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Das Echt essen-Gasthaus im Juli: Ein Kräuterlokal mit göttlichem Salat mitten in der quirligen Metropole, eine Austern-Institution am Hafen – und das faszinierende Grillen von Wildlachs, sind die echten Empfehlungen im Juli.
Seattle ist eine der angenehmsten Großstädte der Welt: Die Stadt im äußersten Nordwesten der USA liegt am Wasser, und das in vielfältiger Form: Ein mächtiger Meerestrichter öffnet sich zum Pazifik, überall hat es größere und kleinere Seen. Überall hat es Bäume und das Klima ist angenehm trotz des überbordenden Autoverkehrs. Seattle ist wohlhabend, ist Sitz von Konzernen wie Microsoft, Boeing, Starbucks und leider auch dem Verlegerschreck Amazon. Aber anyway, insgesamt herrscht eine angenehm urbane Atmosphäre, in der auch die Künste gut gedeihen.
Seattle ist auch kulinarisch spannend: Es gibt hervorragende lokale Produkte, immer mehr davon sind Bio. Auch existiert eine vitale Essensszene. Dazu gehört das Kräuterlokal “Poppy”, die Austern-Institution “Elliott’s Oyster House” – und weil ich bei einem Freund wohnte, konnte ich hervorragendes Home-Cooking genießen.
Schon zum zweiten Mal war ich im “Poppy”, das am Capital Hill mit seinen kleinen Geschäften, vielen Restaurants, schönen alten Häusern liegt. Der “Chef”, so heißen in Amerika die Köche, Jerry Traunfeld, kochte früher in einem teuren Haus. Aber seit vielen Jahren serviert er in diesem schlicht gehaltenen Lokal eine unprätentiöse Küche mit entspanntem Service zu bezahlbaren Preisen. Instinktiv nahm Traunstein einen Trend vorweg, der derzeit in Seattle Mega ist: “Local”, ein Wort, das inzwischen selbst in den großen Supermärkten Einzug gehalten hat, wo überall die heimischen Produkte besonders gekennzeichnet sind.
Ein kleiner, feiner Garten mit ein paar einfachen Tischen liegt hinter dem Gasthaus. In dem unheimlich gepflegten Garten wächst eine Fülle von Küchenkräutern, etwa ein prächtiger Rosmarinstock, herrlich duftende Zitronenmelisse, mein Lieblingskraut Verveine, wunderbarer Borretsch. Es wachsen aber auch viele essbare Blüten darin, wie etwa die leicht pfeffrige Kapuzinerkresse sowie gelbe und violette Veilchen. Aber der Garten dient nicht nur zur Zierde, sondern ist ein richtiger Nutzgarten, wie ich beobachten konnte, weil ich einen der wenigen Außenplätze ergattert hatte: Ununterbrochen kommen Köche mit ihren Messern und schneiden Kräuter ab, die sofort auf die Gerichte wandern.
Amerika ist ja der Hort des Fast Foods, heißt es. Das ist auf der einen Seite richtig, auf der anderen Seite gibt es in Paris mehr Burger-Brutzler als in New York. Vor allem in den US-Großstädten gehört ein richtig gut gemachter Salat zum Standard, so auch im Poppy: “Green Goddess” haben die Restaurant-Macher ihre Schöpfung euphorisch getauft. Das ist sicher eine Marketing-Kelle zu dick aufgetragen, andererseits klingt es aber besser als Beilagensalat – und die Akzeptanz für das Grüne steigert es ganz gewiss. Auf jeden Fall schmecken die knackfrischen heimischen Blätter, die mit einer süffigen, aber nicht zu süßen Sauce angemacht sind, sehr gut. Bronzefenchel, intensive Borretsch- und Veilchenblüten adeln die 12 Dollar teure Grüne Göttin.
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“today’s thalis” heißen die Hauptgerichte. Weil ich den Begriff nicht kannte, es sich aber spannend anhörte, habe ich es einfach bestellt – learning by eating. Ich habe es nicht bereut. Aus Indien kommt die Bezeichnung – und meint einen Teller (thali heißt auf hindi Teller) mit Reis in der Mitte und darum herum weitere Speisen. Bei mir war der “Reis” ein sensationell zart gegartes Biohuhn mit einer Art Joghurt-Sauce. Die knackigen Röstzwiebeln hätten jeder schwäbischen Hausfrau zur Ehre gereicht. Frischer Koriander und wenig süße Rosinen rundeten süffig ab.
In bester Erinnerung bei den Beilagen ist mir die Suppe aus “Smoked Eggplant”, witziger Name für Aubergine, und Linsen geblieben. Eine wohlschmeckende Idee ist es, den Rhabarber einzusalzen und mit Lovage, also Liebstöckel, zu servieren. Werde ich mal nachmachen!
Fazit: Eine indisch angehauchte, kulinarisch faszinierende Reise mit lokalen Produkten aus dem Staat Washington. Nicht unbedingt, was ich erwartet habe, aber zur polyglotten Metropole passend. Die 27 Dollar ist es allemal wert. Wie auch die 10 Dollar für meinen Cocktail “Block Party”, den ich wegen der Hitze statt Wein getrunken habe. Herrlich erfrischend die Mischung aus angesagtem Gin, Gurke, Zitrone, Rosenwasser und Minze.
“Poppy”, 622 Broadway East, Seattle WA, 98 102, täglich ab 17 Uhr 30. Empfehlenswert: “Happy Hour” mit Superpreisen www.poppyseattle.com
Wer aus dem Restaurant tritt, sich links hält, kommt zum “Denny Way”, und der führt über die “Broad Street” in rund 45 Minuten zu den Piers, wo das legendäre “Elliott’s Oyster House” liegt. Nun läuft kaum ein Amerikaner so lange durch die Stadt, obwohl es auch nicht gefährlicher ist, als etwa durch Köln zu gehen. Aber immerhin gibt es jetzt immer mehr Fahrradwege, plötzlich wieder Straßenbahnen und ein gut funktionierendes Busnetz.
