Pflanzen: Wesen mit Würde

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Pflanzen: Wesen mit Würde

Stehen stumm und dumm in der Gegend herum, so sehen die meisten die Pflanzen. Florianne Koechlin weiß es besser: Für die Biologin sind Pflanzen höchst kommunikativ und treffen sogar eigene Entscheide.

Selten habe ich mich so auf einen Vortrag gefreut. Selten bin ich dafür so belächelt worden: „Jetzt spinnt er komplett“, war noch nett. Selten war ich so begeistert.

„Schwatzhafte Tomate, wehrhafter Mais“, so lautet der witzige Titel im wunderschönen Botanischen Garten von Basel-Brüglingen. Bunt gekleidet erzählt die 1948 in Kalifornien geborene, in Basel lebende Florianne Koechlin (s. Abb. 1) scheinbar lustige Geschichten. Sehr gestenreich mit schlichten Fotos, mit selbst gefertigten Zeichnungen spricht die studierte Biologin und Chemikerin – und in angenehmer Schweizer Mundart.

„Do chunt ä Rupe zue dä domate“ – da kommt die Raupe zur Tomate, knabbert sie an. Als der Angreifer die benachbarte Tomate angreift, vergeht der Raupe schnell der Appetit – über Botenstoffe wurde diese Tomate blitzschnell informiert und „empfängt“ den Eindringling mit Giftstoffen. Die Biologin erzählt von afrikanischen Akazienbäumen, deren Blätter den Giraffen schmecken. Aber nicht lange, denn auch hier funktioniert das Warnsystem – und abstoßende Bitterstoffe vertreiben die Langhälse.

Da gibt es Tabakpflanzen, die analysieren den Speichel der Fressfeinde, identifizieren damit die Art – und die Art der Abwehrgifte. Sind die Feinde zu stark, holt sich die Pflanze mit Hilfe von Duftstoffen Hilfe, lockt Insekten an, welche den Schädling schädigen.

Ja, es geht sogar soweit, dass die Pflanze plötzlich merkt, dass sie einen der nachtaktiven Schädlinge wenigstens für die Bestäubung hätte brauchen können. Flugs ändert sie ihr Verhalten, lässt sich tagsüber von einem Kolibri bestäuben, den sie auch mit speziellen Duftstoffen anlockt.

Wie Krimis klingt das, wenn sie davon erzählt, wie Pflanzen unterirdisch kommunizieren, wie das dazu führt, dass etwa die Hirse mit ihrem überschüssigen Zucker den Flachs füttert – auf dass der doppelt so groß wird, wie ohne „Nachbarschaftshilfe“. Begeistert erzählt sie von der uralten Anbaumethode „3 Schwestern“ in Südamerika, wo sich Mais, Kürbis und Bohne gegenseitig unterstützen, etwa die Bohnen dem Mais Proteine spenden.

Plötzlich ändert sich der Ausdruck leicht, mit angelegten Armen macht sich die Biologin zur Maispflanze, einer „modernen“ Maispflanze, einer auf Höchstertrag optimierten Pflanze für die Monokultur. „Die ist fast stumm, die kann kaum mehr kommunizieren, wird Autistin“, meint sie bocksteif stehend.

Mit einem Mal wird sichtbar, was unsere industriealisierte LandWIRTSCHAFT auch noch zerstört: Die Fähigkeiten der Pflanzen, sich selbst zu organisieren, sich zu erinnern, Entscheide zu treffen, mit anderen Pflanzen in Kontakt zu treten – und: „Ein Immunsystem aufzubauen“.

Da zucke ich zusammen: Pflanze und Immunsystem. Da fällt mir ein, dass über 80 Prozent unserer Medikamente einen pflanzlichen Ursprung haben. Da sehe ich plötzlich, welche wirtschaftlichen Potentiale die Entschlüsselung der Pflanzengeheimnisse auch haben könnte.

