre ja eine Erklärung, aber da geht Dexcom natürlich auch nicht mit hausieren.
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rolli-xx antwortete vor 3 Tagen, 10 Stunden
@bloodychaos: Moin, ich benutze den G 7 seit Dezember 2022 (vorher G 6). Seit Dezember 2024 in Kombination mit der t:slim X 2 Ja, es hat immer mal wieder einen Sensor gegeben, der nicht richtig funktioniert hat . Dann wurde ein neuer gesetzt, der Vorfall an Dexcom gemeldet und es gab dann wenige Tage später einen neuen Sensor.
Wie ole-t1 schon geschrieben hat, erst einmal die Ruhe bewahren und nicht in Panik verfallen. Alle auf dem Markt erhältlichen Sensoren haben Schwankungen in der Genauigkeit ihrer Angaben. Wichtig ist daher zu beurteilen, ob das, was der Sensor anzeigt, überhaupt sein kann.
Zum Beispiel durch blutiges Nachmessen (dabei bitte dran denken, dass der Gewebezucker, den die Sensoren messen, rd. 20-30 Minuten hinter dem Blutzucker hinterher hinkt).
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loredana postete ein Update vor 1 Woche
Die Registrierung mit dem Geburtsjahr war echt sportlich. Wollte es schon fast wieder abbrechen.