Wenn ich in Seattle bin, gehört ein Besuch im “Austernhaus” zum Pflichtprogramm. Sicher, das ist auch ein Touristenrestaurant, weil hier die Ausflugschiffe ablegen. Aber das auf Austern spezialisierte Fischrestaurant ist keine Touristenfalle, sondern ein kleines Paradies für Freunde der Austern. Hier gibt es eine Extra-Karte für die glitschigen Köstlichkeiten, die alle von der Westküste von Kalifornien bis Alaska stammen.
Casanova kannte zwar die moderne Ernährungsforschung nicht. Aber er ahnte instinktiv, dass die Meeresfrüchte seiner Potenz auf die Sprünge helfen, weshalb er gut und gerne auch einige Dutzend verschlungen hat. Heute wissen wir, dass es kaum ein hochwertigeres Lebensmittel als die hartschaligen Meeresbewohner gibt. Eine Eiweißbombe sind die Austern – und eine Vitalstoffgranate dazu.
Denn schon fünf Austern decken den Bedarf an wichtigen Spurenelementen und Mineralien wie Eisen, Kupfer, Magnesium und Zink. Gerade die beiden letztgenannten sind auch unerlässlich für eine gute Diabetes-Einstellung. Ja, und das Zink ist auch unerlässlich für die Produktion von Sexualhormonen. Klingt alles gut, aber trotzdem machen viele einen Bogen um die Austern, vor allem Frauen rühren sie meist nicht an. Macht ja nichts, Hauptsache die Männer kommen auf den Geschmack.
Der ideale Platz im “Elliott’s” ist an der Bar. Dort lässt es sich gut beobachten, wie im Akkord Austern geöffnet werden – und trotzdem geben die Knacker freundlich Auskunft über die einzelnen Sorten, genau so wie auch der bemerkenswert fachkundige Service. Über 40 verschiedene Sorten listet die Austernkarte. Allerdings sind im Sommer, was nicht die ideale Zeit ist, davon gerade einmal 17 zu haben. Das halte ich für keinen Nachteil, so ist garantiert, dass die Ware frisch ist. Das ist sie! Selten habe ich bessere Austern gegessen, was daran liegt, dass der Pazifik vor der Küste kalt ist (selbst in Kalifornien) und im Kalten gedeihen sie am Besten.
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Schmecken tun sie alle, jodig, nach Meerwasser, zart die kleinen, fleischig die Fetten, die aber nicht fett daherkommen. Sättigend sind sie, da braucht es keine dick machenden Kohlenhydrate. Austern sind so gesehen ein sehr schmackhafter Weg, schlank zu bleiben. Billig ist der Spaß nicht, die normalen kosten 2,75 Dollar, die speziellen 3,50 Dollar. Was auch zu empfehlen ist im weitläufigen Restaurant mit einer traumschönen Meeresterrasse: Vom Faß die großartigen Craft-Biere, also die Handwerksbiere kleiner Brauereien. Denn in Amerika hat eine Revolution eingesetzt mit charakterstarken Bieren, die selbst einen eingefleischten heimischen Biertrinker wie mich staunen lässt.
Weil ich einen aus Deutschland stammenden Freund besuchte, der seit langem als Künstler in Seattle lebt, konnte ich auch eine der größten Delikatessen des Nordwestens bestens genießen: Wildlachs. Nachdem er jahrelang im kalten Wasser vor Alaska sich von Krebsen ernährt hat, was ihm die rötliche Farbe verleiht, kommt er in diesen Monaten zum Laichen an “seinen” Geburtsplatz zurück. Ein genau überwachtes Reglement sorgt dafür, dass die Bestände nicht gefährdet werden.
“Sockeye” heisst die beste Sorte – und wir kauften direkt am Fischhafen einen Lachs, der für sechs Personen reicht und um die 50 Dollar kostet. Gewürzt haben wir ihn mit Kräutern aus dem eigenen Garten, mit Zitrone und mit Joghurt. Der ist wichtig, denn mein Freund, ein erfahrener Griller, gibt den Lachs auf der Fleischseite direkt auf den Gasgrill, dreht ihn nach wenigen Minuten um – und erst dann kommt er bei geschlossenem Grill auf die Hautseite. Erst stand ich dieser Methode skeptisch gegenüber, aber das Ergebnis ist überwältigend: Saftig und wohlschmeckend. Besser können Herz schützende Omega-3-Fette sicher nicht schmecken!
Von vielen Stellen in Seattle ist er zu sehen: Der von den ursprünglich dort lebenden Indianern als Göttin verehrte Takhoma, der leider in Mount Rainier umgetauft wurde. Der schlafende Vulkan, von dem früher gewaltige Eruptionen ausgingen, ist über 4300 Meter hoch und das ganze Jahr schneebedeckt. Rund um den Berg erstreckt sich ein großer Nationalpark, wo es sich in ausgedehnten Wäldern prächtig wandern lässt.
Seattle ist schön. Die Umgebung ist schön. Ein Paradies? Natürlich nicht, aber ein Refugium. Und es ist gut, solche Refugien zu kennen, wenn sich die geschichtsvergessenen Europäer möglicherweise schon bald wieder die Köpfe einhauen.
von Hans Lauber
E-Mail: aktiv@lauber-methode.de
, Internet: www.lauber-methode.de
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