Da bekomme ich plötzlich eine Ahnung, warum weltweit auf diesem Gebiet geforscht wird, das vor kurzem noch mit der Esoterik-Keule platt gemacht wurde. In Basel, in Bonn, in Jena, in China, in Kanada, den USA arbeiten an der Entschlüsselung der Pflanzenkommunikation exzellente Wissenschaftler, viele hat die weitgereiste Baslerin persönlich besucht. Und alle Geschichten, die sie erzählt, basieren auf exakten Experimenten von Wissenschaftlern.

Nur, als ich genauer nachfrage, woher das plötzliche Interesse rührt, da weicht die gesprächige Baslerin aus. Vielleicht fürchtet sie, dass diese Erkenntnisse wieder primär wirtschaftlichen Interessen dienen, von denen sie einige selbst angedeutet hat: So lassen sich in klug zusammengestellten Mischkulturen die Erträge um ein Mehrfaches steigern – bei gleichzeitig minimiertem Spritzmitteleinsatz.

Viel lieber spricht die couragierte Wissenschaftlerin über ihr Lieblingsthema: Unsere veränderte Sicht auf Pflanzen. Denn die sind nach einem Koechlin-Vortrag mit einem Male keine leblosen Sachen, keine Bioautomaten mehr. Sondern sie haben vielleicht sogar ein Bewusstsein, können bei Verletzungen ihrer elektrischen Signalkaskaden vielleicht sogar Schmerz empfinden.

Die auch grün-politisch Engagierte bleibt immer in der Möglichkeitsform, weist lachend das Argument zurück, dass wir jetzt gar nichts mehr essen dürften, wobei Vegetarier und die sich noch edler dünkenden Veganer schon mal ins Nachdenken kommen dürften angesichts des neuen Bildes der Pflanzen als Lebewesen, das Florianne Koechlin beredt entwirft.

Konkret wird sie dann doch, als sie wie selbstverständlich darauf hinweist, dass sich damit wohl Patente auf Pflanzen verbieten. Danke, Frau Koechlin! Aber ich sehe auch Chancen durch die neuen Erkenntnisse: Vor allem könnte die Ökolandwirtschaft davon profitieren, könnte zeigen, wenn ihre Experten auf das „Schwätzen“ der Pflanze hören, dass ihre Wirtschaftsweise sich positiv auf die Pflanzen auswirkt.

„Die Würde der Kreatur ist unantastbar“. Das steht tatsächlich in der Schweizer Verfassung – und auch nur in der. Die anerkannte Wissenschaftlerin war jahrelang in einer Ethik-Kommission, die darüber diskutierte, ob das auch für Pflanzen gilt. Amüsiert berichtet sie von den Diskussionen in der Kommission.

Noch amüsierter erzählt sie von den hämischen Reaktionen, als die Pflanzen tatsächlich als von der Verfassung geschützte Kreaturen anerkannt wurden. Die Baslerin ficht das nicht an – sie weiß, dass neue Erkenntnisse immer von den Rändern ins Zentrum dringen.

Passend dazu berichtet sie vom ältesten Baum der Schweiz, einer 1 200 Jahre alten Lärche im Wallis. Einem Baum, der allen Stürmen trotzte, der mit immer neuen Fressfeinden zu kämpfen hatte, der sich anpassen musste. „Pflanzen sind viel wandlungsfähiger als Tiere und Menschen“, meint sie, „wir können nur rennen“.

„Würde“, erklärt sie abschließend, „ist ein sperriges Wort, aber ein gutes, es kommt aus dem Althochdeutschen und steht für: Wertigkeit“.

„Pflanzenpalaver“ heißt ein spannendes Buch von Florianne Koechlin, das im Basler Lenos-Verlag erschienen ist. Ein faszinierender Einblick in eine kommende Welt.


von Hans Lauber
E-Mail: aktiv@lauber-methode.de
, Internet: www.lauber-methode.de

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

  • gingergirl postete ein Update vor 1 Woche, 5 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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