Obst und Gemüse statt Pülverchen …

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Obst und Gemüse statt Pülverchen …

Nahrungsergänzungspräparate sind für viele Menschen in Deutschland tägliche Praxis. Frauen greifen dabei häufiger zu Pillen und Pülverchen als Männer. 28 Prozent der Bundesbürger konsumieren regelmäßig solche Präparate. Ist das wirklich sinnvoll?

Vitamine und Co lassen sich die Deutschen einiges kosten: Laut Marktforschung des Unternehmens IMS Health wurden im Jahr 2010 rund 907 Mio. Euro ausgegeben. Laut Angaben der Nationalen Verzehrsstudie (NVS II) schluckt jeder Zehnte magnesiumhaltige Präparate, 6,8 Mio. Deutsche nehmen Vitamin C und 5,8 Mio. Vitamin E. Für 5 Mio. gehören Vitamin B6 oder Folsäure dazu. Doch bei Vitamin D sind es nur 2,5 Mio., die das fettlösliche Vitamin ergänzen. Weitere 2,3 Mio. Deutsche nehmen regelmäßig Vitamin-A-haltige Präparate.

Nahrungsergänzungsmittel gelten rechtlich als Lebensmittel

Das Bundesministerium für Risikobewertung (BfR) definiert Nahrungsergänzungsmittel als Produkte, die aus Nährstoffen wie Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, Ballaststoffen oder Aminosäuren in konzentrierter Form bestehen. Obwohl diese als Tabletten, Dragees oder Pulver verkauft werden, zählen Nahrungsergänzungsmittel nicht zu Arzneimitteln, sondern zu Lebensmitteln.

Dies hat rechtliche Konsequenzen: Für Nahrungsmittel braucht es keine Studien wie für Medikamente. Aus Gründen des Verbraucherschutzes können sie lediglich mit einer Empfehlung zur Tagesdosis angeboten werden – ein Warnhinweis, diese Dosis nicht zu überschreiten, steht meist im Kleingedruckten.

Deutschland ist kein Vitaminmangelland!

Die Tradition, dass wir auf das Heil der Nahrungsergänzungspräparate schwören, hat eine lange Geschichte: So galt es im zweiten Weltkrieg als gesund, wenn Soldaten Vitamin C in Form von Bonbons nahmen. Auch in der modernen Zeit wird häufig damit geworben, dass durch zunehmenden Stress in der Umwelt mehr Schutz nötig sei.

Gleichzeitig trug eine Veröffentlichung des Pharmakonzerns Geigy aus dem Jahr 1985 dazu bei, dass man annahm, im Boden wären nicht mehr ausreichend Nährstoffe vorhanden; demnach würden Lebensmittel im Hinblick auf ihre Vitalstoffdichte verarmen und man müsse entsprechend ergänzen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat vor kurzem die aktuelle Datenlage zur Vitaminversorgung der Bevölkerung geprüft und festgestellt, dass Deutschland kein Vitaminmangelland ist.

Nur bei Vitamin D und Folsäure ist die Versorgungslage hierzulande kritisch

Im Ernährungsbericht der DGE wird regelmäßig veröffentlicht, wie es um die Versorgung mit Nährstoffen steht. Aus diesen Berichten geht hervor, dass die Lage hierzulande gut ist. Kritisch sieht es allerdings bei Folsäure und Vitamin D aus. Und ausgerechnet diese beiden werden laut Nationaler Verzehrsstudie am wenigsten ergänzt.

Daher hat das Max-Rubner-Institutfolgende Risikogruppen definiert: Kinder und Jugendliche, Schwangere und Stillende, Frauen im gebärfähigen Alter, Menschen, die eine Diät halten, ältere Menschen, chronisch Kranke, Menschen, die bestimmte Medikamente einnehmen, Raucher und Extremsportler (wobei Sportverbände in ihren Veröffentlichungen eine Nahrungsergänzung für Sportler eher als Ausnahme sehen). Die genannten Risikogruppen sollten Ergänzungspräparate einnehmen.

Obst, Gemüse und Seefisch werden nicht ausreichend verzehrt

Schwangere und Stillende gehören zum Beispiel zur Personengruppe mit einem erhöhten Nährstoffbedarf; für sie gilt die Empfehlung, Eisen und Jod täglich in Tablettenform zu ergänzen. Frauen, die schwanger werden möchten, sollten täglich 400 Mikrogramm Folsäure ergänzen. Für Säuglinge wird eine Vitamin-K-Gabe nach der Geburt empfohlen sowie im ersten Lebensjahr ein Präparat mit 10 Mikrogramm Vitamin D und 0,25 Milligramm Fluorid.

Ein Vitamin-D-Präparat ist für Menschen sinnvoll, die sich bei Sonnenschein nicht oder kaum im Freien aufhalten oder aber ihre Haut nicht unbedeckt der Sonne aussetzen. Außerdem rät die Deutsche Gesellschaft für Ernährung der Gesamtbevölkerung, jodiertes und fluoridiertes Speisesalz im Haushalt zu nutzen, ferner mit Jodsalz hergestellte Lebensmittel. Des Weiteren definiert das Max-Rubner-Institut Obst und Gemüse wie auch Seefisch als sehr wertvolle Lebensmittel, die allerdings in der Bevölkerung nicht ausreichend den Empfehlungen entsprechend verzehrt werden.

Schutz fürs Herz? Datenlage reicht noch nicht aus

In einer großen Studie wurde veröffentlicht, dass Vitaminpräparate und Nahrungsergänzung mit Radikalfängern Herz-Kreislauf-Erkrankungen beeinflussen können. Hierbei zeigten sich positive Effekte, allerdings konnte das Risiko auf Herzinfarkt und Schlaganfall selbst nicht verringert werden.

In Bezug auf die Vitamin-D-Einnahme zeigte sich in einer großen Zusammenfassung von Studien eine Risikoreduktion für Typ-1-Diabetes, wenn bei Kindern im frühen Lebensalter Vitamin D ergänzt wurde – jedoch nicht, wenn dies bereits während der Schwangerschaft eingenommen wurde. Mit Empfehlungen sind Experten aber derzeit noch zurückhaltend, da die Datenlage noch nicht ausreicht.

Bei Überdosierung: eher Schaden als Nutzen?

Der Glaube an die Wirksamkeit von Nahrungsergänzungsmitteln wurde im Jahr 2012 schwer erschüttert: Studien zeigten, dass eine hohe Dosierung an bestimmten Nährstoffen zu einem erhöhten Krankheitsrisiko geführt hatte. Bei einer Studie (SELECT) erkrankten mehr Männer unter Vitamin-E-Gabe an Prostatakrebs als in der Vergleichsgruppe ohne Zusatz. In der CARET-Studie erkrankten Raucher mit Vitamin-A-Ergänzung eher an Lungenkrebs als eine entsprechende Vergleichsgruppe.

Außerdem haben Wissenschaftler herausgefunden, dass hohe Dosen an Radikalfängern (Antioxidantien) körpereigene Schutzmechanismen außer Kraft setzen. Bewegung und Sport dagegen fördern diese positiven Eigenschaften der eigenen Heilkraft.

Das arznei-telegramm veröffentlichte 2014 folgendes Statement:

“Die Datenlage ist eindeutig: In allen randomisierten Studien mit klinischen Endpunkten bleibt ein klarer Nutzen der Einnahme der Vitamine A, C und E sowie von Betakarotin hinsichtlich der Behandlung oder Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs aus. Zuviel Betakarotin kann der Gesundheit schaden: In zwei großen Untersuchungen und nach einer aktuellen Metaanalyse erhöht es die Lungenkrebsrate und die Gesamtsterblichkeit deutlich.”

Vitamin- und abwechslungsreich essen!

Das Fazit:Menschen mit Diabetes eine vitamin- und abwechslungsreiche Kost zu empfehlen, ist unbestritten sinnvoll. Bekannt ist, dass in Obst und Gemüse Vitamine und Mineralien enthalten sind sowie sekundäre Pflanzenstoffe, die sehr wichtig für die Gesundheit sind. Studien weisen auf Schutzeffekte durch bestimmte Vitamine für Herz-Kreislauf-Erkrankungen hin. Deshalb ist es wichtig, täglich frisches Gemüse und Obst, am besten der Saison entsprechend, zu essen, oftmals im Austausch zu Vitaminpillen und ähnlichen Produkten.

Schwerpunkt: Gesund dank Pillen, Pulver und Ampullen?

Dr. Astrid Tombek
Diabetes- und Ernährungsberatung, Diabetes Zentrum Mergentheim,
Theodor-Klotzbücher-Straße 12, 97980 Bad Mergentheim,
Tel.: 0 79 31/5 94-1 61, E-Mail: tombek@diabetes-zentrum.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2016; 65 (6) Seite 18-19

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

  • gingergirl postete ein Update vor 1 Woche, 6 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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